Eine ganze Bundesligasaison haben die Handballer des THW Kiel zuletzt ohne Niederlage überstanden, "wir verlieren sehr ungern", sagt ihr Manager Klaus Elwardt, "aber der Tag der Niederlage wird kommen." Es wird allerdings noch etwas dauern bis zu diesem Tag des inzwischen ungewohnten Gefühls, ein Handballspiel zu verlieren. Am Dienstag überstand der Meister und Pokalsieger einen weiteren Tag ohne Niederlage gegen einen seiner Rivalen. Vor 6100 Zuschauern in der Münchner Eishalle gewannen die Kieler zum siebten Mal den deutschen Supercup: durch ein 29:26 (14:14) gegen den Meisterschaftszweiten SG Flensburg-Handewitt.
Die neue Bundesliga-Saison beginnt zwar schon am kommenden Wochenende, aber die beiden Mannschaften sind noch nicht einmal eine Woche komplett im Training, weil die letzten Olympia-Teilnehmer erst am vergangenen Mittwoch aus London zurückkehrten. Der THW Kiel musste insgesamt sieben Akteure für die Spiele abstellen, die SG Flensburg-Handewitt sechs. "Die Saisonvorbereitung war schon sehr erschwert in diesem Jahr", fand Flensburgs Manager Dierk Schmäschke.
Wobei die Stammformation in beiden Klubs ja im Wesentlichen gleich geblieben ist. Der THW Kiel lief im rechten Rückraum in München mit dem serbischen Zugang Marko Vujin auf anstelle des abgewanderten Schweden Kim Andersson. Der 27-Jährige führte sich am Dienstag ordentlich ein mit neun Treffern (darunter vier Siebenmetern), er war damit der erfolgreichste Werfer der Partie.
Ihrem Status als ewigem Ersten gemäß hatten die Kieler auch zwei Olympiasieger nach München mitgebracht, die Franzosen Thierry Omeyer und Daniel Narcisse. Die Meisterschaftszweiten aus Flensburg boten entsprechend zwei Silbermedaillengewinner auf, die Schweden Mattias Andersson und Tobias Karlsson. Außerdem war auch Holger Glandorf mit von der Partie, der rechte Rückraumspieler, der vor vier Monaten drei Operationen an der entzündeten Achillessehne über sich ergehen lassen musste, nachdem er zwischen zwei Länderspielen mit einer Kortison-Spritze behandelt worden war. Zeitweilig fürchteten sie in Flensburg gar um die weitere Karriere des 29 Jahre alten Linkshänders.
Gegen den dafür verantwortlichen Arzt der deutschen Auswahl haben Glandorf und sein Klub mittlerweile eine Klage auf den Weg gebracht, weil der Spieler nicht über die Risiken einer solchen Spritze aufgeklärt worden sei. Zufälligerweise ist der Mediziner in erster Linie für den THW Kiel tätig, was der Partie der beiden norddeutschen Rivalen in München eine weitere pikante Note verlieh.
Glandorf hatte bereits am vorigen Wochenende seine ersten Gehversuche auf dem Spielfeld absolviert, er kam kurz beim sogenannten "Unser-Norden-Cup" zum Einsatz, einem Dreier-Turnier in der Kieler Ostseehalle, zu dem noch der dänische Klub Aalborg HB geladen war. Das Turnier gewannen überraschend die Flensburger aufgrund des besseren Torverhältnisses; dem gastgebenden THW hatten sie dabei ein Unentschieden (16:16) abgetrotzt. Allerdings waren die Partien auf 40 Minuten verkürzt gewesen.
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Die Flensburger hatten dennoch die Erkenntnis mitgenommen, dass die Kieler durchaus zu bezwingen sind. Sie begannen auch im Supercup engagiert, Glandorf-Ersatz Steffen Weinhold, vor der Saison vom TV Großwallstadt gekommen, sorgte für das erste Tor, nach fünf Minuten lag die SG bereits 4:1 vorne. Weitere fünf Minuten später aber stand es 4:5 - weil THW-Torwart Omeyer vorübergehend alles hielt, was zu halten war. Außerdem trafen Kiels Rückraumschützen Filip Jicha und Marko Vujin mit jedem Wurf; auch das war freilich nur vorübergehend. Im weiteren Verlauf der ersten Halbzeit blieb das Geschehen in der Waage.
Nach elf Minuten schickte SG-Trainer Ljubomir Vranjes dann Holger Glandorf erstmals aufs Parkett, es dauerte ein paar Minuten, bis er warmgelaufen war, aber dann steuerte er zwei Treffer bei. Nach zwölf Minuten kehrte Glandorf auf die Bank zurück - man muss es ja nicht gleich übertreiben. Später, in der zweiten Halbzeit kam er noch einmal für ein paar Minuten zum Einsatz, das war dann in der entscheidenden Phase der Partie.
Die Kieler hatten ein paar Momente Flensburger Unaufmerksamkeit genutzt, als deren Rückraumspieler Petar Djordic mit einer Knieverletzung vom Parkett getragen wurden, um von 19:18 (43.) auf 22:18 (46.) davonzuziehen.
In der verbleibenden Spielzeit stemmte sich vor allem Holger Glandorf gegen die drohende Niederlage, er warf vier weitere Tore (womit er gemeinsam mit Linksaußen Anders Eggert erfolgreichster Schütze seines Teams war) und gab einige kluge Vorlagen. Die Partie wurde nickliger und härter, die Fouls nahmen zu. Aber die Kieler kamen immer wieder zu Gegenstößen und damit einhergehend leichten Toren. Und machten vor allem eins klar: Wer den THW Kiel in dieser Saison bezwingen will, muss schon 60 Minuten lang voll konzentriert sein.
Tore Kiel: Vujin 9/4, Jicha 6, Narcisse 3, Sprenger 3, Palmarsson 3, Sigurdsson 2, Zeitz 1, Ilic 1, Klein 1
Tore Flensburg-Handewitt: Glandorf 6, Eggert 6/3, S. Hansen 3, Knudsen 3, Djordjic 2, Heinl 2, Kaufmann 2, Weinhold 1, Mogensen 1.
Zuschauer: 6149. - Strafminuten: 6 / 12