Thomas Tuchel beim BVB:Girlanden für die zweite Reihe

Borussia Dortmund - SC Paderborn

Thomas Tuchel gelingt beim BVB vieles - zuletzt ein 7:1 gegen Paderborn.

(Foto: Friso Gentsch/dpa)
  • Bei Borussia Dortmuns macht Trainer Tuchel derzeit vieles richtig. Er hat es geschafft, den Überschuss an Talent im Kader zu moderieren.
  • Selbst Spieler wie Gonzalo Castro oder Adrian Ramos spielen gut, wenn sie reinkommen.

Von Freddie Röckenhaus, Dortmund

Was für Stefan Effenberg an diesem Pokal-Abend mit sieben Gegentoren für seine Mannschaft übrig blieb, war ein Nebenschauplatz, ein Mätzchen: Dortmunds Kapitän Mats Hummels wollte den Spielball zum Einwurf holen, Effenberg aber schnappte ihn sich schneller, hielt ihn fest und versteckte ihn hinter dem Rücken, wie es ein Vater mit dem Dreijährigen tut. Eine Szene zum Kopfschütteln, weil sie ein Schlaglicht auf den Trainer-Novizen Effenberg warf, dessen Spieler auf dem Platz gerade untergingen, und der trotzdem noch Zeit für die Provokation am Rande hat - wie ein Dieter Bohlen des Fußballs.

Die 1:7-Klatsche bei Borussia Dortmund hat den SC Paderborn sicher nicht in den Grundfesten erschüttert, zumal die Einnahmen aus den über 70 000 verkauften Tickets im DFB-Pokal geteilt werden. Zwei, drei Gegentore weniger wären aber doch ganz schön gewesen. "Da musst du zumachen und versuchen, die Uhr runterzuspielen", ließ der alte Profi Effenberg später wissen. Man werde daraus lernen, "ich werde auch daraus lernen". Der 47-Jährige hatte mit Paderborn zuvor seine ersten beiden Spiele als Cheftrainer gewonnen. Aber das war in der zweiten Liga - nicht gegen ein spielerisches Monster, zu dem diese Borussia an guten Tagen werden kann.

Effenbergs erfahrener Kollege Thomas Tuchel hatte, bei allem angekündigten Respekt vor dem zunächst schwach in die Saison gestarteten Absteiger Paderborn, die Rotation angeworfen. Gonzalo Castro bedankte sich mit zwei Toren und zwei spektakulären Torvorlagen. Adrian Ramos, sonst im Schatten von Pierre-Emerick Aubameyang, schoss ein Tor selbst und bereitete eins vor. Einwechselspieler Lukasz Piszczek, von Matthias Ginter zuletzt aus der Standard-Formation verdrängt, gelang dieselbe Ausbeute.

"Ich bin schon länger hier in Dortmund angekommen, jetzt aber mit diesem Spiel endgültig", freute sich der aus Leverkusen geholte Castro. Ursprünglich war ihm die Rolle zugedacht, Ilkay Gündogan in der BVB-Zentrale zu ersetzen. Dann entschied Gündogan sich, doch zu bleiben. Gegen Paderborn zog der Nationalspieler wie gewohnt viele Strippen und verwandelte den Foulelfmeter zum 4:1.

Plötzlich glänzt auch "Gonzo"

"Gonzo", wie Castro in Dortmund gerufen wird, ist derzeit der prominenteste jener Spieler, die BVB-Trainer Thomas Tuchel zwar beständig belobigt, wenn sie wieder mal als Stellvertreter mitmischen dürfen, die aber doch erkennen müssen, dass sie nicht zur ersten Elf gehören. Dieses Mal durfte Castro den wegen leichter Muskelprobleme pausierenden Marco Reus vertreten, vorigen Sonntag hatte er beim 5:1 gegen Augsburg für Henrikh Mkhitaryan einspringen können. Aber selbst zwei Tore und zwei Assists werden Castro zunächst noch nicht dauerhaft in die Startreihe von Tuchel hieven können.

Bisher jedoch gelingt Tuchel das Spiel mit der Illusion bei seinen Zweitbesetzungen recht gut. Castro und Ramos konnten die relativ rare Chance auf Erfolgserlebnisse nutzen. Andere wie Sven Bender, Piszczek oder der erneut auf die Tribüne geschickte Neven Subotic dürften sich mit ihren Nebenrollen schwerer abfinden. Derzeit wirkt die Erstbesetzung von Tuchel wie in Stein gemeißelt.

Wer in die Mannschaft rotiert, wegen Verletzungen oder weil das Top-Personal mal ausruhen soll, weiß im Grunde, dass er wieder raus muss. Und dass es vorerst keine echte Chance gibt, sich dauerhaft in die ersten Elf zu katapultieren. "Die haben alle wochenlang sehr fleißig trainiert, obwohl andere bei uns die große Aufmerksamkeit bekommen haben, und wenn sie gebraucht wurden, waren sie da", flocht Tuchel seiner zweiten Reihe nach dem 7:1 eine weitere Girlande.

Tuchel moderiert das Überangebot an potenziellen BVB-Stammspielern momentan überzeugend weg und rotiert sehr viel intensiver, als es einst Jürgen Klopp in Dortmund tat. Aber es gehört zu den unangenehmen Dingen des Trainerdaseins, nicht einmal Doppeltorschützen wie Castro mit einem Stammplatz belohnen zu können. Am Samstag in Bremen dürfte wohl wieder Marco Reus spielen. Trotzdem sind Tuchels Probleme der pure Luxus, verglichen mit jenen von Effenberg. Der muss erst mal selbst zum Stammpersonal werden.

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