Timo Hildebrand im Interview:"Heute weiß ich's besser"

Er galt einmal als einer der besten deutschen Torhüter: Timo Hildebrand über seinen Karriereknick, den Abschied aus Hoffenheim und die schwierige Vereinssuche.

C. Kneer

SZ: Herr Hildebrand, die Verantwortlichen der TSG Hoffenheim haben gerade verkündet, dass sie sich im Sommer von Ihnen trennen. Hat Sie das überrascht?

Timo Hildebrand im Interview: Timo Hildebrand: "Ich hätte gerne in Hoffenheim weitergespielt."

Timo Hildebrand: "Ich hätte gerne in Hoffenheim weitergespielt."

(Foto: Foto: dpa)

Hildebrand: Nicht wirklich. Ich habe in den letzten Wochen natürlich gemerkt, dass vom Verein kein Zeichen kommt.

SZ: Zuletzt wurde ja die Klausel öffentlich, wonach sich Ihr Vertrag bei einer Anzahl von 40 Spielen verlängert...

Hildebrand: ... ja, und gerade bei einem Spieler mit so einer Klausel wartet man nicht bis kurz vor Saisonende, wenn man wirklich mit ihm plant. Von daher habe ich schon geahnt, dass es so kommt. Und als Jan Schindelmeiser (der Manager, d. Red.) vor zwei Wochen öffentlich sagte, man könne über einen Wechsel reden, da war endgültig alles klar.

SZ: Wären Sie gerne geblieben?

Hildebrand: Ich hätte gerne hier weitergespielt, ja.

SZ: Scheiden Sie jetzt im Groll?

Hildebrand: Nein, ich bin Ralf Rangnick dankbar, dass er mich in die Bundesliga zurückgeholt hat. Hoffenheim war Erster damals, alles lief bestens, und ich war sehr angetan von dieser Aufgabe.

SZ: Wann haben Sie gemerkt: Hoffenheim und Hildebrand, das passt nicht?

Hildebrand: Ich habe mich hier eigentlich wohl gefühlt. Man hat hier alle Möglichkeiten, die Voraussetzungen sind großartig, aber in diesem Jahr war die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit leider sehr groß. Und ich verstehe meine Rolle als erfahrener Spieler so, dass ich in so einem Fall eingreife.

SZ: In Hoffenheim kam es nicht so gut an, dass Sie öffentlich über die Probleme im Klub gesprochen haben.

Hildebrand: Ich habe mich vielleicht zwei, dreimal öffentlich geäußert. Ich finde, es gehört zu meiner Verantwortung, Stellung zu beziehen. Ich habe den Anspruch, jeden Tag das Bestmögliche zu leisten - wenn ich das Gefühl habe, dass nicht alle in der Mannschaft diesen Anspruch haben, dann muss ich was sagen.

SZ: Dieses Gefühl hatten Sie?

Hildebrand: Man muss mehr investieren, wenn man Erfolg haben will. Das ist meine feste Überzeugung. Man kann nicht sagen: Ich hab hier ein Super-Trainingsgelände, ich bin bestens versorgt, ich leg jetzt ein bisschen die Beine hoch.

SZ: Im wahrsten Sinne des Wortes: Vor kurzem haben ein paar Spieler das Nachmittagstraining verschlafen.

Hildebrand: Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man Spielern nicht zu viel Eigenverantwortung geben darf, das wird unbewusst ausgenutzt. Ich finde es hervorragend von unserem Trainer, dass er das Gespräch sucht, dass er Dinge diskutiert und nicht einfach durchdrückt. Trotzdem muss man Spielern eine klare Linie an die Hand geben.

SZ: Zuletzt wurde spekuliert, Sie hätten sich eine taktische Rückenverletzung genommen, damit Sie nicht die 40-Spiele-Grenze erreichen und ablösefrei sind.

Hildebrand: So etwas wird einfach behauptet, und ich kann mich nicht wehren. Ich habe mir im Training den Rücken verdreht, ich stelle mich doch nicht verletzt ins Tor, nur um meinen Vertrag zu erfüllen. Und zuletzt hatte ich einen klar diagnostizierten Muskelfaserriss.

SZ: In einer Nachrichtenagentur tauchte kürzlich der Satz auf: "Hildebrand fiel zuletzt mehr durch Kritik als durch Leistung auf." Wie gehen Sie mit sowas um?

Hildebrand: Es ist traurig, wenn das so wirkt. In Hoffenheim sprechen eben einige Spieler kein Deutsch, deshalb werden oft die gleichen Spieler befragt, und da war ich dann automatisch sehr präsent. Ich habe das zuletzt extra zurückgefahren. Aber es kann sein, dass dadurch ein falscher Eindruck entstanden ist. Nach dem Motto: Der Hildebrand, der motzt immer. Dieses Bild ist völlig falsch.

"Das Image hat viel mit der Zeit in Valencia zu tun"

SZ: Was ist mit Ihrem Image passiert in den letzten Jahren? Bekannt wurden Sie als einer der jungen Wilden in Stuttgart, Sie wurden Meister, galten als die Zukunft im deutschen Tor. Jetzt sind Sie 31 und im Juli womöglich ohne Verein.

Timo Hildebrand, ddp

Timo Hildebrand: "Meine Nähe zu Stuttgart ist bekannt."

(Foto: Foto: ddp)

Hildebrand: Ich glaube, das Image hat viel mit der Zeit in Valencia zu tun.

SZ: Von dort sind Sie im Winter 2008 nach einer erfolglosen Zeit heimgekehrt.

Hildebrand: Sehen Sie, das ist genau das Problem. So wird das immer dargestellt. Ich finde aber nicht, dass das so erfolglos war. Man muss bedenken, dass ich in einen turbulenten, hoch verschuldeten Verein geraten bin, der im Abstiegskampf war und in meiner Zeit vier Trainer und zwei Manager hatte. Und der Manager Carboni, der mich gewollt und geholt hatte, war schon weg, als ich kam. Ich habe keine faire Chance bekommen, weil im Tor auch noch Cañizares mein Konkurrent war, der ist dort eine Ikone.

SZ: Erst wurde Cañizares Ihnen vorgezogen, später plötzlich suspendiert.

Hildebrand: Der Klub war in kompletter Unruhe. Trotzdem habe ich das letzte halbe Jahr stabil gespielt und mitgeholfen, den Klassenerhalt zu schaffen und den spanischen Pokal zu holen. Im Halbfinale gegen Barcelona habe ich eines meiner besten Spiele überhaupt gemacht.

SZ: Mit 14 gezählten Paraden halten Sie bis heute den inoffiziellen Glanzparadenrekord der Zeitung Marca.

Hildebrand: Trotzdem hat der Trainer zur neuen Saison einen neuen Torwart geholt. Mir war klar, was das bedeutet.

SZ: Was in Deutschland ankam, war: Der Hildebrand spielt in Spanien nicht richtig, der ist irgendwie nicht gut drauf.

Hildebrand: Man hat mich eben nicht jedes Wochenende gesehen, deshalb wurde ich sicher auch falsch bewertet. Dabei musste man mich doch aus Stuttgart kennen, ich habe dort viel geleistet und war einer der besten deutschen Torhüter.

SZ: Sie sagen: war.

Hildebrand: Naja, ich kann ja schlecht behaupten, dass ich das aktuell bin. Wir hatten in dieser Saison keinen Erfolg, da gehört der Torwart auch dazu.

SZ: War es ein Fehler, nach Valencia zu wechseln?

Hildebrand: Aus heutiger Sicht: ja. Ich war in Stuttgart hoch angesehen, und man sieht ja, was da zuletzt entstanden ist. Das ist eine stabile Top-Fünf-Mannschaft geworden. Aber damals hieß für mich eben die Entscheidung: entweder für immer VfB oder noch mal was Neues wagen. Damals konnte man die Entscheidung so treffen. Heute weiß ich's besser.

SZ: Es heißt, Sie würden gern zum VfB zurück. Dort wird ein Lehmann-Nachfolger gesucht, aber angeblich setzt der Klub auf den jungen Sven Ulreich.

Hildebrand: Meine Nähe zu Stuttgart ist bekannt, der Verein war meine Heimat, aber ich kann zur Zukunft nichts Konkretes sagen. Die Entscheidung der Hoffenheimer ist gerade ein paar Tage alt, ich brauche erstmal Zeit.

SZ: Sie haben einen ungünstigen Moment zur Vereinssuche erwischt. Der Markt steht still, in der Liga ist kein prominentes Tor offen. Wie sehen Sie sich aktuell: als vereinssuchenden Torwart, der auch in Gladbach oder Mainz spielen würde? Oder als ehemaligen Nationaltorwart, dem nur das Beste gut genug ist?

Hildebrand: Grundsätzlich gilt: Ich habe immer noch einen hohen Anspruch und will noch ein paar Jahre auf Topniveau spielen. Das war ja eigentlich mein Plan mit Hoffenheim. Leider kann ich diesen Weg jetzt nicht weitergehen.

SZ: Ist das Thema Ausland abgehakt?

Hildebrand: Nicht zwingend. Ich muss jetzt einfach abwarten, wo etwas frei wird. Von meiner Reputation her mache ich mir keine Sorgen. Ich habe vorhin gesagt, dass ich einer der besten deutschen Torhüter war - ich denke, ich bin das immer noch, aber ich bin zuletzt eben in Vereine gekommen, wo's Schwierigkeiten gab. In Valencia extrem, weniger extrem in Hoffenheim, wo ich die Aufgabe immer noch spannend finde.

SZ: Wie lange wollen Sie auf den idealen Verein warten? Würden Sie unter Umständen auch als vereinsloser Spieler in die neue Saison gehen?

Hildebrand: Vereinslos ist keiner gern, ich hoffe nicht, dass dieses Szenario eintritt.

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