Tennisspielerin Andrea Petkovic:Endlich ein bisschen erwachsen

2013 Sony Open Tennis - Day 4

Zurück auf dem Platz - und schon wieder nur für kurze Zeit: Andrea Petkovic beim Turnier in Key Biscane.

(Foto: AFP)

Sie wird das Pech nicht los: Andrea Petkovic hat beim Tennisturnier in Charleston auf das Match gegen die ehemalige Weltranglisten-Erste Caroline Wozniacki verzichtet - wegen Schmerzen in der Wade. Die Entscheidung zeigt aber, dass "Petko" bei ihrem vierten Comeback reifer und vernünftiger geworden ist. Zumindest auf dem Platz.

Von Matthias Huber

Es wäre eine ganz wichtige Kraftprobe gewesen: Zwei Mal hatte Andrea Petkovic beim WTA-Turnier in Charleston bereits gewonnen. Die 16-jährige Wildcard-Starterin Taylor Townsend hatte sie in Runde eins mit 6:3 und 6:0 vom Platz geschickt, gegen die US-amerikanische Doppel-Spezialistin Vania King war der Sieg zwar harte Arbeit, aber letztlich kaum gefährdet.

Caroline Wozniacki wäre die nächste gewesen. Die ehemalige Weltranglisten-Erste, die viele Monate an der Spitze stand, ohne einen einzigen Grand-Slam-Titel geholt zu haben. Es wäre wohl ein hartes Match geworden, gegen eine Gegnerin, die keine schnellen Punkte zulässt, sondern stets lange Ballwechsel herausfordert. Und eine Standortbestimmung für die Deutsche in ihrem erst achten Match nach monatelanger Verletzungspause.

Wäre. Denn Petkovic hat sich für einen Schritt entscheiden, den man von ihr bisher nicht kennt: Sie hört auf ihren Körper. Ihre rechte Wade schmerze seit einigen Tagen, verkündet sie via Twitter, und auf Grund ihrer Erfahrung mit Verletzungen möchte sie lieber vorsichtig sein. "Ich hoffe wirklich, dass es nur ein paar Tage dauert, bis es mir besser geht."

Ein paar Tage nur, so viel Glück hatte die Vorreiterin des deutschen Booms im Damentennis in den vergangenen Jahren selten. Da war zunächst der Kreuzbandriss 2008, gefolgt von einer achtmonatigen Pause. Karrierebildend, wie sie heute sagt. Denn in dieser Zeit habe sie die bewusste Entscheidung getroffen, sich ganz auf Tennis zu konzentrieren - auch wenn das im Fall der Darmstädterin hieß, dass sie nebenher im Fernstudium Politikwissenschaft studierte.

Bis zur Weltspitze - und zur großen Dummheit

In den Jahren danach arbeitete sich die mittlerweile 25-Jährige kontinuierlich die Weltrangliste hinauf, etablierte sich in den Top 50, in den Top 30, Ende 2011 gar auf Position 9. In diesem Jahr war sie mit drei Viertelfinalteilnahmen die konstanteste Grand-Slam-Spielerin der Damen-Tour, wo es ohnehin deutlich mehr Auf und Abs gibt als bei den Herren. Ihr Spiel war oft einfach ein bisschen klüger als das ihrer Gegnerin. Bis ihr die große Dummheit passierte.

Schmerzen im Rücken und unbändiger Ehrgeiz, die Chance, beim Finale der besten acht Spielerinnen des Jahres dabei zu sein. Petkovic entschied sich für die sportliche Herausforderung, ließ sich die Schmerzen wegspritzen und -massieren, und stand - im Finale des 4,5-Millionen-Dollar-Turniers gegen die Polin Agnieszka Radwanska - sogar unter sichtbaren Qualen noch auf dem Platz. Bis zur Diagnose beim Turnier in Sydney im Januar 2012: ein komplizierter und seltener Ermüdungsbruch des Iliosakralgelenks im unteren Rücken. Drei Monate Pause.

