Süddeutsche Zeitung

Thiago:Ein Abschied, der selbst dem FC Bayern weh tut

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Jahrelang war Thiago der Mittelpunkt des Münchner Spiels. Nun geht er zum FC Liverpool und hinterlässt eine Lücke im eh schon dünnen Bayern-Kader. Trainer Flick sendet ein klares Signal an Sportvorstand Salihamidzic.

Von Martin Schneider

Es war ja nun wirklich nicht so, als hätte sich dieser Abschied nicht angedeutet. Thiago, der seiner Familie noch mal das Münchner Stadion zeigt, Thiago, der beim Länderspiel zwischen Spanien und Deutschland Niklas Süle umarmt und Thomas Müller, der Thiago beim Training nach einem Tunnel gegen Süle "schönes Abschiedsgeschenk" hinterherruft.

Jetzt ist es offiziell: Der Spanier geht zum FC Liverpool und dessen Trainer Jürgen Klopp. 30 Millionen Euro Ablöse soll der FC Bayern für den 29-Jährigen bekommen - mehr war angesichts einer Restvertragslaufzeit von einem Jahr und seinem Wechselwunsch offenbar nicht drin. "Er ist ein außergewöhnlicher Spieler, der der Mannschaft viel gegeben hat. Ich kann Kloppo nur gratulieren. Er bekommt einen Topspieler und einen super Menschen", sagte Bayern-Trainer Hansi Flick am Donnerstag. Die Verabschiedung sei "sehr emotional" gewesen.

Nun zeichnet sich der Kader des FC Bayern durch eine gewisse Qualität aus, aber der Abschied von Thiago ist einer, der dem Klub weh tun könnte. Zu seinen besten Zeiten kam fast jeder Ball zu und fast jeder Ball von ihm. 235 Spiele hat er für die Münchner gespielt, in 235 davon spielte er die meisten Pässe, davon kamen in den sieben Jahren in München ungefähr sieben oder vielleicht sogar auch acht nicht an, und falls das in einer Statistik anders steht, muss es ein Fehler sein. Auch in der Defensive war er stets besser als sein Ruf, nur Tore schoss er selten, das übernahmen andere, wie im Champions-League-Finale von Lissabon, wo er noch mal alle Tricks aus dem Zylinder beziehungsweise Pässe aus dem Fußgelenk zauberte.

Der FC Bayern hat aktuell den zahlenmäßig dünnsten Kader der Liga

Nun geht der Ballbesitzspieler ausgerechnet in einer Phase, in der Trainer Hansi Flick laut überlegt, ob man das kräftezehrende Spiel nicht über mehr Ballbesitz schonender angehen könnte. Flick sagte am Donnerstag aber demonstrativ, er sei "guter Dinge, dass Hasan und sein Team den Kader qualitativ aufrüsten". Sportchef Salihamidzic dürfte verstanden haben, was sein Trainer meint.

Tatsächlich hat der FC Bayern aktuell den zahlenmäßig dünnsten Kader der Bundesliga - in Kombination mit den meisten Nationalspielern und den möglicherweise meisten Partien eine riskante Kombination. Benjamin Pavard ist aktuell der einzige Rechtsverteidiger, bei nur drei Flügelspielern (Kingsley Coman, Leroy Sané, Serge Gnabry) sollte sich auch keiner verletzen und ohne Thiago stünden hinter dem nun gesetzten Mittelfeld-Duo Joshua Kimmich/ Leon Goretzka nur noch Corentin Tolisso und Mickael Cuisance bereit, eventuell noch der vom HSV zurückgekehrte Leihspieler Adrian Fein.

Wie schnell Planungen in der Corona-Saison hinfällig sind, sah man jedenfalls schon vorm ersten Spieltag. 7500 Zuschauer waren in der Arena gegen Schalke 04 zugelassen, keine 24 Stunden später folgte die Kehrtwende. Geisterspiel - die Infektionszahlen in München sind zu hoch.

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