Timo Werner im DFB-Team:"Was heißt, es tut weh? Ich find's eher frech"

Deutschland - San Marino

DFB-Stürmer Timo Werner wird beim Länderspiel in Nürnberg von den Fans ausgepfiffen.

(Foto: dpa)
  • Als Nationalspieler Timo Werner im WM-Qualifikationsspiel gegen San Marino eingewechselt wird, gibt es Pfiffe und Buhrufe.
  • Bundestrainer Joachim Löw reagiert mit Unverständnis: "Es gab mal eine Schwalbe, er hat einen Fehler gemacht, den hat er zugegeben."

Von Martin Schneider, Nürnberg

Ja, die Pfiffe habe er mitbekommen, sagte Timo Werner. "Wenn ich das nicht höre, dann wäre ich ja schwerhörig", sagte er mit einer Mischung aus Trotz und Verbitterung in der Stimme. "Mittlerweile muss man sich wirklich fragen, was das soll, wenn man von den eigenen Fans ausgepfiffen wird", schob er nach und blickte zur Tür hinaus. Der Mannschaftsbus stand nur wenige Meter von ihm entfernt. Man sah ihm an, dass er gerne rein wollte, dass er wirklich nichts mehr zu diesem Thema sagen wollte. Ob es ihm weh tue, wenn die Fans pfeifen, war die letzte Frage, die ihm dazu gestellt wurde. "Was heißt weh? Ich find's eher frech", sagte er und verschwand.

Timo Werner ist Stürmer, 21 Jahre alt, hat beim 7:0 der deutschen Nationalmannschaft gegen San Marino sein zweites Länderspiel gemacht und ist jetzt endgültig in eine Dynamik hineingeraten, die sich verselbstständigt hat und die ihn erkennbar beschäftigt. Schon bei seinem Länderspieldebüt im Freundschaftskick gegen England - dem inoffiziellen Abschiedsspiel für Lukas Podolski - pfiff das Dortmunder Publikum bei der Verkündung seines Namens. Und nun pfiffen und buhten die Nürnberger, als ihn Bundestrainer Joachim Löw in der 55. Minute für Lars Stindl einwechselte. Nicht alle, nicht mal die Mehrheit, aber genug, als das Löw sich genötigt fühlte, jetzt mal was dazu zu sagen.

"Ein Nationalspieler, der am Anfang seiner Karriere steht und in der Bundesliga 21 Tore erzielt hat, der darf nicht ausgepfiffen werden, das ist nicht in Ordnung", sagte Löw. Ja, es gab mal eine Schwalbe, das sei ein Fehler gewesen, das habe er auch zugegeben. Er sei ein sehr, sehr junger Spieler, das müsse man bedenken. Auch Sandro Wagner verteidigte den Kollegen. "Er ist ein unglaublich talentierter Spieler, ich habe noch nie in dem Alter einen so guten Stürmer gesehen. Es ist doch toll für uns Deutsche, dass wir so einen tollen Stürmer haben - unverständlich, dass man ihn auspfeift, was soll das? Das ist überflüssig", sagte der dreifache Torschütze.

Fast ein halbes Jahr ist es nun her, dass Werner im Bundesliga-Spiel gegen Schalke ohne Berührung des Gegners fiel, für Leipzig einen Elfmeter rausholte und den dann selbst versenkte. Seitdem gab es in der Bundesliga weitere Schwalben von anderen Spielern, aber Werner wird seine nicht mehr los. Am Ballermann auf Mallorca gibt es Lieder und T-Shirts, die Werner verhöhnen. Hunderte betrunkene Deutsche beschimpfen ihn jeden Abend grölend zwischen Schinkenstraße und Megapark.

"Ich weiß nicht, was die Gemüter so bewegt hat. Monate-, jahrelang wurden Schwalben gemacht - und bei mir wird es so aufgebauscht, nur, weil ich bei RB spiele", vermutete Werner nach dem Spiel in Nürnberg.

Der Confederations Cup, der in einer Woche mit dem Spiel gegen Australien beginnt, wird sein erstes Turnier mit der Nationalmannschaft sein. Und man kann sich leicht ausrechnen, dass Werner einer der Spieler ist, die sehr gute Chancen auf einen Platz im WM-Kader von Joachim Löw haben - allein aus dem Grund, weil es neben Mario Gomez und Sandro Wagner nicht so viele deutsche Staatsbürger mit dem Jobprofil "Stürmer" gibt.

Gegen San Marino blieb er ohne Tor, er köpfte einen Ball an den Außenposten, auf den ersten Blick sah es aus, als sei er drin gewesen. Die Stadionregie in Nürnberg glaubte jedenfalls, ein Treffer sei gefallen, spielte die Tormusik, ein paar Fans sprangen auch auf und jubelten. Die Kamera zeigte Werner auf den Bildschirmen im Stadion. Er joggte mit ausdrucksloser Miene zur Mittellinie.

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