Thomas Broich:"Ich glaube, dass man immer viel in eine Person rein liest"

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Was für ein Trainer-Typ werden Sie sein? Laptop-Trainer oder Traditionalist?

Wahrscheinlich beides ein bisschen. Ohne Laptop geht es nicht mehr. Man muss Spiele analysieren, die Taktiktafel rausholen und Statistiken interpretieren. Auf der anderen Seite gibt es noch sehr viele Trainer, die auf eine altmodische Art und Weise erfolgreich sind - vielleicht ist es auch eine zeitlose Art und Weise. Ich glaube, dass eine Mischung das Erfolgsrezept ist.

Welcher Trainer hat Sie stark beeinflusst?

Ich hatte in Australien das Glück, einen überragenden Trainer zu haben: Ange Postecoglou (heutiger Nationaltrainer Australiens, Anm. d. Red.). Das hört sich jetzt komisch an, aber er war der Erste, der mir Fußball begreiflich gemacht hat. In der Bundesliga stand ich unter dem Eindruck: Man haut sich rein und trainiert jeden Tag. Klar, spielst du mal mit einer Dreier- oder Viererkette. Aber was das bedeutet und warum man Spiele gewinnt oder verliert, das war für mich ein Rätsel.

Was hat Postecoglou anders gemacht?

In Australien hat er mit geringeren Mitteln versucht, den Fußball des FC Barcelona spielen zu lassen. Das war am Anfang schwierig, aber als wir das begriffen haben, waren wir 36 Spiele in Serie ungeschlagen, sind zweimal Meister geworden. Wenn du so etwas als Spieler mitmachst, erkennst du, was mit einer ausgeklügelten Taktik machbar ist. Er war auch menschlich richtig gut. Er hat im Leben unheimlich viel mitgemacht, viele Rückschläge, also war er sehr reflektiert und einfühlsam.

Könnten Ihre negativen Erfahrungen später ein Vorteil als Trainer sein?

Wenn man viele Rückschläge erlitten hat oder durch viele Krisen musste, dann lernt man die eine oder andere Sache. Man kann sich viel besser in Menschen reinfühlen.

Sehen wir Sie wieder in der Bundesliga?

Es ist nicht so, dass alles darauf hinauslaufen muss. Wichtig ist, erst mal anzufangen, reinzukommen und zu sehen, wo ich hinpasse. Wo habe ich Stärken, wo Schwächen?

Beim Publikumspreis des Deutschen Fußballbotschafters, der seit 2013 verliehen wird, rangierten Sie direkt hinter Spielern wie Schweinsteiger, Kroos oder Podolski. Wie erklären Sie sich Ihre Beliebtheit?

(lacht) Das müssen die ganzen Studenten gewesen sein, die mich gewählt haben. Ich glaube, dass man immer viel in eine Person rein liest und sich dann ein Stück weit seelenverwandt fühlt. In Australien haben mir junge Backpacker beim Training oder den Spielen zugesehen. Es war witzig zu sehen, wie die ticken, weil ich wahrscheinlich auch mal so getickt habe.

Weil Sie der tragische Held sind, mit dem sich viele Menschen besser identifizieren können als mit den Stars?

Ich habe eine bewegende Geschichte, mit der Leute etwas anfangen können. Die typischen Erfolgskarrieren sind spannend. Aber meine kleine Randgeschichte ist es eben auch.

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