Tischtennis:Abschiedsgruß aus Tokio

Tischtennis German Open 2020 am 30.01.2020 in der GETEC-Arene in Magdeburg Mizuki Oikawa ( JPN ) *** Table Tennis German; Tischtennis - Bad Königshofen - Mizuki Oikawa

Liebling der Fans: Sportlich ist Mizuki Oikawa, der Mann mit der spektakulären Spielweise, kaum zu ersetzen.

(Foto: imago)

Erstligist Bad Königshofen erteilt Mizuki Oikawa überraschend die Freigabe.

Von Andreas Liebmann

Was in Erinnerung bleiben wird? "Das Positive", antwortet Andreas Albert ohne zu zögern, und dann fallen dem Teammanager des Tischtennis-Erstligisten TSV Bad Königshofen Dinge ein wie das Schäufele ("Schäuferla")", jenes fränkische Fleischgericht aus der Schweineschulter, für das man so einen gesegneten Appetit benötigt, weil sich darunter Tischplatten durchbiegen. Man kann sich das herrlich vorstellen, wie sich der gerade mal 1,60 Meter kleine Japaner Mizuki Oikawa an einer solchen Fleischladung versucht, und doch sei es immer das Erste gewesen, was er nach seiner Rückkehr ins unterfränkische Bad Königshofen bestellt habe. Oikawa wird nun jedenfalls sehr lange kein "Schäuferla" mehr zu essen bekommen. Denn der Japaner hat seinen Verein überraschend verlassen.

Der 22-Jährige hatte seinen Vertrag erst im Dezember vorzeitig verlängert. Vor einigen Tagen allerdings habe er sich aus Tokio gemeldet, er bat um Vertragsauflösung. Albert erzählt, dass sich der Japaner nach seiner Rückkehr aus Deutschland einer zweiwöchigen Quarantäne ohne Training habe unterziehen müssen, und dass es seine Eltern lieber sähen, wenn ihr Sohn angesichts der Pandemie künftig nicht diese Abertausende von Flugkilometern zurücklegen müsse. Außerdem habe Oikawa die Chance bekommen, zehn Spiele in der japanischen Profiliga zu absolvieren, für den Meisterclub des Deutsch-Chinesen Jianxin Qiu, die Kinoshita-Group. "Für ihn ist das eine große Ehre", weiß Albert. Sie hätten ihm deshalb die Freigabe erteilt, auch im gemeinsamen Gespräch mit Klubtrainer Koji Itagaki und Sponsor Akihiko Kotani hielten sich die Bemühungen, Oikawa umzustimmen, in Grenzen. Zum einen, erklärt Albert, habe man mit ihm eine tolle Zeit erlebt, er habe fünf Jahre lang alles für den Klub gegeben, da könne man das schon so familiär entscheiden; zum anderen seien sie nun nicht "in Weltuntergangsstimmung". Man werde "gestärkt aus der Sache hervorgehen", versichert er, womit der Manager nicht nur seinen Verein meint, der nun direkt von der Corona-Krise betroffen ist, sondern die gesamte Liga.

Sportlich ist Oikawas Weggang kaum zu kompensieren. Alberts Gelassenheit hat daher sicher auch mit der aktuellen Gesamtsituation zu tun. Die meisten Vereine haben plötzliche, große Geldsorgen, Sponsoren springen ab, viel Personal ist in Bewegung. Oikawa war begehrt, nicht nur in der Tischtennis-Bundesliga (TTBL), man kann also davon ausgehen, dass sein Kontrakt gut dotiert war. Sie müssen nun einen Ersatz besorgen, und Albert hat bereits genaue Vorstellungen: Ein junger, hungriger, formbarer Spieler werde gesucht, möglichst Linkshänder. Die Mannschaft werde sicher ein Stückchen schwächer sein als im Vorjahr, sagt er, aber eben auch billiger. Noch hätten nicht alle Spieler auf dem Markt verstanden, dass ihnen große Einschnitte bevorstehen, seine allerdings schon - und den Vereinen sei das sowieso klar. Auch der TSV Bad Königshofen muss neben Einbußen bei den Sponsoren auch mit Ausfällen von Eintrittsgeld und Catering kalkulieren, falls künftig Geisterspiele drohen. "Für uns wird es ein Übergangsjahr, ein Survival-Jahr", kündigt Albert an, "aber wir werden daran nicht kaputtgehen."

Vor einem Jahr war Rekordmeister Düsseldorf hinter Oikawa her, schon da war es nicht einfach, ihn zu halten. Letztlich gelang das dadurch, dass man auf sein Drängen hin einen weiteren Leistungsträger holte: Bastian Steger. Der soll das Team nun anführen, Kilian Ort und Filip Zeljko bleiben ebenfalls. Wie plötzlich Oikawas Sinneswandel kam, zeigt auch, dass noch am Donnerstag in der Main-Post ein Interview mit Oikawa stand. "Viele Japaner schwärmen davon, welch schönes Land das ist", sagte er da über Deutschland. "Ich habe noch nichts davon gesehen, bin immer nur in den Städten, im Hotel oder in der Halle. Ich habe noch keinen Berg gesehen, kein Meer und keinen großen See." Von Abschied stand da nichts. Am Donnerstagnachmittag meldete der Verein den Weggang. In einer Videobotschaft auf der Facebook-Seite des Vereins hatte Oikawa sich nach dem Saisonabbruch im März noch bei den Fans bedankt und versichert, dass er sich freue, sie bald wiederzusehen. "Schönes Gruß, euer Mizuki." Auf Deutsch, wohlgemerkt, er konnte sich schon längst nicht mehr nur auf Englisch verständigen.

Der junge Mann mit den schnellen Beinen, der wegen seiner spektakulären Spielweise und seines Kampfgeists ein Liebling der Fans war, kam als Teenager zu den Unterfranken, feierte mit ihnen zwei Meistertitel in der zweiten Liga. In der TTBL bezwang er später die ganz Großen, Simon Gauzy, Patrick Franziska, sogar Timo Boll. "Er ist ein enormer Arbeiter", sagt Albert, "ich habe noch keinen gesehen, der so hart und gezielt trainiert." Es wird also weit mehr in Erinnerung bleiben als das "Schäuferla", falls Oikawa nicht eines Tages sowieso wieder zurückkehren wird. "Die Leute wissen noch, wie höflich und schüchtern Mizuki am Anfang war", erzählt Albert. Es dauerte, eher er sich mal traute, die Faust zu zeigen. "Er hat bei uns gelernt, vor großen Kulissen zu spielen. Und er hat das Jubeln gelernt." Und natürlich haben sie mit ihm gejubelt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: