Thomas Müller beim FC Bayern:Neues vom Raumdeuter

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Erzielte das 2:0: Thomas Müller. (Foto: dpa)

Pep Guardiola erweitert das Spektrum seiner Aufstellungsvarianten, indem er Thomas Müller als Neuner verkleidet. Der praktizierende Schelm hat mittlerweile seine Rolle in Guardiolas flexiblem Fußball der Komplettverwirrung gefunden. Keine gute Nachricht für die Konkurrenz.

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Es herrschte reges Treiben in der Mixedzone von Manchester City. Auf engstem Raum vermischten sich im Keller der draußen eher stimmungsarmen Arena nicht nur, wie sonst üblich, die Handelnden und die Berichterstatter. Auch die Lebensabschnittspartnerinnen der heimischen Fußballer zwängten sich an den Reportern vorbei, mit Kinderwägen und Babytragen.

Gut in dieses Bild passten die Verbesserungsvorschläge, die Pep Guardiola trotz des Sieges seinen Bayern-Profis mit ins Bett gab: "Sie müssen mit dem Ball umgehen wie kleine Kinder und rennen wie die Tiere", sagte der Trainer. Sollte heißen: Man kann immer noch besser spielen.

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Auch Thomas Müller blieb zwischen Babys und Kameras beidbeinig auf dem Boden. Nö, sagte der praktizierende Schelm, von mir gibt es heute keine Hymne zu hören! "Am Samstag gegen Wolfsburg soll's noch katastrophal gewesen sein, und heute wieder alles super", überzeichnete er in typischer Müller-Manier die allgemeinen Deutungen. Er selbst sagte zum 3:1: "Es hat sich zwischendurch sehr gut angefühlt." Nicht mehr, nicht weniger.

Müller hatte den Vortrag mit dem 2:0 bereichert. Von hinten kam der weite Ball von Dante, und Müller zog aus Rechtsaußenposition nach innen vors Tor, entwischte dem schlafmützigen Verteidiger Clichy, umkurvte Torwart Hart - drin. Müllers lohnender Laufweg hatte genau dort sein Ziel, wo er selbst laut Aufstellungszettel angeblich stehen sollte; er nutzte quasi den von ihm selbst zur Verfügung gestellten Raum.

Für Müllers Rolle in Manchester hat die moderne Lehre die sonderbare Berufsbezeichnung "falscher Neuner" kreiert: ein Angreifer, der kein klassischer ist, weil er überall wirbelt - eine Rolle, die dem unorthodoxen Raumdeuter Müller durchaus liegt. Bayern-Trainer Guardiola hat aus Spanien eine Vorliebe für einen flexiblen Fußball der Komplettverwirrung importiert, mit verwischten Positionsgrenzen, viel Rotation - und auch mal ohne Stoßspitze.

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Torsteher Manuel Neuer umgibt bis kurz vor Ende die Aura des Unbezwingbaren, Verteidiger Dante freut sich diebisch über eine erneute Vorlage zu einem Tor und Arjen Robben verpasst seinen Gegenspielern mit seinen Dribblings einen Drehwurm. Der FC Bayern beim 3:1 in Manchester in der Einzelkritik.

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Vor seinem Dienstbeginn hatte die Mittelstürmerrepublik Sorge, dass er auch in München den echten Neuner ins Museum stellen würde. Gespielt hat dann bisher aber meist zu Saisonbeginn: Mario Mandzukic, ein Neuner reinsten Wassers, der sein Spiel ein bisschen umgestellt hat und jetzt noch häufiger auf dem Flügel Zuspiele aufnimmt.

Müller? Hatte am Anfang etwas gefremdelt im Pep-Modell und nur im Pokal Tore erzielt. Zuletzt gegen Wolfsburg traf er erstmals in der Liga. Und in Manchester erweiterte nun der Trainer sein Spektrum der tausend Aufstellungsvarianten um die Lösung, Mandzukic zu schonen und Müller als Neuner zu verkleiden. "Ich wollte für diesen Gegner mehr Bewegung vorn drin", erklärte Guardiola seine Wahl.

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Bei den Bayern zeigen sich die Beteiligten nach dem starken 3:1 in Manchester überglücklich - Uli Hoeneß findet, Guardiolas Männer hätten sich ein "summa cum laude" verdient. Leverkusen freut sich über Siegtorschütze Jens Hegeler und die britische Presse feiert Arsenals Mesut Özil.

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Das klappte, dank Müllers Raumöffnungen vorne und Gegenbewegungen mit den vom Flügel reinkreuzenden Ribéry und Robben, und auch mal auf der Mittelspur mit Kroos oder Schweinsteiger, der sich zunehmend offensiv entfaltet.

Für die Konkurrenz ist es keine gute Nachricht, dass Guardiola zudem Shaqiri in Reserve hat - und Götze, der nach seiner Verletzung Ende August nun in Manchester ein Kurzcomeback gab. Und, ach ja, auch einen Stürmer Pizarro, der in den sauren Apfel beißen musste, das Spiel in England als Tourist zu genießen.

"Wir wissen, dass wir Champions-League-Sieger sind", sagte Müller dann doch bei aller Diskretion mit bayerischem Selbstverständnis, "und dass wir uns auf dem Transfermarkt nicht geschwächt haben." Mit diesem Wissen trat man am Donnerstag den Weiterflug nach Köln an, zur nächsten schweren Ligaprüfung. In Leverkusen, gegen einen sehr echten Neuner namens Kießling.

© SZ vom 04.10.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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