Thorsten Fink wechselt zum HSV:Wahrsager in eigener Sache

Thorsten Fink macht jetzt die Karriere, die er selbst prognostiziert hat: Er trainiert einen Bundesligisten. Beim Hamburger SV empfangen sie ihn mit Lobeshymnen und in SMS-Nachrichten an die HSV-Spieler aus Basel steht: "Jetzt kriegt ihr endlich mal einen guten Trainer." Bleibt nur die Frage, wie lange die angestrebte Kontinuität mit Fink beim HSV währt. Denn der hat noch eine Vision.

Jörg Marwedel, Hamburg

Es gibt die Anekdote, dass Thorsten Fink, 43, als siebenjähriger Spieler seines Heimatklubs SV Roland Marten in Dortmund sicher war, einmal als Profi für den FC Bayern München zu spielen. Und nachdem er das geschafft hatte, viermal deutscher Meister, dreimal DFB-Pokalsieger sowie Gewinner der Champions League und des Weltpokals geworden war, gab es eine zweite, diesmal offiziell belegte Geschichte: Als er 2006 wegen eines Knorpelschadens mit 38 Jahren seine Karriere als Fußballer in der zweiten Mannschaft des FC Bayern endgültig beenden musste, sagte er: "In fünf Jahren bin ich wieder in der Bundesliga - als Trainer."

Seit Donnerstag kann man sagen, dass auf das Wort von Thorsten Fink Verlass ist. Nach einigen Gipfeltreffen mit dem Vorstand des FC Basel im St. Jakob-Park haben die Schweizer ihren Meistertrainer am späten Mittwochabend freigegeben für den Hamburger SV.

Sie bekommen eine Ablösesumme, die vermutlich bei einer Million Euro liegt. Soviel, wie der HSV auch schon 2009 an Bayer Leverkusen für den Trainer Bruno Labbadia bezahlte - die letzte Rate wurde erst unlängst überwiesen. Fink, der sich am Donnerstagmorgen von seinem alten Team verabschiedete, wird am Montag nach Hamburg reisen, um seine neue Arbeitsstelle anzutreten. Dort unterschreibt er einen Vertrag bis 2014.

Nach dem Spiel am Sonntag in Freiburg wird also Sportchef Frank Arnesen seinen gerade angetretenen Zusatzjob als Cheftrainer wieder abgeben. Fink wird am 22. Oktober im Heimspiel gegen den VfL Wolfsburg sein Debüt als HSV-Coach geben. Arnesen war nach eigener Aussage "sehr, sehr glücklich", als er die Verpflichtung bekannt gab: "Thorsten Fink war mein Wunschtrainer. Er passt mit seiner Art zum HSV und zu unserer Philosophie", sagte er. Fink werde "die Mannschaft besser machen und weiterentwickeln". Er sei "ein Trainer mit Hunger", zudem ein "Gewinner", der seit seiner Profizeit beim FC Bayern ganz genau wisse, wie Siege sich anfühlen.

Aber der selbstbewusste Thorsten Fink kann offenbar mehr, als nur sein forsches Auftreten auf seine Spieler zu übertragen. Er hat, so der frühere DFB-Trainerausbilder Erich Rutemöller, "auch einen genauen Plan vom Fußball". In Basel hat er nicht nur Titel gewonnen, er lasse auch noch spektakulären, attraktiven Fußball spielen, sagen sie in der Schweiz voller Respekt.

Vision FC Bayern

Ottmar Hitzfeld, der Fink beim FC Bayern trainierte, hat dessen Entwicklung "nicht überrascht". Er habe schon als Profi wie ein Trainer gedacht, meint Hitzfeld. Und Hannes Bongartz, bei dem Fink im Team von Wattenscheid 09 seine ersten Schritte als Profi unternahm, sagt: "Er hat etwas, was andere Trainer nicht haben."

Media reports: Thorsten Fink to coach HSV

Applaus, Applaus: Thorsten Fink, 43, beglückwünscht sich zu seinem Wechsel nach Hamburg.

(Foto: dpa)

Die sogenannte Philosophie des Fußballlehrers, der mit dem FC Basel in zwei Jahren zweimal den Titel und einmal den Schweizer Pokal gewann und zuletzt eine prima Rolle in der Champions League spielte (gerade gab es ein 3:3 bei Manchester United), deckt sich ziemlich genau mit der Philosophie und der Mentalität von Arnesen. Beide sind freundlich und kontaktfreudig, aber keine Kumpeltypen.

Notfalls schrecken sie vor unpopulären Maßnahmen nicht zurück und nehmen auf große Namen keine Rücksicht. Fink - die alte Hitzfeld-Schule! - rotiert gerne, und er mag, wie Arnesen, freche Spieler. Wobei er gerade jungen Profis, die der HSV im Moment zur Genüge beschäftigt, Fehler zugesteht. Beide stärken ihre Mitarbeiter und Führungsspieler durch großes Vertrauen.

Und beide haben die gleiche Idee vom Fußball. In Basel spielte Fink am liebsten ein 4-4-2-System mit drei offensiven Mittelfeldspielern und zwei offensiven Außenverteidigern. Eine sehr dominante Variante, die - zumindest so lange sich der HSV im Abstiegskampf befindet - auch mal nach hinten losgehen kann. Natürlich, sagte Fink dem Internetportal Sport1, sei erst einmal der Klassenerhalt wichtig, aber dann folgte schon seine erweiterte Zielsetzung: "Am Saisonende sollten wir es bis ins Mittelfeld schaffen, aber ins obere, bitte schön."

Dass er das schaffen könne, davon sind die Spieler des FC Basel überzeugt. HSV-Stürmer Mladen Petric, der einst in Basel spielte, bekam schon am Donnerstagmorgen einige SMS von früheren Kollegen. Einer schrieb, jetzt kriege er ja endlich mal einen guten Trainer, ein anderer, er habe nie einen besseren Coach gehabt.

Bleibt nur die Frage, ob die angestrebte Kontinuität über das Jahr 2014 hinaus reicht. Frank Arnesen stellt sich eine Zusammenarbeit von "mindestens zweieinhalb Jahren vor". Doch Fink, der Wahrsager in eigener Sache, hat ja noch eine andere Vision: Irgendwann möchte er mal Trainer des FC Bayern sein. Die Chance, dass er auch dieses Ziel erreicht, scheint nach seiner bisherigen Vita durchaus gegeben zu sein.

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