Süddeutsche Zeitung

Thomas Müller:Ballacks Erbe

Obwohl Thomas Müller am Freitagabend im Trikot mit der Nummer 13 nicht mehr so viel gelang wie bei der WM, hat er wieder ein paar Zeichen gesetzt im EM-Qualifikationsspiel gegen Belgien.

Claudio Catuogno

Die erste Halbzeit war laut. Nicht auf die liebgewonnene südafrikanische Weise, das nicht, obwohl wieder ein paar langstielige Blasinstrumente im Spiel waren. Während die Uefa die Vuvuzelas hierzulande verboten hat zum Schutz der europäischen Hochkultur, hatte sie in Brüssel nichts gegen diese scheppernde Blaskapelle einzuwenden, die das traditionsreiche Gegröle der Anhängerschaft mit zackigem Tamtam überlagerte. Auf seiner Seite. Unangenehm.

Natürlich hat sein Vereinstrainer Louis van Gaal nicht diese Form der Lärmbelästigung gemeint, als er kürzlich vorhersagte, Thomas Müller, der Torschützenkönig der WM, werde seine "Probleme bekommen" in dieser Saison. Es war eher jene Art düstere Erkenntnis, die auch Joachim Löw umtreibt, den Bundestrainer: Die WM mit ihrem juvenilen Spaßfußball ist Geschichte, aber die Erwartungen, die sie geweckt hat, sind geblieben. Und jetzt stehen da dieselben deutschen Fußballer auf dem Feld, aber die Dinge gelingen ihnen nicht mehr so spielerisch. Auch Thomas Müller, 20, der sich immerhin als eine Art bester Stürmer der Welt fühlen durfte in Südafrika, sind die Dinge am Freitagabend in Brüssel nicht mehr so spielerisch gelungen.

Pfiffiger Pass auf Özil

Aber er hat wieder ein paar Zeichen gesetzt im EM-Qualifikationsspiel gegen Belgien, das erste schon vor dem Anpfiff. Da ließ er sich mit der Rückennummer 13 auf den Spielberichtsbogen schreiben, die auch bei der WM seinen Rücken geziert hatte, davor aber jahrelang einen anderen: den von Michael Ballack. Und wenn es noch eines weiteren Beweises bedurft hatte, dass diese junge Elf Ballacks Erbe längst unter sich aufgeteilt hat - nach der forschen Bewerbung von Phillip Lahm, nach Sami Khediras Beharren auf einem Stammplatz im defensiven Mittelfeld -, dann war es dieser: Sogar seine Rückennummer wird sich Ballack zurückholen müssen, wenn er von Löw wieder nominiert wird. Vorerst trägt sie ein anderer spazieren.

Die Nummer 13 hat seine scheppernde rechte Seite gegen Belgien hin und wieder verlassen, und meistens haben diese Ausflüge der deutschen Elf gut getan, ohne gleich jene anarchische Wucht zu entfalten, mit der Müller in Südafrika überrascht hatte. Aber es ist schon aufgefallen, dass Müller oft dort zu finden war, wo Stürmer idealerweise zu finden sind, wo es nicht unbedingt laut, aber gefährlich ist. Er hat ein pfiffiges Anspiel auf Mesut Özil zustande gebracht (19. Minute), hat einen Kopfball in die Arme des belgischen Keepers gesetzt (22.), er sprang zwischen den Belgiern herum mit der Energie eines jungen Fohlens. Und in der 51. Minute, da waren schon die Seiten getauscht und die Kapelle schwurbelte weit drüben ihre Melodien, machte sich Müller noch einmal auf den Weg hinüber auf die von ihm aus gesehen linke Seite. Schweinsteiger eroberte den Ball, Müller steckte ihn durch auf Miroslav Klose - Tor. Die Trompeten plärrten. Thomas Müller fürchtet sich offenbar vor gar nichts.

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SZ vom 04.09.2010/dop
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