Test gegen Peru:Reus sucht seine Rolle im neuen System

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Wo geht's hin? Marco Reus (l.) und Joachim Löw müssen die beste Position für den Dortmunder finden.

(Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Im Spiel gegen Frankreich musste Marco Reus als falsche Neun auflaufen.
  • Allerdings ist das Modell mit ihm als einzige Sturmspitze eher wenig zukunftsträchtig.
  • Der Dortmunder macht keinen Hehl daraus, dass er lieber auf der Zehn spielt - also auf der Position von Mesut Özil.

Von Sebastian Fischer

Die Rückkehr eines taktischen Trends von gestern in die Gegenwart scheiterte vielleicht nur an ein paar Zentimetern. Mitte der zweiten Halbzeit hatte die deutsche Nationalmannschaft am Donnerstag gegen Frankreich ihre druckvollste Phase, in der 65. Minute spielte sie ihren besten Angriff: Der Münchner Leon Goretzka passte den Ball nach außen zu Matthias Ginter, der Rechtsverteidiger spielte ihn scharf nach innen zu Marco Reus. Und der Dortmunder schoss direkt, technisch anspruchsvoll, ein Schlenzer mit der Innenseite von der Strafraumgrenze. Frankreichs Torhüter Alphonse Areola streckte sich, um den Ball gerade so um den linken Pfosten zu lenken. Wäre das Spiel 1:0 statt 0:0 ausgegangen, und hätte der Torschütze Reus geheißen - wäre dann nicht die sogenannte "falsche Neun" wieder eine mögliche Lösung für das deutsche Problem im Sturm gewesen?

Es ging um eine stabile Defensive im ersten Spiel nach dem WM-Ausscheiden in Russland, so hatte Bundestrainer Joachim Löw das vorgesehen, passend zu seiner selbstkritischen WM-Analyse in der Vorwoche. Sein Plan mit vier Innenverteidigern hinter dem defensiven Mittelfeldspieler Joshua Kimmich funktionierte, das reichte fürs Erste für Zufriedenheit. Im zweiten Spiel nach der WM, an diesem Sonntag gegen Peru, wird es eher um die Offensive gehen. Und langfristig stellen sich dort solche Fragen: Wie wird Mesut Özil ersetzt? Wer spielt im Sturm? Ein echter Mittelstürmer? Und was ist eigentlich die Position von Marco Reus?

Die Nationalspieler sprachen Sätze voller Zuversicht, als sie das Stadion nach dem Spiel gegen Frankreich verließen, auch Reus. Er sagte: "Wir standen sehr gut, sehr kompakt." Doch so richtig begeistert klang er nicht, und er beeilte sich anzufügen, dass es auch darum gehe, in Zukunft grundsätzlich besser nach vorne zu spielen. Als er, der offensive Mittelfeldspieler und Flügelangreifer, nach seiner Rolle gefragt wurde, als vorderster Stürmer in einem 4-1-4-1-System, sagte er zögerlich: "Für mich persönlich, ja, war's okay."

Wenn der Bundestrainer in diesen Tagen über den vermeintlichen personellen Umbruch spricht, den so mancher Kritiker gefordert hatte, dann erwähnt er gerne die Wichtigkeit seiner Achse aus erfahrenen Spielern. Er erwähnt dann den Torwart Manuel Neuer, 32, Verteidiger Mats Hummels, 29, Mittelfeldspieler Toni Kroos, 28, oder Angreifer Thomas Müller, 28. Reus, 29, gehört zur gleichen Spielergeneration. Und wenn man aufzählen wollte, in welchen Kategorien der Dortmunder seinen Kollegen nachsteht, wäre man nach der Erwähnung, dass er den WM-Titel 2014 verletzt verpasste, schnell am Ende angelangt. Doch sein Name fällt nicht auf Anhieb, wenn von der Achse die Rede ist. Als Löw nach einem Ersatz für den zurückgetretenen Özil im zentralen offensiven Mittelfeld gefragt wurde, da sagte er, dass es den Spielmacher in modernen Systemen ja ohnehin nicht mehr gebe. Reus sagte auf die Frage zur Özil-Nachfolge: "Ich mach' keinen Hehl daraus, dass ich gerne auf der Zehn spiele."

Reus kann eine herausragende Rolle spielen

Gegen Frankreich spielten dann im Mittelfeld vor Kimmich die Achter Kroos und Goretzka. Reus spielte im Sturm zwischen den über die Flügel angreifenden Müller und Timo Werner. Er war der offensivste Spieler, ohne dabei so richtig im Strafraum zu stürmen, eine Art falsche Neun also, die Variante aus vergangenen Hochzeiten des Ballbesitzfußballs. Reus hatte weniger Ballkontakte als Torwart Neuer.

Reus' Karriere sollte ja eigentlich in diesem Sommer auch im Nationaltrikot zu der außerordentlichen werden, die sie im Vereinsfußball längst ist, in Dortmund ist er seit dieser Saison Kapitän. Nachdem er zwei Turniere in Serie verletzt verpasst hatte, nach der WM 2014 auch die EM 2016, stand er in Russland erstmals in seinem Leben bei einer WM auf dem Platz. "Es war natürlich frustrierend, gerade in den ersten Tagen und Wochen nach dem Ausscheiden war eine ungeheure Leere da", sagte er nun im Interview dem Redaktions-Netzwerk Deutschland. Und nach der Leere kommt die Rollensuche.

Nun ist es freilich sehr wahrscheinlich, dass Reus eine herausragende Rolle spielen kann, seine Fähigkeiten sind unbestritten. Doch für einen Mittelstürmer fehlen ihm Physis und die konsequente Abschlussstärke, vor allem wirken seine Talente im Strafraum verschenkt. Auf den Außen in einem 4-1-4-1 allerdings ist wohl eher Müller einer der Gesetzten, auch wenn er selbst lieber zentral spielt. Und die Schnelligkeit des Leipzigers Werner kommt auf dem Flügel scheinbar besser zur Geltung als in der Mitte, das war auch in Russland so. Bliebe neben der Neun noch die Position neben Kroos, die gegen Frankreich Goretzka einnahm.

Gegen Peru wird die Nationalelf ohnehin ganz anders aussehen, Mats Hummels ist angeschlagen und wird nicht spielen, der gegen Frankreich eingewechselte Leroy Sané ist Vater geworden und abgereist. Löw hat angekündigt, dass der Leverkusener Julian Brandt in der Offensive zum Einsatz kommen wird, genauso wie erstmals Nico Schulz als Linksverteidiger. Den wichtigsten Unterschied aus seiner Sicht hat Marco Reus schon genannt: "Vielleicht werden wir wieder ein bisschen mehr Ballbesitz haben." Auch er selbst, sollte er zum Einsatz kommen.

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