Süddeutsche Zeitung

Testspiel gegen Newcastle:Die Sitzschalen bleiben leer

Ungewöhnlich wenige Fans begleiten den TSV 1860 München zum Testspiel nach Saalfelden - ihre Art des Protests gegen den aus Saudi-Arabien finanzierten Gegner Newcastle United.

Von Christoph Leischwitz

Schon auf dem Parkplatz war klar, dass diesmal etwas fehlte: Nur wenige Autos mit bayerischen Kennzeichen, noch weniger mit Sechzig-Aufklebern waren dort zu sehen, und im Stadion hingen gerade einmal drei Sechzig-Zaunfahnen - im Vergleich zu anderen Spielen des TSV 1860 München grenzte das an eine Geisterspiel-Atmosphäre, selbst wenn man bedenkt, dass es sich um ein Testspiel an einem Freitagnachmittag in Österreich handelte. Es war klar, dass die Partie gegen Newcastle United im Bundesland Salzburg, der letzte Test vor dem Drittliga-Start in einer Woche, entweder von Protesten gegen das Duell mit dem aus Saudi-Arabien finanzierten Gegner begleitet werden würde - oder eben so gut wie gar nicht. Die Anhänger entschieden sich für Letzteres.

"Die Vorbereitung ist abgeschlossen, wir freuen uns jetzt auf Dresden", sagte Trainer Michael Köllner nach dem 0:3 (0:0) mit Blick auf den Saisonstart in einer Woche. Und machte sogleich klar, dass er allein für das Sportliche zuständig ist. "Die Politik hat sich zu solchen Themen zu äußern. Ich spiele morgen ja auch nicht gegen den Bundeskanzler, der hat seine Aufgabe", sagte er. Helfen könne man als Sportler nur, wenn man etwas Verbindendes schaffe, aber nicht durch Anklagen.

Präsident Reisinger hatte die Partie als Fehler bezeichnet

Vorige Woche hatte Geschäftsführer Günther Gorenzel noch darüber nachgedacht, im Rahmen des Spiels ein Statement für Menschenrechte zu setzen. Doch in der idyllischen Saalfelden-Arena herrschte dann doch eher eine "War was?"-Atmosphäre. Keine Regenbogenfarben, kein Niederknien vor dem Anpfiff, auch keine Banner oder Sprüche der mitgereisten Fans. Die größten Probleme hatten die anwesenden Münchner offenbar mit der recht lauten Musikanlage. "Endlich Ruhe", rief einer, als zum Anpfiff die Musik heruntergefahren wurde.

Lange nicht alle Fans, und auch nicht alle Funktionäre, hatten das Testspiel so sportlich genommen wie Köllner. Mit der Übernahme von Newcastle United im vergangenen Jahr ist nun in Saudi-Arabien ein weiterer Staat, in dem nachweislich erhebliche Menschenrechtsverstöße begangen werden, in großem Stil in das sogenannte Sportswashing eingestiegen. Somit stellt sich erneut die Frage, wie weit man bei den PR-Aktionen dieser Staaten im wahrsten Sinne des Wortes mitspielt. Am kommenden Montag trifft Newcastle in Kufstein auf den Bundesligisten FSV Mainz 05. Wie bei 1860 München haben mehrere Fangruppierungen ihren Boykott angekündigt. Im Falle der Sechziger gibt es allerdings einen Unterschied: Präsident Robert Reisinger sprach sich klar gegen dieses Spiel aus und nannte es einen Fehler. In Mainz weist Sportvorstand Christian Heidel nur auf vollendete Tatsachen hin, die man selbst geschaffen hatte: Der Forderung nach einer Spielabsage könne man nicht nachkommen, weil dies ein Vertragsbruch wäre, der erhebliche juristische Folgen nach sich zöge.

Der deutlichste Protest beim Löwen-Spiel gegen Newcastle waren die leeren Ränge: Selbst auf der Haupttribüne blieben Sitzschalen leer. Laut Auskunft aus der Sprecherkabine kamen etwa 900 Zuschauer, 2000 wären möglich gewesen - für die eigentlich sehr reisefreudige Löwen-Anhängerschaft auffällig wenig. Einige Daheimgebliebene beschwerten sich, dass das Thema vom Verein auch in den sozialen Medien stark heruntergefahren worden war. Ein Vereins-Post mit einem Link zu einem Livestream war zuletzt wieder gelöscht worden, offensichtlich, weil ihn viele Fans mit unerwünschten Kommentaren belegt hatten - ein Indiz, dass man auch an der Grünwalder Straße des Themas überdrüssig wurde.

Und nun zum Sport. Der lieferte zunächst auch gute Ablenkung: Der Drittligist erarbeitete sich in der ersten Halbzeit gegen den Tabellenelften der Premier League ein klares Chancenplus und erhielt mehrmals Szenenapplaus, Zugänge wie Fynn Lakenmacher im Angriff und Jesper Verlaat im Abwehrzentrum konnten gegen die sperrigen Magpies ihre Robustheit unter Beweis stellen. In der zweiten Halbzeit setzte sich dann aber der Favorit dank dreier Tore (55., 62., 76.) relativ deutlich durch. Köllner sprach noch lange über die sportlichen Konsequenzen aus der Vorbereitung und über die Saisonziele. Worüber auch sonst.

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