IOC-Präsidentschaft:Das Warten auf das Wort von Thomas Bach

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2025 endet Thomas Bachs Zeit an der IOC-Spitze - eigentlich. (Foto: FABRICE COFFRINI/AFP)

Ändert das IOC die Charta und ermöglicht Thomas Bach eine dritte Amtszeit als Präsident? Das ist derzeit die entscheidende Frage in der olympischen Bewegung – eine offizielle Antwort darauf soll es erst nach den Spielen von Paris geben.

Von Johannes Aumüller, Paris

Die Anmutung im Grand amphithéâtre des Pariser Kongresszentrums dürfte Thomas Bach gefallen. Wie ein Dirigent sitzt er bei der Session seines Internationalen Olympischen Komitees (IOC) mit dem Vorstand auf der Bühne; auf den aufsteigenden Rängen des Saales sind einfache und sonstige Mitglieder der olympischen Familie platziert, um von dort aufmerksam zuzuhören (wobei zumindest Willi Kaltschmitt Lujan aus Guatemala zwischendurch in schlafender Pose erwischt wurde). Nun ist ein Moment gekommen, in dem Bach sich umblickt und vergewissert, dass alles nach Plan läuft. Gibt es Fragen zum eben gehörten Vortrag? Nein? „Es war so klar, dass ich keine Fragen sehe.“

Alles klar? Keine Fragen? Nun ja. Vorangegangen war eine Rede von Ban Ki-moon, früher Generalsekretär der Vereinten Nationen, nun Chef der Ethikkommission beim IOC. Und der Südkoreaner hatte in seinen Vortrag einen wichtigen Hinweis platziert: Entscheidungen, die die nächste Wahl des IOC-Präsidenten betreffen, sollten bitte erst am Ende der Spiele getroffen werden, damit diese Frage nicht die schönen Wettkämpfe überschattet. Da herrschte danach schweigende Zustimmung, und das dürfte ganz in Bachs Sinne gewesen sein.

Die Zukunft des IOC-Präsidenten ist gerade das entscheidende Thema innerhalb der olympischen Bewegung. Thomas Bach, gekürt im September 2013, geht nun ins letzte Jahr seiner zweiten Amtszeit; die aktuelle Olympische Charta verbietet eine neuerliche Wiederwahl. Aber weil er das IOC in seiner Regentschaft so stark auf sich zugeschnitten hat, ist schon lange die Frage, ob er nicht doch noch einen Dreh findet, um im Amt zu bleiben. Bei der vergangenen Session in Mumbai wurde dies auch offiziell aufs Tapet gebracht, als ein paar Hinterbänkler eine skurril anmutende Zeremonie vorführten und eine Korrektur des olympischen Reglements anregten – um Bach eine dritte Amtszeit zu ermöglichen.

Übernimmt bald ein Statthalter? Oder eine Statthalterin?

Gegen dieses Vorgehen gibt es durchaus Bedenken in der Ringewelt, die Entscheidung darüber obliegt aber Bach. Peilt er eine dritte Amtszeit an? Oder denkt er sich ein anderes Szenario aus? Das könnte zum Beispiel so aussehen: Er beschwört offiziell, wie wichtig Regeln und vor allem die Charta seien, und verzichtet großherzig auf eine angediente dritte Amtszeit. Stattdessen platziert er im Amt des IOC-Präsidenten einen ihm genehmen Statthalter (oder, in diesem Fall ist Gendern wichtig, eine genehme Statthalterin) und übernimmt selbst ein neu geschaffenes Pöstchen im IOC-Kosmos.

Zumindest vor den Pariser Spielen verkündet er seine Entscheidung nicht. Dafür liefert der erste Tag der IOC-Zusammenkunft eine schöne Orchestrierung dieses Themas. Erst gibt Ban Ki-moon seinen Hinweis, rund zwei Stunden später ist der Australier John Coates an der Reihe. Der ist seit vielen Jahren einer der engsten Verbündeten Bachs und einer der mächtigsten Olympier, unter anderem als Chef der juristischen Kommission. Die Abstimmungen über Änderungen der Charta sind erst für den nächsten Tag vorgesehen, aber sie werden auf Bachs Anregung hin vorgezogen und mit Coates’ Vortrag kombiniert. „Ich sehe Begeisterung im Raum für diesen brillanten Vorschlag“, sagt Bach. Das ist mal wieder einer dieser Bachschen Kniffe, wie man raffiniert in das Geschehen eingreifen kann.

Sein Kumpel Coates erklärt dem Plenum dann die verschiedenen geplanten Änderungen; manche sind gewichtiger, manche nur redaktioneller Natur. Und am Ende verweist er auch auf die Sache mit den IOC-Amtszeitbeschränkungen. Keine Sorge, es habe nicht nur in Mumbai, sondern auch danach von vielen IOC-Mitgliedern den Vorschlag gegeben, die Charta zu verändern. Aber diese Anregung habe die Kommission nicht „förmlich berücksichtigt“. Denn der Ethikchef habe darum gebeten, sich erst nach der Session damit zu beschäftigen. Außerdem, so lässt sich Coates’ Vortrag verstehen, ergebe das auch nur Sinn, wenn der aktuelle Präsident das auch wollen würde.

Und ob der das will? Tja, das weiß halt nur Bach. Und der sitzt ein paar Meter weiter – und genießt und schweigt. Aber sollte unter den IOC-Mitgliedern jemand weilen, der Bachs Pläne torpedieren und etwa eine eigene Kandidatur anschieben will – will der jetzt derjenige sein, der die Sommerspiele damit überschattet?

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Coates tut so, als gebe es auch keine Eile. Er habe schon im Vorjahr gesagt, dass diese Charta-Änderung auch in einem schriftlichen Umlaufverfahren möglich sei, und auch noch bei der nächsten Session, der Zusammenkunft des IOC 2025, bei der Bachs zweite Amtszeit endet. Die findet in Athen statt, dem Geburtsort der Ringe-Bewegung; mit mehr Pathos als beim heiligen olympischen Hain lässt sich eine Entscheidung kaum inszenieren.

In einer früheren Version dieses Textes wurde auch eine Änderung der IOC-Charta in Bezug auf Ausnahmen der Altersgrenze bei IOC-Mitgliedern thematisiert. Dieser Absatz wurde wieder gestrichen, da die Ausnahme IOC-Präsident Bach nicht betrifft.

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