Tennisbund wählt neuen Präsidenten:Michael Stich stellt Bedingungen

Der deutsche Tennisbund steuert auf einen Machtwechsel zu: Präsident Georg von Waldenfels will Ex-Profi Michael Stich als Nachfolger, doch der kandidiert wohl nur, wenn all seine Wünsche erfüllt werden. Somit bleibt ein Investmentbanker Favorit für das Amt.

Michael Neudecker

Ulrich Lange sagt, nein: er betont, er wolle keine schmutzige Wäsche waschen, gleich mehrmals sagt er das. "Aber", er macht eine kurze Pause, "ich bedaure sehr, dass man eine demokratische Mehrheit nicht akzeptieren kann." Bei der letzten Wahl übrigens, auch das betont er, "haben wir auch schon gegen ihn gestimmt". Und was die Sache mit Michael Stich angeht: "Das halte ich für unmoralisch."

Michael Stich

Er schweigt beharrlich: Der frühere Tennisprofi Michael Stich ist als Präsident des Deutschen Tennisbundes im Gespräch.

(Foto: dpa)

Ulrich Lange ist der Präsident des Württembergischen Tennisverbandes, mit rund 180.000 Mitgliedern der zweitgrößte Landesverband im Deutschen Tennis-Bund (DTB); Lange ist also, wenn man so will, einer der mächtigeren Männer im größten Tennisverband der Welt. Wenn Ulrich Lange "man" sagt oder "ihn", dann meint er: Georg von Waldenfels, den DTB-Präsidenten. Er hat keine Bedenken, sich so deutlich auszudrücken, Lange ist sicher, dass Georg von Waldenfels nur noch ein paar Tage Präsident ist. "Für mich", sagt er, "ist der Fall erledigt."

Am Samstag wählt der DTB in Berlin sein neues Präsidium, und selten in den vergangenen Jahrzehnten hat der Verband, mit 1,6 Millionen Mitgliedern der drittgrößte Sportverband Deutschlands, einen derart aufsehenerregenden Wahlkampf erlebt. Der frühere bayerische Finanzminister Waldenfels, seit 1999 DTB-Präsident, wollte ursprünglich nicht mehr kandidieren, er wollte aufhören, er ist gerade 67 geworden.

Dann aber wurde bekannt, dass der Investmentbanker Karl Georg Altenburg, Deutschlandchef von JP Morgan, für das Amt kandidieren wird, und da, sagt Waldenfels, sei er "von verschiedenen Seiten" gebeten worden, weiterzumachen. Doch es sieht schlecht aus für ihn: Sieben der 18 Landesverbände haben sich klar - die meisten mit Präsidiumsbeschlüssen - für Altenburg ausgesprochen, zusammen hätten sie 66 Stimmen. Für Waldenfels blieben 45 Stimmen, es reicht eine einfache Mehrheit.

Ulrich Langes Verband ist einer der sieben Altenburg-Befürworter, er sagt: "Sieben Verbände wollen einen Neuanfang, das ist doch eine ganz einfache Geschichte." Doch ganz so einfach ist sie nicht: Intern tobt ein Machtkampf, der den DTB nachhaltig zu spalten droht.

Die Konzepte der beiden Kandidaten sind konträr: Waldenfels setzt auf Kontinuität und das Ehrenamt, Altenburg will den DTB modernisieren und im Wesentlichen von einem hauptamtlichen Geschäftsführer leiten lassen. Zu Waldenfels' Unterstützern zählt sein Heimatverband Bayern (BTV), dessen Präsident er 15 Jahre war - mit 330.000 Mitgliedern der mit Abstand größte Landesverband, zudem der reichste und damit mächtigste.

BTV rebelliert gegen Altenburg

Nach aktuellem Wahlrecht kommt der BTV allein auf 22 Stimmen, sein Präsident Helmut Schmidbauer macht keinen Hehl daraus, von Altenburgs Konzept wenig bis gar nichts zu halten. Wie viel Konfliktpotential in einem Präsidium liegt, das ohne die Unterstützung des größten Mitgliedsverbandes regiert: Das ist eine der spannenden Fragen, die sich nach der Wahl stellen werden.

Schmidbauer jedenfalls hat, zusammen mit anderen, in den vergangenen Tagen unzählige Gespräche geführt, um seine Kollegen der anderen Verbände von einer neuen Idee zu überzeugen: Nicht Waldenfels oder Altenburg sollten Präsident werden, sondern der frühere Tennisprofi und Wimbledonsieger Michael Stich.

Stich selbst lässt auch am Dienstag über seine Pressesprecherin ausrichten, dass er sich zu dem Thema nicht äußern wolle. Intern aber habe er seine Position deutlich gemacht, wie Schmidbauer im Gespräch mit der SZ sagt: "Er würde nur kandidieren, wenn alle Landesverbände hinter ihm stehen, und wenn sowohl Waldenfels als auch Altenburg verzichten."

Waldenfels würde zugunsten Stichs sofort zurückziehen - für Altenburg kommt das nicht in Frage. Außerdem: Alle Landesverbände auf eine Linie zu bringen, das, sagt Schmidbauer, sei schwierig: "Ich habe keine Hoffnung mehr, dass das noch klappt." Die Sache mit Stich, sagt er, "kommt ein bisschen zu spät".

Und doch sorgt die Personalie weiterhin für Diskussionen. Manch einer fühlte sich überrumpelt. "14 Tage vor der Wahl da einfach so einen Kandidaten aus dem Hut zu zaubern", sagt Ulrich Lange, das seien doch "verzweifelte Versuche". Stich war Waldenfels' große Hoffnung, den DTB nicht an Altenburg übergeben zu müssen, ihn nun kurzfristig in sein Schattenkabinett aufzunehmen, etwa als Vizepräsident, das komme jedoch nicht in Frage, sagt Waldenfels: "Ich sehe ihn weniger als Vizepräsidenten in meinem Team, sondern als neuen Präsidenten." Zumal: "Ein Neuanfang mit einem Präsidenten Stich wäre glaubwürdiger."

Waldenfels' letzte, wenn auch geringe Chance liegt nun auf einem Antrag, den neun der kleineren Verbände einbringen und der der SZ vorliegt: eine Änderung des Wahlrechts, dokumentiert in §17 der Satzung. Bislang wurden die Stimmen nach Größe der Verbände vergeben, wodurch die ungleiche Stimmenverteilung zustandekommt, nach dem Antrag aber soll jeder Verband fünf Grundstimmen erhalten plus weitere Stimmen, die sich aus der Mitgliederzahl errechnen.

Zudem soll, um gewählt zu werden, das Ja von mindestens acht Verbänden nötig sein - und damit einem mehr, als bislang für Altenburg stimmen. Um den Antrag durchzubringen, wäre eine Zwei-Drittel-Mehrheit nötig, sollte das gelingen, könnte sofort nach neuem Wahlrecht abgestimmt werden.

Doch ganz egal, ob das gelingt und wie die Wahl am Ende ausgehen wird: Ganz ohne Waldenfels wird Altenburg den Verband nicht führen können. Waldenfels hat erst vor ein paar Wochen eine andere Wahl gewonnen - er ist für die kommenden zwei Jahre als Mitglied des ITF-Boards bestätigt worden, des Entscheidungsgremiums des Weltverbands also. "Das war wichtig", sagt Georg von Waldenfels.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: