Tischtennis:Boll zieht immer

Tischtennis: Bad Königshofens Bastian Steger genoss im vermeintlichen Auswärtsspiel im Duell mit Timo Boll Heimspielatmosphäre.

Bad Königshofens Bastian Steger genoss im vermeintlichen Auswärtsspiel im Duell mit Timo Boll Heimspielatmosphäre.

(Foto: Andreas Liebmann)

Das in die Oberpfalz verlagerte Heimspiel gegen den TSV Bad Königshofen gewinnt Borussia Düsseldorf. Doch es geht dabei um mehr als das Ergebnis.

Von Andreas Liebmann

Mit einem wuchtigen Diagonalschlag trieb Bastian Steger Timo Boll nach außen, weit in dessen offene Vorhandseite. Boll, der Rekord-Europameister, streckte sich, er erreichte den Ball, doch weil der Rückweg nun sehr lang war, wechselte der Linkshänder den Schläger unterwegs blitzschnell in die rechte Hand - mit der er den nächsten Topspin zog. Er machte am Ende den Punkt. Es war einer der spektakulärsten Ballwechsel in diesem Match, auf das am Sonntag wohl die meisten der 1250 Zuschauer in der zum Bersten gefüllten Stadthalle in Maxhütte-Haidhof gewartet hatten. Boll gegen Steger, das Duell der Freunde. Beide werden im März 39. Boll gewann.

Zuvor war, natürlich ohne die zwei, "der schnellste Schuss der Oberpfalz" ermittelt worden, und er kam, Trommelwirbel: aus Unterfranken. In einer Ecke der Halle war seit Mittag eine Messanlage aufgebaut, an der jeder, der Lust hatte, mit dem Tischtennisschläger seine Schusshärte testen durfte. Das Finale der besten Drei fand vor Publikum statt. Der Sieger, ein junger Japaner namens Yutaka Kashiwa, setzte sich danach schelmisch grinsend zurück auf seinen Platz - nicht auf die Tribüne, sondern in die Spielerbox des TSV Bad Königshofen. Bei diesem Verein trainiert er nämlich. Für den Drittligisten Effeltrich hatte er tags zuvor noch den ehemaligen Erstligaprofi Nico Christ bezwungen.

Für Düsseldorf ging es um die Absicherung des Playoff-Platzes

Offizieller Gastgeber dieser besonderen Ligapartie war Timo Bolls Rekordmeister Borussia Düsseldorf, doch dieser kleine Coup am Rande war schon auch ein Symbol dafür, wie die Gäste aus Unterfranken recht rasch die Regie in der Halle übernommen hatten. Man hätte auch den lautesten Applaus der Oberpfalz ermitteln können. Er hätte überraschenderweise nicht Boll, sondern Steger gegolten, dem zweimaligen EM-Dritten im Einzel, der an Bolls Seite vier Mal Team-Europameister war.

Die Frage war schon vor Spielbeginn aufgetaucht: Ob Gastgeber Düsseldorf tatsächlich eine Heimspielatmosphäre erwarten dürfe. Die Gäste aus Unterfranken hatten es schließlich deutlich näher und waren mit einer Busladung voll stimmgewaltiger Fans angerückt. Doch Düsseldorfs Manager Andreas Preuß gab sich zuversichtlich: "Wir bekommen das meistens ganz gut hin", sagte er mit einem Augenzwinkern. Boll zieht immer - und sie haben ja reichlich Erfahrung mit solchen Partien. Seit etwa 15 Jahren verlagern sie immer wieder mal ein Heimspiel in eine andere Region, um Werbung für sich und ihren Sport zu machen. "Wir verstehen uns da als Botschafter", sagte Preuß. Vor einem Jahr hatten sie mit einer Partie gegen Ochsenhausen sogar den Münchner Audi Dome gefüllt, und dort war letztlich auch dieses Gastspiel in der Oberpfalz entstanden: Organisator Andreas Dinauer war damals in seiner Eigenschaft als Inhaber eines Tischtennis-Fachgeschäfts dabei, ein guter Kontakt zur Borussia entstand. Bald machte man sich an die Planungen. Die ersten 850 Eintrittskarten waren schon vergeben, noch ehe der Vorverkauf begann.

Später am Abend stand Boll dann zum Interview bereit. Er hatte maßgeblich zum 3:1 für Düsseldorf beigetragen, indem er zunächst Mizuki Oikawa und dann auch Steger jeweils in vier Sätzen bezwang, 11:9, 10:12, 15:13, 11:6. Dazwischen hatte Steger mit einem 3:1-Erfolg gegen Kristian Karlsson ausgeglichen und letztlich sichergestellt, dass sein Duell mit Boll auf alle Fälle noch stattfinden würde, Ricardo Walther brachte Düsseldorf gegen Kilian Ort dann wieder in Führung. Die Zuschauer strömten nun nach oben auf die Empore, wo es gleich Autogramme geben sollte, unten wurden Berge von Klatschpappen zusammengefegt. Er habe viel Glück gehabt gegen Steger, sagte Boll. Tatsächlich hatte er vor allem im dritten Satz so häufig die Hand oder den Zeigefinger als Geste der Entschuldigung gehoben für Netzroller und Kantenbälle, dass es aussah, als wolle er nach jedem Ballwechsel die Windrichtung neu prüfen. Übrigens tue er sich eher schwer, gegen einen Kumpel anzutreten, emotional zu sein, gar die Faust zu zeigen: "Ich halte mich dann eher zurück", sagte Boll und fügte an, es habe sich doch eher "wie ein Auswärtsspiel angefühlt".

Das hatte vor allem damit zu tun, dass Bastian Stegers Heimatort Winklarn nicht weit entfernt liegt. Eltern, Schwester, Tanten, Cousins, Nachbarn waren gekommen, auch viele, die ihn schon als Zehnjährigen am Tisch erlebt haben. Steger schüttelte Hände, umarmte, lachte. Viele dieser Leute sieht er selten, das Los eines Profis. Bis vor einem Jahr spielte er in der Liga für Bremen, nun ist er zumindest etwas näher an zu Hause gerückt. Aber so ein richtiges Heimspiel wie dieses, das würde der Oberpfälzer gerne viel öfter erleben. "Ein schönes Gefühl" sei das gewesen, resümierte er tags darauf am Flughafen. Er war bereits wieder unterwegs, zu den Ungarn Open.

Zu einer landkreisübergreifenden Veranstaltung wurde das Duell

Zwei Tage vor dieser Bundesligapartie, in der es für Düsseldorf noch um die Absicherung des Playoff-Platzes ging, hatte der Bayerische Rundfunk die Fastnacht in Franken übertragen, bei dem im unterfränkischen Veitshöchheim die "Altneihauser Feierwehrkapell'n" mal wieder die Rivalität beider Regionen besang ("Oberpfälzer haben sehr viel Charme / Franken, Franken, sind im Geiste arm"). In Maxhütte-Haidhof fand sich nun eine lautstarke Allianz aus Unterfranken und Oberpfälzern.

Organisator Dinauer hatte die Idee, ein Bundesligaspiel in die Region zu holen, schon lange vor dem Kontakt mit Düsseldorf. Er wollte: eine Partie mit Steger. Mit ihm hat er in der Jugend nämlich mehrere Jahre lang erfolgreich Doppel gespielt, einmal bei deutschen Meisterschaften sogar gegen Boll und Zoltan Fejer-Konnerth. "Wir haben verloren", erinnerte sich Dinauer. Der Abteilungsleiter des TB/ASV Regenstauf hatte sich dann mit dem FC Maxhütte-Haidhof zusammengetan, wo es die schönere Halle und eine 50-Jahr-Feier gab. Das machte es zu einer landkreisübergreifenden Veranstaltung, weshalb mehrere Bürgermeister und Landräte kamen - der Landkreis Schwandorf ernannte Steger vor Spielbeginn zu seinem Botschafter.

Die Partie begann mit einer Schweigeminute. Ralf Zahradnik, Abteilungsleiter des FC Maxhütte-Haidhof, ist während der Vorbereitungen gestorben, am 5. Januar, mit 56. "Ein Macher", betonte Dinauer, "ohne ihn hätte das so nie stattgefunden." Noch vom Krankenbett aus habe Zahradnik geholfen. "Er wäre stolz gewesen, das heute mitzuerleben." So viele Klubs aus der Gegend waren da. ASV Burglengenfeld stand auf den Jacken, TSV Bogen, KF Oberviechtach. Vom FC Chamerau, erzählte einer, seien 62 gekommen - und nicht nur wegen Steger: "Timo ist für uns auch ein großes Vorbild." Die Zuschauer seien auf ihre Kosten gekommen, resümierte Steger. Der Sport hatte gewonnen. Das war es ja, was Gastgeber Düsseldorf wollte.

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