Thiago Alcántara:Neustart

Borussia Dortmund - Bayern München

Wieder da und der glücklichste Mensch auf dem Platz: Thiago bei seinem Comeback nach über einem Jahr.

(Foto: Jonas Güttler/dpa)

Pässe aus dem Fußgelenk: Thiagos Comeback nach 371 Tagen. Nach nur zehn Minuten fühlte sich der Spanier "vollkommen müde".

Von Benedikt Warmbrunn, Dortmund

Die Augen von Thiago Alcántara haben eine haselnussbraune Farbe, dazu eine Tiefe, die Augen wahrscheinlich nur bekommen, wenn sie in Apulien erstmals die Welt erblicken, wenn sie früh die Straßen von São Paulo sehen, wenn sie in Spanien erwachsen werden. Es sind keine Augen für die Enge von Reha-Zimmern. Sondern Augen für die Weite der Welt.

In Dortmund fixierte Thiago mit den Haselnüssen unter seiner Stirn irgendeinen fernen Punkt in der weiten Welt, ganz sicher aber keinen Punkt im Bauch des Stadions. Da stand ein Mann unter lauter Menschen, die Mitspieler hatten wenige Minuten zuvor in der Kabine seinen Namen gesungen, er hatte sich bei jedem einzelnen bedankt, mit Tränen in den Augen. Und doch stand da nun ein Mann, der allein wirkte, mit sich und seiner Welt. Er krallte sich an die Träger seines Rucksacks.

21 Minuten lang durfte Thiago beim 1:0 des FC Bayern in Dortmund mitwirken. Er spielte ein paar Pässe aus dem Fußgelenk, einmal dribbelte er sich an den Strafraum heran. Dann war das Spiel vorbei. Und damit auch die Leidenszeit des Spaniers.

Nach nur zehn Minuten war Thiago "vollkommen müde"

371 Tage lang hatte Thiago, 23, nicht mehr Fußball gespielt, die Daten konnte er nach dem Spiel genau nennen: "29. März, Heimspiel, gegen Hoffenheim." Nach 25 Minuten musste er ausgewechselt werden, nach einem Pressschlag mit Kevin Volland, die Diagnose: Innenbandriss. Es folgte eine mysteriöse Verletzungspause, Thiago wurde in Spanien behandelt, von Ramón Cugat, einem Vertrauten von Bayern-Trainer Pep Guardiola. Und nicht von Mannschaftsarzt Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt. Thiago riss sich das Innenband in den Monaten danach noch zweimal, mancher beim FC Bayern schob das auf Cugats Methoden, der nicht wie in der Bundesliga üblich einen Gips anlegte. Nach eigenen Angaben behandelte er Thiago mit Wachstumsfaktoren, das Bindegewebe verkraftete die Belastung zunächst nicht. Nach dem dritten Riss im Oktober arbeitete sich Thiago langsam an die Mannschaft heran, trainierte lange alleine. Am Samstag stand er dann wieder vor den Reportern, er sagte: "Mein Leben startet neu."

Der Mittelfeldspieler versuchte, seine Gefühle in die richtigen Worte zu verpacken, er sagte, dass "Fußball das Leben" sei, und an diesem Abend waren das vielleicht die richtigen Worte. Nicht von den Entbehrungen sprach Thiago. Sondern davon, was er gewonnen hatte.

In den nächsten Wochen wird ihn Guardiola näher an die Startelf heranführen - aber vorsichtig. Thiago selbst gestand ja, dass er nach zehn Minuten "vollkommen müde" gewesen sei. Sportvorstand Matthias Sammer betonte daher, dass "wir keine Wunderdinge erwarten". Und Ramón Cugat schrieb auf Twitter: "Felicidades! Congratulations! Herzlichen Gluckwunsch!"

Und Thiago packte die Träger seines Rucksacks und lief in die weite Welt hinaus.

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