Fußball: Terror in Genua:Nah dran an der Katastrophe

Italiens Innenminister verteidigt das Vorgehen seiner Polizisten gegen die serbischen Hooligans - und vergleicht die Situation sogar mit der Katastrophe im Brüsseler Heysel-Stadion von 1985.

Birgit Schönau

Italiens Innenminister Roberto Maroni hat nach dem Abbruch des Länderspiels zwischen Italien und Serbien am Dienstagabend in Genua die Arbeit der Polizei verteidigt. "Uns hat in Genua eine Katastrophe wie im Brüsseler Heysel-Stadion gedroht", sagte Maroni der Gazzetta dello Sport. In Brüssel waren am 29. Mai 1985 bei einer Massenpanik vor dem Europapokal-Endspiel zwischen dem FC Liverpool und Juventus Turin 39 Menschen ums Leben gekommen. Der "professionelle Einsatz" der italienischen Ordnungskräfte habe in Genua ein ähnliches Desaster verhindert, erklärte der Innenminister. Kritik an der Polizei sei deshalb "absolut lächerlich".

Randale bei EM-Qualifikationsspiel Italien - Serbien

"Irgendjemand hat das brennende Ding dann rausgeworfen" - bei den Krawallen in Genua stand eine echte Katastrophe offenbar nur kurz bevor.

(Foto: dpa)

Die europäische Fußball-Union Uefa ermittelt noch zu den Ereignissen von Genua. Welche sportlichen Konsequenzen der Abbruch haben soll, wird am 28. Oktober entschieden. Es ist davon auszugehen, dass die Partie als 0:3-Niederlage für Serbien gewertet wird. Dem Land droht womöglich sogar der Ausschluss aus der EM-Qualifikation.

Neven Subotic erhebt Vorwürfe

Aber auch der Gastgeber Italien könnte noch mit Sanktionen belegt werden, sollte sich herausstellen, dass die Polizei Spieler und Zuschauer in Genua nicht ausreichend geschützt hat.

Der Serbe Neven Subotic, als Profi für Dortmund in der Bundesliga aktiv, erhob in einem Interview mit der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung schwere Vorwürfe gegen die Italiener. Subotic erzählte, wie eine Handvoll Hooligans aus Serbien in den Mannschaftsbus ihrer Landsleute gestiegen seien und die Nationalspieler bedroht hätten. Schließlich hätten die Anhänger ein bengalisches Feuer entfacht. "Die italienischen Polizisten standen draußen und haben uns demonstrativ den Rücken zugewendet. Irgendjemand hat das brennende Ding dann rausgeworfen", sagte Subotic.

Ministerpräsident Boris Tadic entschuldigte sich in einem Anruf bei seinem italienischen Kollegen Silvio Berlusconi zwar offiziell für die Vorkommnisse. Aber auch in Serbien wurde Kritik an den italienischen Ordnungskräften laut. Auf Unverständnis stieß insbesondere die Entscheidung der Italiener, die Serben quasi ohne Kontrollen ins Stadion zu lassen, obwohl es schon vor der Arena Randale gegeben hatte. Italiens Innenminister Maroni verteidigte seine Polizei mit dem Hinweis, man habe auf die sonst übliche Leibesvisitation verzichtet, "weil es sonst angesichts des Gedränges vor dem Eingang zu einem Blutbad hätte kommen können".

Man habe die mit Stöcken und Feuerwerkskörpern bewaffneten Serben in der Überzeugung eingelassen, sie im Stadion besser kontrollieren zu können. Tatsächlich kesselte die italienische Polizei die Hooligans dort ein und konnte Übergriffe auf andere Tribünen verhindern. In der Nacht wurden 17 Serben festgenommen, darunter ihr Rädelsführer Ivan Bogdanov. Für ihn regte Maroni, selbst Politiker der rechtspopulistischen Lega Nord, eine Anklage wegen "versuchten Massenmords" an.

19 Radikale verhaftet

Am Donnerstag wurden weitere 19 mutmaßliche Radikale in Serbien verhaftet. Sie waren auf dem Heimweg aus Genua, unterwegs in Bussen über Ungarn und Kroatien. Außerdem kündigte die Führung des serbischen Fußballverbands FSS für Freitag ein Krisentreffen an; es soll über Konsequenzen aus den Vorfällen diskutiert werden. Serbiens Oberster Verteidigungsrat, der von Präsident Tadic geleitet wird, warf "Hooligans und anderen extremistischen Organisationen" vor, die Sicherheit des Staates gezielt unterlaufen zu wollen.

Die italienische Polizei besteht darauf, zu spät über die bevorstehende Gefahr durch Hooligans informiert worden zu sein. Noch 36 Stunden vor dem Spiel habe ein Fernschreiben aus Belgrad lediglich über die Anreise von 100 Fans informiert. Erst am Dienstagvormittag sei ein weiteres Telex eingetroffen - mit dem Hinweis auf 1300 Fans. Die meisten kamen über Österreich, um strenge Grenzkontrollen zu umgehen.

Die Aufräumarbeiten beginnen

Zu diesem Zeitpunkt sei es aber für eine Abriegelung der Zufahrtsstraßen nach Genua schon zu spät gewesen. Deshalb die Anweisung, den serbischen Anhang möglichst schnell auf der mit Stahlnetz und Plexiglas gesicherten Tribüne im Stadion zu "konzentrieren".

In Genua hat unterdessen das Aufräumen begonnen. Bürgermeisterin Marta Vincenzi bezifferte den Sachschaden auf 80000 Euro und sagte: "400 als Fußballfans verkleidete Kriminelle haben unsere Stadt verwüstet, jemand wird dafür zahlen müssen."Birgit Schönau

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