Tuchel bei Paris Saint-Germain:Die Wertschätzung ist groß

Tuchel bei Paris Saint-Germain: Soll bei PSG verlängern: Trainer Thomas Tuchel.

Soll bei PSG verlängern: Trainer Thomas Tuchel.

(Foto: AFP)
  • Trainer Thomas Tuchel soll seinen Vertrag bei Paris Saint-Germain verlängern.
  • Obwohl das Team in der Champions League früh scheiterte, ist die Wertschätzung für den deutschen Coach nach wie vor groß.
  • Mit dem Vorschlag, Mourinho zu holen, konnte sich Sportdirektor Henrique offenbar nicht durchsetzen.

Von Javier Cáceres

Pardon? Wofür?, fragte Thomas Tuchel, der Trainer von Paris St. Germain, nach dem 3:1-Sieg seiner Mannschaft gegen Olympique Marseille vom Sonntagabend. "Wir haben keinen Grund, um Verzeihung zu bitten", sagte der deutsche Coach später in der Pressekonferenz. Auch wenn er wusste, dass sich sein Klub immer noch mit dem unglücklich zustande gekommenen Champions-League-Aus herumplagt. Vielleicht ahnte Tuchel auch, dass Zeitungen wie Le Parisien anderntags davon sprechen würden, dass der Verein auf einem Vulkan ruhe.

Man konnte das am Sonntagabend gut beobachten. "Wir vergessen nicht", stand auf einem Transparent geschrieben, das die Ultras von PSG, der harte Fan-Kern, in der Kurve des Prinzenpark-Stadions aufgehängt hatten. 15 Minuten lang war sie leer geblieben, aus Protest gegen das Scheitern in der Champions League. Die Hoffnungen waren ja enorm gewesen nach dem Hinspiel; in Old Trafford hatte Paris brilliert, Manchester United 2:0 bezwungen. Dann das Rückspiel, die bittere 1:3-Niederlage in letzter Minute durch zwei Fehler und einen hoch umstrittenen Handelfmeter.

Auch eine Woche danach schaute Tuchel sich das Spiel noch mal an, nur er weiß, zum wievielten Mal. Und er war sich zum gleichfalls x-ten Mal sicher: "Es war ein Unfall." So formulierte er es am Sonntag öffentlich, so hatte er es zuvor schon seinem Umfeld geschildert. Ein verdammter Unfall - in einem Wettbewerb, der für PSG als verwunschen gilt, weil der Klub nie weiter kam als bis ins Viertelfinale.

Die Herrschaft von PSG ist in Frankreich absurd unanfechtbar

Nur: Die Champions League ist auch der einzige Wettbewerb, aus dem Paris noch so etwas wie neuen Selbstwert ziehen kann. Die PSG-Fans fühlten sich "gefangen im Kerker der französischen Wettbewerbe", schrieb Le Parisien. Die Herrschaft, die PSG mit dem Geld aus Katar in Frankreich etabliert hat, ist so absurd unanfechtbar, dass der Klub bei einem Spiel Rückstand in der heimischen Liga atemraubende 20 Punkte vorn liegt. Wenn "Le Clasique" vom Sonntag, also das Spiel gegen den Tabellenvierten aus Marseille, zu etwas taugte, dann zum Beweis dafür, dass PSG sich nicht dem Laissez-faire hingeben will.

"Warum sollten wir?", fragte Tuchel. "So hart es war: Wir haben unsere Motivation nach Manchester nicht verloren. Das ist die Chance zu zeigen, dass wir eine Antwort geben und nicht lockerlassen." Schon gar nicht, wenn Spieler vom Talent eines Ángel Di María zu solch guter Form auflaufen, dass Ausfälle wie Neymar, Edinson Cavani oder Julian Draxler nicht ins Gewicht fallen: Der Argentinier bereitete das 1:0 durch Kylian Mbappé (45.+2) vor und erzielte die anderen Treffer selbst (56./66.). "Meine Mannschaft zeigt jeden Tag, dass sie wettbewerbsfähig ist und noch Siegeshunger hat", sagte Tuchel.

