Kölns 3:2 gegen Dortmund:Ein Festtag? Das ist gnadenlos untertrieben

Kölns 3:2 gegen Dortmund: Hinter ihm ein Haufen frustrierter Ex-Kollegen in Schwarz und Gelb: Steffen Tigges (rechts), bis zum Sommer noch in Dortmund angestellt, traf für Köln gegen den BVB.

Hinter ihm ein Haufen frustrierter Ex-Kollegen in Schwarz und Gelb: Steffen Tigges (rechts), bis zum Sommer noch in Dortmund angestellt, traf für Köln gegen den BVB.

(Foto: Ralf Treese/Imago)

Beim ersten Wiedersehen mit Anthony Modeste macht ein anderer Kölner Stürmer von sich reden - und verhilft dem FC in einer überragenden Partie zum Comeback gegen nachlässige Dortmunder.

Von Milan Pavlovic, Köln

Die Fußballwelt ist in den vergangenen Jahren etwas verschwenderisch mit Superlativen umgegangen. Wie soll man also ein Ligaspiel wie jenes zwischen dem 1. FC Köln und Borussia Dortmund einordnen? Kölns Trainer Steffen Baumgart hatte forsch einen Festtag angekündigt - und damit ehrlich gesagt gnadenlos untertrieben. Das 3:2 (0:1) bot insgesamt 25 Chancen und wurde zu einem Spektakel, wie man es selten sieht, weil seine Qualität vor allem mit Können zu tun hatte.

Und das auf beiden Seiten. Das sah nur die Dortmunder Fraktion anders, verständlicherweise ignorierten die Gäste in ihrem Frust die vielen positiven Aspekte. BVB-Coach Edin Terzic sagte merklich aufgebracht, er könne sich "nicht erklären, wie wir ein Spiel verlieren, das wir so kontrolliert haben. Das ärgert uns, weil es nicht zum ersten Mal passiert".

Im Zentrum der Aufmerksamkeit hatte vorher Anthony Modeste gestanden, der zu Saisonbeginn Köln in Richtung Dortmund verlassen hatte, wo er noch nicht Fuß gefasst hat. Die Wahrscheinlichkeit war dennoch groß, dass es einen "Ausgerechnet"-Moment geben würde, schließlich standen bei der Borussia gleich zwei ehemalige Kölner in der Startelf (neben Modeste noch Salih Özcan).

Und tatsächlich, der "Ausgerechnet"-Moment kam, freilich anders als erwartet: Steffen Tigges, den der FC im Sommer als möglichen Modeste-Ersatz verpflichtet hatte, erzielte in Modeste-Manier per Kopf das zwischenzeitliche 2:1 (55.), mit dem die Kölner das Spiel innerhalb von 120 Sekunden gedreht hatten.

Nur wenig hatte zur Pause darauf schließen lassen, dass der Nachmittag vor 50 000 frenetischen Zuschauern diese Wende nehmen würde - zu souverän traten die Gäste auf, zu gekonnt spielten sie Chancen heraus, zu cool beherrschten sie die Kölner, die nach stürmischem Beginn "zu unsauber" agierten, wie Baumgart bemängelte.

Dribblings und Pässe à la Musiala

Nicht anwesend, aber als Inspiration in den Köpfen beider Klubs prägend war der Münchner Jamal Musiala. Als hätten Terzic und Baumgart ihren Spielern erlaubt, mehr Eins-gegen-eins-Situationen zu riskieren, gingen beide Mannschaften ungewöhnlich oft ins Dribbling; bei Köln vor allem auf der linken Seite Jonas Hector und Florian Kainz, beim BVB überall auf dem Feld. Am auffälligsten tat das Karim Adeyemi, der zwei Musiala-artige Pässe in den freien Raum spielte, die nur deshalb in keinen TV-Zusammenfassungen auftauchten, weil es so viele andere, noch gefährlichere Szenen gab. Ebenfalls beeindruckend: Niklas Süle dribbelte einmal slalomartig am eigenen Strafraum los; Anthony Modeste, Malen und Adeyemi leiteten eine Torchance mit drei Hackentricks ein.

Dem 1:0 für die Gäste ging eine mustergültige Aktion voraus: Verteidiger Meunier klaute dem sonst so starken Ballklauer Kainz in der Mitte der Kölner Spielhälfte an der Seitenlinie die Kugel, die von Adeyemi im Blitztempo zu Jude Bellingham gelangte. Der Engländer setzte Julian Brandt mit einem weiteren Pass brillant in Szene, der sehenswert FC-Torwart Schwäbe bezwang. Der wiederum sorgte danach dafür, dass es bis zur Pause beim 0:1 blieb.

Wer diese erste Halbzeit rassig fand, hatte keine Ahnung, was nach dem Seitenwechsel passieren würde: Köln forcierte noch einmal das Tempo und überrollte die Westfalen mit einer Leidenschaft, der die Gäste nicht gewachsen waren. "In der der zweiten Halbzeit sind wir nicht nur gerannt, sondern haben auch einen wirklich guten Fußball gespielt", fand Baumgart. Sein Kollege haderte: "Es ist genau das passiert, wovor wir in der Pause gewarnt hatten", sagte Terzic mit wütendem Unterton. "Es fehlte an der Bereitschaft, den letzten Schritt zu machen, wir haben Köln eingeladen." Er nannte keine Namen, dürfte aber vor allem Adeyemi gemeint haben, der ungenügend nach hinten arbeitete.

Hazard vergibt die große Chance zum 3:3

"Wir haben eine gute erste Halbzeit gespielt", analysierte Julian Brandt, Dortmunds bester Feldspieler, "mit vielen Chancen, wo man sich einen Gefallen hätte tun können, indem man nachlegt. Dann kommen wir in der zweiten Halbzeit raus und verteidigen es schlecht." In diesen 20 Minuten nach Wiederbeginn merkte man, dass Mats Hummels dem BVB wegen einer Grippe fehlte - das Innenverteidiger-Duo Schlotterbeck/Süle beging nicht viele Fehler, aber entscheidende. Nach dem Ausgleich des unverdrossenen Kainz (53.) ließ Schlotterbeck sich im Luftduell von Tigges verladen (55.), und Süle kam beim 3:1, einem gezwirbelten Fernschuss von Dejan Ljubicic, zu spät (71.).

Erst danach fanden die Dortmunder wieder in die Spur: Tom Rothe schlug eine Flanke, die Benno Schmitz ins eigene Tor abfälschte (78.). Und ausgerechnet Modeste hätte dann in der letzten Szene des Spiels beinahe die Vorlage zum 3:3 geleistet - doch Hazard schob den Ball am verwaisten Tor vorbei (88.). "Wir sind ein glücklicher, aber verdienter Sieger", sagte Baumgart und fand niemanden, der ihm widersprechen würde.

Edin Terzic dekorierte seinen Unmut mit scharfen Worten: "Nach jedem Sieg stellt Ihr (die Medien, Anm.) mir die Frage, was die Ambitionen und Ziele für die Saison seien. Wir treten immer auf die Euphorie-Bremse genau wegen Spielen wie heute." Er hätte auf die Bremse gerne verzichtet. "Wir wissen, was wir können und was wir noch lernen müssen. Es war wieder mal sichtbar, woran es seit Jahren hapert, um da oben anzuklopfen."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: