Thomas Dähne:Zwischen Kreisliga-Acker und Europapokal

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Hoffen auf den finnischen Sommer: Thomas Dähne will in den Qualifikationsspielen für die Europa League auf sich aufmerksam machen. (Foto: imago/Bildbyran)
  • Der Torhüter Thomas Dähne galt einst als vielversprechendes Talent - doch bei RB Leipzig konnte er sich nicht durchsetzen.
  • Vor zwei Jahren wechselte der heute 23-Jährige nach Finnland - dort will er sich für den deutschen Markt empfehlen.

Von Matthias Schmid

Auf den Kiesstraßen rings um Jyväskylä findet jährlich die 1000-Seen-Rallye statt. Die Strecke der mittelfinnischen Stadt gilt als anspruchsvoll und ist Teil der Rallye-Weltmeisterschaft, sie verlangt den Teilnehmern großes fahrerisches Geschick, Mut und auch ein bisschen Waghalsigkeit ab. Die Deutung von Thomas Dähne könnte also durchaus zutreffend sein: Er glaubt, dass sich einige ehrgeizige Finnen beim Training verfahren und den Rasenplatz des örtlichen Fußball-Erstligisten mit den Kiesstraßen verwechselt haben, um sich für den WM-Lauf zu präparieren. "Man konnte nur noch einige einzelne grüne Flecken auf dem braunen von tiefen Furchen durchzogenen Untergrund erkennen", erzählt Dähne, der deutsche Fußball-Torhüter von HJK Helsinki: "Das war ein fürchterlicher Rübenacker."

Seit eineinhalb Jahren lebt und spielt Thomas Dähne, geboren in Oberaudorf (Landkreis Rosenheim), schon in Finnland. Überraschungen wie zuletzt beim Auswärtsspiel in Jyväskylä gehören für ihn zu den Abwechslungen des Fußballalltags. "Kein Kreisligist hätte auf diesem Platz gespielt", sagt er. Ihm und seinen Mitspielern, die ihre Heimspiele auf einem feinen Kunstrasen austragen, blieb aber keine andere Wahl, die unerschrockenen Finnen in Jyväskylä sind als Rallye-Liebhaber nicht so empfindlich und erwarten auch von ihren Fußballern eine gesunde Härte. Die gute Nachricht nach dem Spiel war: Niemand hatte sich ernsthaft verletzt.

Dähnes Vorbild war ein anderer Oberaudorfer: Bastian Schweinsteiger

Wenn Dähne solche Anekdoten erzählt, klingt das nicht despektierlich, überhaupt nicht abwertend. Der 23-Jährige weiß ganz genau, worauf er sich eingelassen hat, als er sich im August 2015 dem finnischen Rekordmeister anschloss. Für ihn ist das kein Abenteuer, sondern die große Chance, sich wieder für den deutschen Markt zu empfehlen, von dessen Radar er verschwunden ist. Wie ihm geht es den meisten Fußballern, die vor sechs Jahren die U 17-WM in Mexiko als Dritter beendet haben. Lediglich Emre Can (FC Liverpool), Mitchell Weiser (Hertha BSC) und Rani Khedira (RB Leipzig) sind in den europäischen Spitzenligen untergekommen.

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Mit Khedira war Dähne damals im Sommer 2014 nach Leipzig gewechselt. Er wollte auch ein Teil des aufregenden Projekts von Ralf Rangnick sein. Der Sportdirektor war auf den Torhüter noch bei Red Bull Salzburg aufmerksam geworden, Dähne spielte schon dort, als Rangnick noch die TSG Hoffenheim trainierte.

Mit 13 Jahren war er ins Salzburger Internat umgezogen, dabei wollte er ursprünglich einem anderen Oberaudorfer nacheifern und zum FC Bayern wechseln: Weltmeister Bastian Schweinsteiger stammt wie Dähne aus dem oberbayerischen Örtchen im Inntal. Und obwohl die Münchner an dem Jungen interessiert waren, wurde aus einem Wechsel nichts, "weil ich keinen Platz im Internat bekommen habe", erinnert er sich. Er wohnte zu nah an München.

In Salzburg erlebte er dann zunächst eine Karriere in Zeitraffer, mit 16 spielte er schon in der U 19, mit 19 debütierte er in der Bundesliga gegen Austria Wien. Der Wechsel nach Leipzig war für den U20-Nationaltorhüter der logische Schritt in seiner Entwicklung hin zu einem Erstliga-Keeper in Deutschland. "Mein großer Traum", wie er es ausdrückt. Doch über seine Zeit in Leipzig mag er nicht mehr groß sprechen. "Unter falschen Versprechungen", so sagt Dähne heute, sei er zum damaligen Zweitliga-Aufsteiger gelockt worden.

Rangnick versprach ihm in der Vorbereitung einen fairen und offenen Wettbewerb um die Nummer eins. "Doch schon nach wenigen Tagen sägte mich Trainer Zorniger ab", sagt Dähne. Während sich der Schweizer Fabio Coltorti und Benjamin Bellot im Tor abwechselten, half er in der Leipziger Oberliga-Mannschaft aus. Als sein Vertrag ein Jahr später auslief, hätte er in Deutschland bleiben können. Anfragen gab es, auch aus der zweiten Liga. "Aber ich wollte spielen und nicht mehr zweiter oder dritter Torhüter sein", sagt er. Warum also nicht Stammtorhüter in Helsinki?, fragte er sich, als der Anruf kam.

Obwohl ihn einige in seinem Umfeld belächelten, ließ er sich davon nicht mehr abbringen, er zog nach Finnland. Es war keine Übersprungshandlung, sondern ein wohl überlegter Schritt. Dähne nennt es rückblickend "die beste Entscheidung, die je in meinem Leben getroffen habe".

In Helsinki hat er es schnell zum Stammkeeper gebracht, in einer Liga, die er vom Niveau her mit dem unteren Drittel der zweiten Liga in Deutschland vergleicht. Er spürt das Vertrauen seines Trainers, seiner Mitspieler - und vor allem: er spielt regelmäßig. "Das ist für einen jungen Torhüter das Wichtigste", wie er findet.

Doch so einfach, wie er sich das vorgestellt hat, ist die finnische Liga dann doch nicht. "Die Qualität ist gut und jeder kann hier jeden schlagen", hat er festgestellt. Er wartet deshalb noch auf seinen ersten Titel. Die neue Spielzeit hat gerade erst begonnen, HJK Helsinki führt die Tabelle an, die Saison endet im Oktober, "weil man im Winter nicht spielen kann", wie Dähne erklärt. Eis und Schnee verwandeln die Plätze eher in Langlaufloipen.

Die nächste Lernphase kann kommen - gern in einer anspruchsvolleren Liga

In den Wintermonaten trainieren sie in Helsinki deshalb hauptsächlich in einer Halle, welche die üblichen Spielfeldmaße aufweist und so hoch ist, dass Dähne sogar Abschläge üben kann. Das kann das Training im Freien natürlich nicht ersetzen. Nicht nur deshalb sehnt er den Sommer herbei, er freut sich auf die Qualifikationsspiele für die Gruppenphase der Europa League - er steht dann auch international im Blickfeld und hofft, dass er mit guten Paraden auf sich aufmerksam machen kann.

"Ich bin durch die Europapokalspiele reifer geworden", glaubt er, "und würde nach dieser Saison gerne den nächsten Schritt in meinem Lernprozess machen." In einer sportlich hochwertigeren Liga. Eine Rückkehr nach Deutschland hat für ihn dabei nicht höchste Priorität. "Ich spreche jetzt perfekt Englisch", sagt Thomas Dähne mit seinem leichten österreichischen Idiom. Des Finnischen ist er nicht mächtig. "Viel zu schwer", stöhnt er, und für ihn so unverständlich wie der obligatorische Saunagang seiner Mitspieler nach jedem Fußballtraining.

© SZ vom 03.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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