Er selbst dürfte, wie aus gut unterrichteter Quelle zu hören ist, schon in den kommenden Tagen etwas Druck aus dem Pariser Kessel nehmen - und seinen bis 2020 laufenden Vertrag vorzeitig verlängern. Zu verbesserten Bezügen, versteht sich. Zuletzt waren sie bei PSG ja nervös geworden - obwohl dort bekannt ist, dass Tuchel sich in Paris wohlfühlt und in der Mannschaft geschätzt wird. Nach dem Aus gegen Manchester United sang Kapitän Thiago Silva in der Kabine ein Loblied auf den Coach. Schon vor Weihnachten hatte die Klubführung Tuchel offeriert, den Kontrakt zu erneuern; vor dem Hinspiel gegen Manchester fragte sie wieder an - nach dem Rückspiel und dem Champions-League-K.-o. wurde das Angebot dann auch anonym an die französischen Medien durchgesteckt.

Das bedeutete zweierlei: erstens eine Wertschätzung für die bisherige Arbeit Tuchels. Und zweitens, dass man sich von Tuchel endlich eine Festlegung erhoffte.

Sportdirektor Henrique wollte angeblich Mourinho holen

Eine Vertragsverlängerung Tuchels würde übrigens auch bedeuten, dass einer der aussichtsreichsten Trainer Europas weiterhin nicht auf dem Markt wäre für diverse Interessenten wie etwa den FC Bayern, bei dem ja keiner so genau weiß, ob sich die Trainerfrage demnächst nicht doch stellt. Für die Klubchefs in Paris war die Lage rund um Tuchel zuletzt von einer gewissen Unwägbarkeit geprägt, weil man vor wenigen Wochen auch den Portugiesen Antero Henrique als Sportdirektor ratifiziert hatte. Dessen Verhältnis zu Tuchel gilt als schwierig. Henrique wird nachgesagt, gern seinen derzeit arbeitslosen Landsmann José Mourinho nach Paris holen zu wollen. Umgekehrt ist Tuchel mit der von Henrique verantworteten Zusammensetzung des Kaders nur bedingt zufrieden. Zuletzt gärte es, weil Henrique im Winter zwei "Sechser" versprach, am Ende kam nur einer: der Argentinier Paredes (St. Petersburg) für angeblich 47 Millionen Euro.

Allerdings: Auch im Klub ist man mit dem auf Agentenebene bestens vernetzten Henrique nicht völlig glücklich. Schon im vergangenen Jahr war es ihm nicht gelungen, die Wünsche des Trainers (ein defensiver Mittelfeldspieler, ein Innenverteidiger) zu erfüllen, und seine neueste Idee mit Mourinho gilt intern als indiskutabel, weil der für einen Fußball steht, der in der Stadt des Lichts als viel zu schattig gilt. Unter dem Eindruck der Meinung der Bosse soll sich Henrique zuletzt für einen Verbleib Tuchels ausgesprochen haben. Das legt nahe, dass auch zu ihm vorgedrungen sein dürfte, was in Paris erzählt wird: dass Henrique vor allem deshalb noch im Amt ist, weil der Markt nicht viele Alternativen hergibt.

Mbappé dürfte einen Anruf von Zidane erhalten

PSG steht jedenfalls vor einem Transfersommer, der interessant werden könnte. Längst wird darüber spekuliert, ob alternde Größen wie Dani Alves oder Gigi Buffon, der gegen Manchester patzte, wirklich bleiben müssen. Und vor allem ist noch offen, was mit den beiden Superstars passiert.

Mbappé wird unter Garantie einen Anruf von Zinédine Zidane erhalten; der neue französische Trainer von Real Madrid wollte Mbappé schon holen, als der französische Jungstar noch minderjährig war. Der andere Stürmerstar heißt Neymar, der wegen eines neuerlichen Mittelfußbruchs nur auf der Tribüne sitzt und sich für die Copa América in Brasilien schont. Real Madrids Präsident Florentino Pérez würde den Brasilianer, der vor zwei Sommern noch 222 Millionen Euro kostete, liebend gern holen, er hält ihn für die Galionsfigur, die Real aus Marketinggründen brauche.

Wie auch immer es kommen wird: In Paris gehen sie jetzt immerhin davon aus, dass auch die Mannschaft der nächsten Saison von Thomas Tuchel trainiert wird.

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