Tennisprofi Dominic Thiem:Die große Sehnsucht nach dem neuen Muster

Suisse Open tennis tournament in Gstaad

Begeistert seine österreichischen Landsleute: Dominic Thiem

(Foto: dpa)

Dominic Thiem ist mit drei Turniersiegen der beste unter den besten Nachwuchsspielern auf der Tour. Vor allem im sportbegeisterten Österreich lechzen sie nach einem neuen Helden.

Von Gerald Kleffmann, Kitzbühel

Alex Antonitsch zögert nicht, "ich bin sofort da", ruft er in den Hörer. Fünf Minuten später erzählt er leidenschaftlich, warum diese Veranstaltung, die er zum fünften Mal als Turnierdirektor verantwortet, bei den Zuschauern, vor allem aber bei den Spielern so beliebt sei. Antonitsch, selbst Profi in den Neunzigern, zählt zur Spezies der Wünsche-von-den-Lippen-Ableser: "Wenn einer eine Abschlagzeit zum Golfen braucht, kriegt er sie", sagt der 49-Jährige, "der Seppi brauchte vier Zimmer, der Fognini kam gleich mit halb Italien", alles kein Problem.

Wie auch beim "Domi", bei Dominic Thiem, dem Aufsteiger aus der Wiener Neustadt, der "total easy" sei. Nur trainieren wolle er, und wegen der Unterkunft sei alles eingespielt, "der muss nur rüberlaufen von der Tenne". Denn, so Antonitsch, "der Hoteldirektor dort erfüllt ihm alles", gerade in diesen Tagen erhält Thiem die größte Aufmerksamkeit.

Oft ist derzeit von den jungen Wilden im Tennis die Rede, zu denen Typen wie der Proll Nick Kyrgios, 20, oder der Kämpfer Borna Coric, 18, zählen. Der Australier Kyrgios wird auf Platz 38 der Welt geführt, der Kroate auf 33 - Thiem jedoch sticht beide inzwischen aus. Auf Rang 21 steht er seit Montag, er hat in dieser Saison drei ATP-Turniere gewonnen, in Nizza sowie jüngst in Umag/Kroatien und Gstaad/Schweiz. Kleinere Veranstaltungen waren das, 250 Weltranglisten-Punkte kassierte er jeweils, aber diese addieren sich auch.

Beim Alpenklassiker in Kitzbühel, wo in Sichtweite des Hahnenkamms schon Arthur Ashe, Guillermo Vilas, Pete Sampras oder Jim Courier aufschlugen, steht Thiem erstmals in einem Feld als der topgesetzte Profi. "Wenn er hier noch am Wochenende dabei ist, steppt der Bär", sagt Antonitsch. Am Montag wurde schon der erste Rekord vermeldet: Mehr als 5000 Besucher kamen in den Sportpark. Dabei hat Thiem nicht mal trainiert auf der Anlage, er bevorzugt dafür einen ruhigeren Platz in einem Nachbarort. Er erschien kurz in der Menge, ehe er zur Pressekonferenz bat.

Diese war eigens vorgezogen worden, weil der Andrang so groß war, acht Fernsehteams, darunter der englischsprachige Tennis Channel, reihten sich nach der versammelten österreichischen Presse zum Verhör ein. Einen "Mega-Applaus" forderte der engagierte Pressekonferenzleiter zunächst ein, der prompt folgte - so ist das manchmal in Österreich, wo erfolgreiche Sportler auf Schultern durchs Land getragen werden. Und wenn man bedenkt, dass der Malocher Thomas Muster 1993 als vorerst letzter Einheimischer in Kitzbühel siegte, ahnt man, wie groß die Sehnsucht und auch, klar, die Last für Thiem ist.

Theater mit dem Verband: es ging ums Geld

Grundsätzlich sei der 21-Jährige "wahnsinnig nett", findet Antonitsch, was klingt wie: zu nett fürs Tennisgewerbe. Tatsächlich hatte sich das Talent, dessen Weg vorgezeichnet war, oft genug einiges zu Herzen genommen. Ab und an hat er mit seinem Selbstvertrauen zu kämpfen, normal sicherlich für einen jungen Mann.

Erst vor zwei Wochen kassierte er im Davis Cup gegen die Niederlande zwei bittere Einzel-Niederlagen, viel Theater war seinem Start vorausgegangen, es ging um Fördergelder, die er vom österreichischen Verband eingefordert hatte. "Es kotzt mich alles so an", so hatte er sich Mitte Juli vom Austragungsort Kitzbühel verabschiedet, den er selbst präferiert hatte. Getröstet hat er sich dann mit den Triumphen in Umag und Gstaad. So kehrt Thiem an diesem Mittwoch zum Erstrundenmatch als Favorit zurück, und Antonitsch stellt fest: "Die Großen erkennt man daran, ob sie schnell aufstehen."

Manchmal will er noch zu schnell zu viel

Geerdet, zielstrebig, ehrgeizig - das sind Eigenschaften, die Thiem zugesprochen werden. Das Talent kommt aus dem eigenen Haus, die Eltern Karin und Wolfgang sind Tennislehrer. Und Günter Bresnik, ein Trainer, der seit Jahrzehnten im Hintergrund Fachwissen vermittelt, hat "quasi seinen eigenen Spieler von klein auf modelliert", sagt Antonitsch. Bis Thiem zwölf war, habe der in seiner Altersklasse viele Siege errungen, dann stockte die Entwicklung. Bresnik verordnete Thiem, die Rückhand nicht mehr beidhändig, sondern einhändig zu spielen.

Aus der Davis-Cup-Pleite hat Thiem verblüffend schnell gelernt

Heute ist die Rückhand sein Markenzeichen: eine Kanone. In Thiem spiegelt sich überhaupt viel von der Arbeit Bresniks, der auch mal Boris Becker coachte - er hat seinem Zögling stets zu einer aggressiveren Spielweise geraten. Manchmal jedoch geht die Lust an der Attacke auch durch mit Thiem. Im Davis Cup, als er besonders im Fokus stand, wollte er zu schnell zu viel, aber er hat gelernt. Bei seinen Turniersiegen bewies er mehr Sicherheit, mehr Geduld von der Grundlinie, auch konnte er seine ersten Aufschläge zwar mit weniger Geschwindigkeit, dafür aber öfter im Feld platzieren. Auf Profiniveau ergeben solche Varianten oft den Unterschied. Von "Percentage"- Werten sprechen dann die Spieler, wie Thiem jetzt auch.

Wie hindernisreich ein Weg selbst für einen Gefeierten sein kann, weiß Thiem bereits. Er musste ins Bundesheer einrücken, war oft krank, dazu kamen negative Schlagzeilen wie jene vom Davis Cup. Vergleichsweise eine Petitesse ist die Debatte um seine neue Haarfarbe, ein furchterregendes Blond, das sogar seine Mutter monierte. Natürlich weiß Thiem, dass die Nadals und Djokovic' mit ihren Siegen in Paris oder Wimbledon "schon noch eine andere Liga" sind.

Aber für ihn hat Kitzbühel noch den besonderen Reiz: "Es ist hier so viel passiert", erinnert er sich, "der erste Sieg als Profi 2010, das erste Mal im Hauptwettbewerb, das erste Viertelfinale, das erste Finale, jetzt zum ersten Mal an Eins gesetzt."

Bresnik, der selten Erwartungen schürt, wagt in den Tiroler Alpen sogar eine Prognose: "Gewinnt Dominic auch Kitzbühel, dann ist er ein Versprechen für etwas ganz Großes."

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