Ticketgeschäfte bei der Fifa:Drei Millionen hin, drei Millionen zurück

WM 2006 - Trinidad und Tobago - Schweden

Begehrte Ware: WM-Tickets

(Foto: picture-alliance/ dpa)
  • Es gibt pikante Aussagen über merkwürdige Überweisungen, die die Fifa betreffen.
  • Diese bringen die mexikanischen Byrom-Brüder, die das Ticketgeschäft kontrollieren, in Bedrängnis - und auch den Weltverband selbst

Von Johannes Aumüller und Thomas Kistner

Nicht weit vom Genfer See entfernt liegt die Privatbank Gonet, und auf einem Konto dieser Bank soll sich im Frühjahr 2014 ein alarmierender Vorgang abgespielt haben. Angeblich gab es dort binnen weniger Tage zwei Transaktionen über jeweils drei Millionen Dollar. Erst eine Überweisung des Mexikaners Jaime Byrom an die Schweizer Agentur JB Sports Marketing - dann eine Überweisung von JB an den Tickethändler Match AG, den Exklusivpartner des Fußball-Weltverbandes Fifa. Kontrolliert wird diese Firma von: Jaime Byrom. Der Bank am Genfer See sei dieser Ablauf merkwürdig vorgekommen, sagt JB-Chefberater Benny Alon; seine Firma habe wegen dieser Transaktionen bei dem Geldinstitut sogar den Klientenstatus verloren. Ein damaliger Angestellter der Privatbank, Marco Vitali, bestätigte diese Version bei einem internationalen Pressetermin am Donnerstag in Zürich.

Hintergrund für die Transaktionen ist ein Vertrag zum oft intransparenten Ticketgeschäft rund um den Weltverband. Im April 2010 hatte JB direkt mit der Fifa eine Übereinkunft über jeweils 8750 Karten für die Weltmeisterschaften 2014 bis 2022 getroffen. Dreieinhalb Jahre später, Dezember 2013, schaltete sich Jaime Byrom ein - es kam zu einer Vereinbarung zwischen JB und Byrom, mit der der Fifa-Kontrakt von April 2010 auf Match übertragen wurde.

Mit Blick auf die rigide brasilianische Gesetzgebung zum Kauf und Weiterverkauf von Tickets klingt dieses Vorgehen plausibel. Demnach hätten sowohl JB als auch der Fifa harte Strafen gedroht, wenn sie den Vertrag wie angedacht umgesetzt hätten. Aus dem konkreten Ablauf jedoch ergeben sich Fragen: Warum zahlt jemand übers Eck drei Millionen Dollar an eine von ihm kontrollierte Firma? Warum schloss Byrom den Änderungsvertrag als Privatperson ab und nicht als Vertreter der Match AG? Und vor allem: Woher kamen die drei Millionen Dollar, die Byrom an JB überwies? Das zu klären, sei jetzt Sache der Staatsanwaltschaft, sagt JB-Chef Benny Alon. Könnte es am Ende gar vom Weltverband selbst gekommen sein? Die Fifa möchte sich zu dieser Frage nicht äußern; sie verweist darauf, dass alle Vorgänge nun von der Ethikkommission überprüft würden. Exklusivpartner Match beantwortete bis Redaktionsschluss einen Fragenkatalog nicht. Die Schweizer Bundesanwaltschaft wollte konkrete Nachfragen nicht kommentieren. Sie verwies allgemein darauf, dass es sich um "interessante Aussagen" handele, "welche die Bundesanwaltschaft bei Bedarf wie andere Medienberichte analysieren wird".

Unbestritten enge Bande

Die vielen offenen Fragen rund um diesen Deal passen allerdings zum seit vielen Jahren beraunten Wirken des Byrom-Clans um Jaime und dessen Bruder Enrique. Ihr Aufstieg im Fußballreich ist durchaus erstaunlich. Bei den WM-Turnieren 1986 in Mexiko und 1990 in Italien waren sie als freie Touristikagenten tätig, trotz massiver Pannen bauten sie danach ihren Einfluss in der Fifa aus. Heute kontrollieren sie nicht nur das lukrative Ticketgeschäft komplett, ihre 2007 gegründete Match AG ist auch exklusiver Vermarkter für andere Dienstleistungen, von Hospitality über Unterkunft und Transport der WM-Gäste bis zur Technologie. "Wie kann es sein, dass die Fifa ihr Milliardengeschäft in die Hände von zwei Brüdern und zwei Schwestern legt, die außerhalb der Fifa operieren?", fragt nicht nur Tickethändler Benny Alon, der sich von seinen Ex-Partnern über den Tisch gezogen sieht. Tausende der für Brasilien vereinbarten Firstclass-Tickets habe er nie erhalten - und fragt, ob sie auf dem WM-Schwarzmarkt landeten.

Die Bande zwischen Byrom und Fifa sind eng. Zu den Match-Anteilseignern gehört der Sportvermarkter Infront, den Philippe Blatter leitet, Neffe des Fifa-Chefs. Zudem pflegte Byrom enge Drähte zu zwei der umstrittensten Fifa-Granden: zu Jack Warner (Trinidad und Tobago) sowie zum 2014 verstorbenen Argentinier Julio Grondona, Blatters Stellvertreter. Vielleicht halfen solche Kontakte über all die Affären und Probleme weg, welche die Byroms bei ihrer Arbeit kontinuierlich begleiteten. Für die WM 2002 in Japan und Südkorea hatten die Brüder erstmals das Ticketing erhalten. Der Verkauf verlief desaströs. Hunderttausende Karten wurden zu spät gedruckt, auf den Tribünen gab es große Lücken. Und Plakate, die den Zorn auf die Byroms artikulierten: "Wo sind die Tickets?" Japans Regierung drohte der Fifa wegen der Missstände gar mit Klage. Trotzdem erhielten die Byroms auch für die WM 2006 in Deutschland den Zuschlag - wieder gab es Probleme. Und nie wirkliche Aufklärung: etwa dazu, wie der karibische Skandalfunktionär Warner 2006 zu vielen Tausend WM-Eintrittskarten kam, die er mit Millionengewinn veräußerte.

Vor dem Turnier 2010 in Südafrika setzten die Byroms nur wenige Tickets ab, die Wut der Hoteliers war groß, weil die Stornierungen erst kurz vor Turnierbeginn erfolgten und sie sich in ihrer Existenz bedroht sahen. Aber auch das überstand "la familia" schadlos. Während der WM 2014 in Brasilien verhaftete die Polizei in Rio de Janeiro neben elf weiteren Personen Ray Whelan, 64, einen Schwager der Byroms und Manager der Firma Match. Der Verdacht der Ermittler der Operation Jules Rimet: organisiertes Verbrechen, illegale Ticketverkäufe, Geldwäsche und Steuerbetrug; bei allen 64 WM-Spielen soll die Bande Billets mit kräftigem Preisaufschlag weiterverkauft haben. Im Februar wurde das Verfahren (nur) gegen Whelan plötzlich eingestellt, ohne Begründung. Bei der Rechtevergabe für die WM 2018 in Russland lagen der Fifa Angebote von Match und der Schweizer Touristikagentur Kuoni vor. Die Prüfkommission empfahl Kuoni, den Zuschlag erhielten die Byroms.

Nebulöses gab es stets um die Fifa-nahen Brüder. Nun steht die Aufarbeitung eines Vorgangs an, der auch die Behörden interessieren könnte. Zumal ja die Frage, wie es zu Millionenzahlungen binnen kurzer Zeit im Kreis herum kam, selbst einer Schweizer Bank zu fragwürdig erschien.

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