Tennisspielerin Andrea Petkovic:Freigeist und Disziplin-Tier

Fed Cup - Deutschland - Australien

Zurück im großen Geschäft: Andrea Petkovic

(Foto: dpa)

Andrea Petkovic ist wieder in den Top Ten, obwohl sie so viele Mängel in ihrem Spiel aufweist. Ein neuer Trainer soll die 27-Jährige nun besser machen - und ihre zerrissene Seele einen.

Von Matthias Schmid

Der Spielerinnenorganisation WTA entgeht eigentlich nichts. Die Mitarbeiter listen in den Kurzbiografien ihrer Protagonistinnen auch die Berufe der Geschwister auf oder die Hobbies des Physiotherapeuten. Doch im Fall von Andrea Petkovic sind sie nicht auf dem neuesten Stand. "Currently without a coach" steht da gleich im ersten Satz. Dabei ist Deutschlands beste Tennisspielerin nach Indian Wells, wo in dieser Woche in der kalifornischen Wüste ein bedeutendes Turner ansteht, mit einem Trainer angereist. Es ist vermutlich keine Dauerlösung, aber ein Mann für gewisse Stunden ist Dirk Dier trotzdem. Der Assistent von Fed-Cup-Chefin Barbara Rittner, der seit kurzem auch bei den Männern den neuen Bundestrainer Michael Kohlmann in dieser Funktion unterstützt, wird ihren Vater Zoran entlasten und in den nächsten Wochen bei den Turnieren als Tourtrainer begleiten.

"Dirk und Andrea kennen sich schon lange und verstehen sich gut", erzählt Rittner: "Sie fühlt sich wohl bei ihm." Alle Beteiligten sind selbst gespannt, wohin die Zusammenarbeit führen wird. Aber eines steht schon fest: "Ich gebe Dirk bestimmt nicht ganz her", sagt Rittner. Sie will auf ihren Assistenten nicht verzichten.

Ganz unproblematisch ist die Annäherung zwischen Petkovic und Dier seit dem Turnier in Doha tatsächlich nicht. Es könnte durchaus zu Interessenskonflikten kommen; denn Dier vertritt ja eigentlich die gesamte Frauen-Nationalmannschaft, nicht allein Petkovic. Doch die übrigen deutschen Spielerinnen hatten nichts dagegen einzuwenden, als Rittner ihnen mitteilte, dass sich der frühere Profi nun intensiver um Petkovic kümmern wird. Die Aussicht, eine Top-Ten-Spielerin zu trainieren, war für den gebürtigen Saarländer zu verlockend.

Vor drei Wochen erst war Petkovic wieder unter die besten zehn Spielerinnen der Welt zurückgekehrt - dreieinhalb Jahre nach ihrer letzten Platzierung dort. "Ich habe lange mit Verletzungen gekämpft und selbst nicht mehr daran geglaubt, dass ich es schaffen kann", sagt Petkovic. Das ist natürlich ein wenig geschwindelt.

Spitzensportler hadern mit sich und ihrer Situation, sie grübeln, sie probieren viel und stellen fast alles in Frage. Vor allem jemand wie Petkovic, die Perfektionistin, die plötzlich bis auf Rang 192 in der Weltrangliste abgestürzt war. Doch als sie nach einer langen Leidenszeit mit Rückenproblemen, Knöchelbruch und Innenbandriss im vergangenen Jahr auf wundersame Weise das Halbfinale bei den French Open in Paris erreichte, "waren die Top Ten natürlich wieder ihr Ziel", sagt Rittner.

Rittner sorgt sich um Petkovic

Seit ihrem Turniersieg in Antwerpen Mitte Februar führt sie der Computer nun wieder als Zehnte. Der Wettbewerb in Belgien bildete ihre Karriere in Zeitraffer nach. Das ständige Auf und Ab, ihre Leidenschaft, ihr großes Kämpferherz, ihr Wille, niemals aufzugeben. Im ersten Match musste Petkovic gegen Alison Van Uytvanck, eine Spielerin außerhalb der Top 100, acht Machtbälle abwehren. Petkovic war direkt aus Stuttgart angereist, vom Fed-Cup-Wochenende gegen Australien. Mit zwei Einzelsiegen hatte sie großen Anteil daran, dass die deutsche Mannschaft wieder im Halbfinale steht.

Doch nach einem solch intensiven Wochenende begleitet Rittner immer die Sorge um die Gesundheit von Petkovic. "Kann ihr Körper die Strapazen aushalten?", fragt sich nicht nur die Team-Chefin. Die gebürtige Serbin spielt aufwändiges Tennis, mit viel Kraft und wenig Eleganz. Sie lebt von ihrer Physis, von der Härte in ihren Grundschlägen. Bei Petkovic besteht stets die Gefahr, dass sie sich zu viel zumutet, zu viel trainiert, zu viel Druck auferlegt. "Sie kann alles nur 100 Prozent machen", sagt Rittner.

"Ich habe eine zerrissene Seele"

Diese Verbissenheit, diese Schonungslosigkeit zu sich selbst steht Petkovic häufig im Weg. Diese Widersprüchlichkeit ihrer Persönlichkeit, die sie selbst nicht durchschauen kann. Auf der einen Seite liebt sie die Kunst, Literatur, Philosophie, sie ist ein Freigeist und umgibt sich mit Künstlern, die gerne Regeln brechen. Anderseits ist sie dieses "Disziplin-Tier", wie sich selber nennt, das alles in Form pressen muss und nicht nach links und rechts schaut. "Dass ich diese beiden Seiten nicht vereinen kann, ist der rote Faden in meinem Leben, der mich immer wieder entzweit", sagte sie im Interview mit der Frankfurter Allgemeine Zeitung, "ich habe eine zerrissene Seele".

Barbara Rittner versucht schon seit Jahren auf sie einzuwirken, ihr klar zu machen, dass sie das Tennisleben lockerer sehen soll, entspannter. "Aber das ist mir leider noch nicht gelungen", sagt sie. Das Erstaunliche bei Andrea Petkovic ist ja, dass ihr Spiel noch so viele Mängel aufweist, sie noch Tausend Möglichkeiten hat, ihr Spiel auf eine höhere Ebene zu heben. Fast alles kann sie noch verbessern, das Winkelspiel, den Rückhandslice, den Flugball und den Aufschlag.

Eine bessere Spielerin seit sie mit van Harpen trainiert hat

In diesem Jahr lebt sie noch mehr von ihrem Kampfgeist als von ihrer Raffinesse. Im vergangen Jahr war das anders. Ihr ehemaliger Trainer Eric van Harpen hatte aus ihr eine bessere Tennisspielerin gemacht, die auch mal variierte. Mal langsam spielte, mal mit Köpfchen und weniger Hauruck. Doch menschlich hatte es zwischen ihr und dem Niederländer nicht gepasst - weshalb sie sich auch trennten.

"Auf Sand wird das Spielerische wieder zurückkommen", ist Rittner überzeugt. Auch Dirk Dier werde ihr dabei helfen. Nach Indian Wells wird Andrea Petkovic weiterreisen nach Miami. Dort wird sie dann auch auf ihren Vater treffen. Auch ihr neuer Hittingpartner Boris Conkic ist dabei. "Er und Dirk ergänzen sich super", findet Petkovic. Ihr Papa will sich davon selber überzeugen.

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