Süddeutsche Zeitung

Testspiel:Sie kommen ungelegen

Nürnberg empfängt den FC Bayern, Club-Trainer Keller ist darüber nicht glücklich.

Von Thomas Gröbner

Allein schon die Anstoßzeit: Samstag, 15.30 Uhr. Bundesligazeit. Das weckt Erinnerungen in Nürnberg. An bessere Zeiten, in denen der FC Bayern regelmäßig vorspielte am Valznerweiher und das bayerische Duell Erregungen über die Landesgrenzen hinaus produzierte. Etwa, als "Goldköpfchen" Franz Brungs gegen Sepp Maier traf und Nürnberg 1968 die letzte Meisterschaft sicherte. Als Dieter Hoeneß 1982 im Pokalfinale gegen den Club mit einer Platzwunde das Spiel seines Lebens machte und mit einem Turban um den lädierten Schädel den Nürnbergern die Trophäe noch entriss. Als Thomas Helmers Phantomtor 1994 eine Spielwiederholung erzwang. Viele große Momente gab es in diesen Duellen, doch die jüngere Vergangenheit war eher von Leid geprägt, der Reporter Günther Koch gab in seinem legendären Schlusskonferenz-Requiem im Radio den Ton an: "Hallo, hier ist Nürnberg - wir melden uns vom Abgrund".

Am Samstag ist der FC Bayern wieder zu Gast in Nürnberg, 15.30 Uhr, ein Testspiel, denn die Gegenwart für Nürnberg ist der Abgrund zur dritten Liga. Doch nicht jeder ist glücklich über den Besuch der Münchner.

"Bayern kommt mir ungelegen", motzte Club-Trainer Jens Keller gegenüber der Bild-Zeitung. Er befürchtet vielleicht, das da zuviel zusammenkommt: Die Nürnberger gerädert von den anstrengenden ersten Vorbereitungswoche, und der Gegner in Bestbesetzung, so befürchtet es Keller. Und das könnte böse enden für den Club, dabei hat der Bundesliga-Absteiger diese Saison schon genug einstecken müssen.

"Man darf jetzt auch nichts überstürzen", mahnt Trainer Jens Keller

Keller baut für den Fall schon einmal vor: "Wenn wir tatsächlich eine hohe Niederlage kassieren sollten, wäre es nicht dramatisch." Das sei schließlich schon ganz anderen Mannschaften passiert. Er kündigte an: "Ich möchte diesen Test nutzen, um so viele Spieler wie möglich einzusetzen." Und so wird es wohl auch den ersten Auftritt von Zugang Philip Heise im Club-Trikot geben. Der Abwehrspieler kam aus Norwich, wo er beim Premier-League-Aufsteiger keine Rolle spielte. Fehlen werden Außenverteidiger Enrico Valentini und Mittelfeldmann Iuri Medeiros. Valentini zog sich im Training einen Innenbandriss zu, Medeiros laboriert an einer entzündeten Sehne im linken Mittelfuß.

Dagegen scheint die unheimliche Verletzungsserie der Nürnberger Torhüter langsam ausgestanden, zumindest Stammtorhüter Christian Mathenia hechtet im Training wieder nach dem Ball, er hatte in der Reha rasante Fortschritte gemacht nach seinem Kniescheibenbruch Anfang Oktober. "Man darf jetzt auch nichts überstürzen", mahnt Trainer Jens Keller Geduld an. Doch auch der FC Bayern bricht Freitagnachmittag mit Personalsorgen und Debatten im Gepäck aus Doha auf. Da war der Hilferuf von Trainer Hansi Flick nach Verstärkung und der Rüffel von Sportdirektor Salihamidzic - dazu die Verletztenliste: Neben Niklas Süle und Lucas Hernández fallen auch Kingsley Coman (Knieverletzung), Javi Martínez (Muskelbündelriss) und Serge Gnabry (Achillessehnenprobleme) aus, Robert Lewandowski trainiert nach seiner Leisten-OP in München. "Es sieht schon sehr dünn aus, wenn man sich auf dem Platz umguckt", sagte Leon Goretzka vor dem Rückflug.

Nun wird auch Thiago fehlen, seine Frau erwartet das zweite gemeinsame Kind. Klar, für seine Spieler sei es "etwas Besonderes, gegen Bayern München zu spielen", weiß Keller, doch Rücksicht nimmt er darauf nicht. Nach den ersten harten Trainingseinheiten erwartet er seine Profis nicht im besten Zustand. Die Trainingsplanung sei eben auf den Ligastart am 30. Januar ausgerichtet, wenn der Club auf den Hamburger SV trifft. Auch das erinnert an bessere Zeiten.

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SZ vom 11.01.2020
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