Süddeutsche Zeitung

Timo Werners Rückkehr zu RB:Win-Win-Win in Leipzig

Der Wechsel von Nationalstürmer Werner zurück in die Bundesliga steht kurz bevor. In Leipzig erwartet ihn mehr Spielzeit, eine klare Perspektive für die WM - und ein Trainer, der ihn schon lange kennt.

Von Felix Haselsteiner, Stuttgart

Und wieder spulte Domenico Tedesco sein gewohntes Programm ab. "Es ist immer die gleiche Leier", sagte Leipzigs Trainer am frühen Sonntagabend bei der Pressekonferenz nach dem 1:1 gegen Stuttgart mit einem freundlichen Lächeln. Er rede nicht über Spieler, die nicht bei seinem Verein unter Vertrag stünden, so Tedesco. Daran würde auch der Name Timo Werner nichts ändern, der am Sonntag das bestimmende Thema in der Arena des VfB Stuttgart war: Die Rückkehr des besten Leipziger Torschützen in der Vereinsgeschichte bahnt sich an, am Montagabend fuhr er bereits in einer schwarzen Limousine mit Klub-Nummernschild an einem Leipziger Luxushotel vor. Am Dienstag steht der Medizincheck Werners an.

Tedesco aber vermied Worte über Werner so gekonnt, wie er das schon seit einigen Tagen und Wochen tut. "Das Transferfenster ist natürlich jetzt - leider, muss ich sagen - noch sehr lange offen", sagte der 36-Jährige stattdessen. Die Gerüchte und Spekulationen, Begleiterscheinungen des Bundesliga-Starts im August, würden ihn zwar nicht direkt nerven, aber sie seien auch keine Hilfestellung bei der Arbeit.

Es waren bemerkenswerte Worte eines Trainers, der von dem offenen Transferfenster bislang eher profitiert hat - in Stuttgart debütierte der kürzlich verpflichtete David Raum - und der nun auch weiter zu den Nutznießern zählen könnte. Sein Stuttgarter Kollege Pellegrino Matarazzo muss sich mit potentiellen Weggängen von Leistungsträgern wie Sasa Kalajdzic und Borna Sosa beschäftigen, anders als die Leipziger, die sich das Gesamtpaket Werner leisten können - einerseits aufgrund eines Transferplus nach den Abschieden von Tyler Adams, Hee-Chan Hwang, Brian Brobbey und Nordi Mukiele. Andererseits, weil der Chelsea-Stürmer laut Medienberichten zu Gehaltseinbußen bereit ist.

Werner ist offenbar bereit, deutlich weniger zu verdienen in Leipzig

Werners Motiv ist klar: Bis zur Weltmeisterschaft im November zählt für ihn jede Minute Spielzeit mehr als jedes Pfund, respektive jeder Euro. Auch der 26-Jährige spielt seit langem dieselbe Leier ab: "Natürlich will ich mehr spielen und bei einer großen Mannschaft Stamm spielen", sagte Werner schon im Oktober 2021. Vor zwei Wochen wiederholte er auf der USA-Reise des FC Chelsea seine Forderung: "Ich sollte mehr spielen, um gut in Form zu sein und auch bei der WM eine Chance zu haben." Sein Coach Thomas Tuchel hatte zuletzt zwar empfohlen, Werner solle weiterhin versuchen, sich in London durchzusetzen - wie eine Einladung zu deutlich mehr Spielzeit klang das allerdings nicht.

Die Währung "Einsatzminuten auf dem Platz" spielt in der Hinrunde der Saison 2022/23 eine noch größere Rolle als ohnehin schon. Bundestrainer Hansi Flick bleibt im November kaum Zeit, um Spieler außer Form vor der WM noch in die Spur zu bringen. Der deutsche Kader dürfte daher, anders als noch unter Joachim Löw, stärker von aktueller Form geprägt sein und etwas weniger von grundsätzlichen Überlegungen und Vertrauensverhältnissen. Flick gilt als Trainer, der die Stärken eines schnellen, spielstarken Stürmers schätzt und zudem weiß, dass der sensible Werner vor allem Selbstvertrauen braucht. So dürfte der Bundestrainer zu den Befürwortern eines Leipzig-Wechsels zählen.

Werners Rückkehr an den Standort, an dem er in 156 Spielen 90 Tore erzielt hat, lässt sich also schon im Voraus als Win-Win-Win-Transfer werten: Der Spieler selbst, der Bundestrainer und RB profitieren auf unterschiedliche Art und Weise, und auch für Tuchel dürfte ein Abschied des Stürmers am Ende in Ordnung sein.

Scheitern könnte der Plan allerdings noch daran, dass Einsatzzeiten im Fußball auch dann keine Gewissheit sind, wenn alles sinnvoll erscheint. Tedesco jedenfalls wies in den letzten Tagen immer wieder darauf hin, dass Leipzig gute Stürmer habe: Andre Silva, Alexander Sörloth und der aktuell noch verletzte Yussuf Poulsen im klassischeren Sinne, Christopher Nkunku als hängende Spitze.

Leipzigs Trainer ist niemand, der sich seine Aufstellung aufgrund von Namen oder der Sinnhaftigkeit von Transfers diktieren lässt: Xaver Schlager etwa, als einer der besten defensiven Mittelfeldspieler für zwölf Millionen Euro aus Wolfsburg verpflichtet, saß in beiden Pflichtspielen dieser Saison 90 Minuten auf der Bank.

Garantien gibt es für Werner also auch in Leipzig nicht, aber einige Indizien sprechen doch für eine Erfolgsgeschichte: Tedescos defensive Sätze über Werner rühren daher, dass er seinen Regeln auf Pressekonferenzen treu bleibt und erst dann über Spieler spricht, wenn Unterschriften erfolgt sind. Ein Nationalspieler im Kader ist auch bei Leipzigs Trainer jederzeit willkommen, erst recht einer, den er schon kennt. Tedesco trainierte Werner bereits als Zwölfjährigen in der Jugend des VfB Stuttgart.

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