Das zweite Comeback endete dann, bevor es überhaupt richtig begonnen hatte. Erst fing sich Petkovic ein glatte Niederlage im Fed Cup gegen die Australierin Samantha Stosur ein. Danach begann das Turnier in Stuttgart: Nach einem leichten Sieg gegen Kristina Barrois traf sie im Achtelfinale auf Victoria Azarenka, die damalige Weltranglisten-Erste.

Tennisspielerin Andrea Petkovic: Andrea Petkovic im April 2012 - mit doppeltem Bänderriss in der Stuttgarter Tennishalle.

Andrea Petkovic im April 2012 - mit doppeltem Bänderriss in der Stuttgarter Tennishalle.

(Foto: AFP)

Ein Ausfallschritt, der Fuß knickt zur Seite, Schrecken, Liegenbleiben, Tränen. Doppelter Bänderriss. Wieder Pause. Kein Match bis August, Verzicht auf French Open, Wimbledon, Olympia. Dann: Comeback Nummer drei. Mehrere Erst- und Zweitrundenniederlagen. Fehlendes Selbstvertrauen. Im Dezember 2012 nahm sie am Hopman Cup in Perth teil - und zog sich schon wieder eine Verletzung zu. Die Diagnose diesmal: Innenmeniskus gerissen. Wieder zahlreiche Wochen Pause.

Inspiration für die bevorstehende Ochsentour

Jetzt also bereits das vierte Comeback nach langer Pause. In der Weltrangliste war sie gerade noch so in den Top 200, mittlerweile steht sie immerhin wieder auf Position 139. Petkovic muss Qualifikationen spielen, sobald ihr die Wildcards für die größeren Turniere ausgehen. Ein "Protected Ranking", also die Möglichkeit, für die Turniermeldung auf die Weltranglistenposition vor ihrer Verletzung zurückzugreifen, gibt es für sie nicht. Dieses Privileg hat sie bereits beim letzten Comeback-Versuch aufgebraucht.

Für Petkovic beginnt also das, was Profis gerne "Ochsentour" nennen: Anstrengende, lange Turnierwochen unter gewaltigem Erfolgsdruck. Umso wichtiger, dass sie sich auf ihren Körper verlassen kann. Und auf ihn hört. "All good petko", lobte Bundestrainerin Barbara Rittner via Twitter die Entscheidung, nicht gegen Wozniacki anzutreten. Damals, als Petko unter Schmerzen einfach weiterspielte, hätte Rittner am liebsten selbst für ihren Schützling das Handtuch geworfen.

Petkovic sei "erwachsen geworden" in diesem schweren Jahr, sagt sie über sich selbst. Und ein bisschen hat bestimmt auch Inspiration von außen geholfen: Tommy Haas, der ihr in Sachen Karrierepech immer noch einiges voraus hat, macht gerade vor, wie es geht. Und zuletzt trainierte sie mit ihrem Idol, Steffi Graf, deren Ehemann Andre Agassi erst in den späten Jahren seiner Profilaufbahn lernte, mit seiner Verletzungsanfälligkeit umzugehen.

Ist Andrea Petkovic also erwachsen und vernünftig geworden? Es scheint so. Ihre kindliche Freude auf und vor allem neben dem Platz behält sie jedoch hoffentlich bei. Der Petko-Dance, das Ergebnis einer Wette mit ihrem Trainer, wurde als ihre typische Siegerpose zum weltweiten Markenzeichen, später dann abgelöst von anderen ulkigen Gesten. Falls Petko in ihren Matches tatsächlich ein wenig ernster würde, dann gibt es ja immer noch Twitter: "Liebes Deutschland, ich komme morgen heim. Wenn es bis dahin nicht aufgehört hat kalt zu sein - dann gibt's auf die Fresse! Danke."

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