Tennis:Zwischen zwei Welten

Im Bild: Otte, Oscar (GER) - Tennisclub Bredeney e.V. 2. Bundesliga Nord: LTTC Rot-Weiß - TC Bredeney Essen, Berlin, LTT

Geerdet nach einem Sommer voller Höhepunkte: Oscar Otte.

(Foto: Claudio Gärtner/Imago)

Der Kölner Oscar Otte bezwingt bei den Wolffkran Open in Ismaning den ehemaligen Weltranglisten-33. Robin Haase in drei Sätzen und zieht ins Achtelfinale ein. Er liebt den zwischenzeitlich aus der Mode gekommenen Teppichbelag.

Von Sebastian Winter

Es gibt nicht mehr allzu viele Tennisturniere auf Teppich, der ultraschnelle Hallenbelag ist längst aus der Mode gekommen. Er versprüht noch den Charme der neunziger Jahre, als in Boom-Zeiten neben den Sandplätzen auch die Hallen aus dem Boden schossen. Oscar Otte hat es auf diesem Teppich in Ismaning, wo bis Sonntag noch die Wolffkran Open stattfinden, ein ATP-Challenger-Turnier, am Mittwoch mit Robin Haase zu tun bekommen. Keine einfache Aufgabe, der Niederländer, inzwischen 34, war mal 33. der Weltrangliste und 2013 Finalist im Doppel-Wettbewerb der Australian Open.

Das Spiel darf durchaus als bisheriger Höhepunkt dieser Turnierwoche in Ismaning gelten, denn es steckte viel drin in dem hochklassigen Duell: Ein erster Satz ohne verlorenes Aufschlagspiel, den Haase im Tiebreak gewann. Ottes Toilettenpause, die ihn zurück in die Partie brachte. Ein bemitleidenswertes Ballmädchen mit feuerrotem linken Ohr - einer dieser mächtigen Aufschläge Ottes war in eine Trennwand gekracht, das Mädchen stand direkt daneben und wurde vom Abpraller getroffen. Und ein Schlägerwurf vom frustrierten Haase kurz vor Schluss, als er beim 4:4 im dritten Satz seinen Aufschlag verlor. Der Zeitpunkt war exakt derselbe wie im zweiten Satz, extrem ungünstig, denn Otte gewann danach jeweils sein Aufschlagsspiel und holte sich mit 6:7 (4), 6:4 und 6:4 das Match. Im Achtelfinale trifft der 28-Jährige auf den Gießener Julian Lenz.

Otte liebt den zwischenzeitlich aus der Mode gekommenen Teppichbelag, die beiden Wochen in Ismaning und danach im mittelfränkischen Eckental seien, so bezeichnete er es nach dem Sieg gegen Haase, "mit meine Lieblingsturniere". Auch, weil Otte viele Kriterien erfüllt, um auf diesem Belag erfolgreich zu sein. Er ist ein extrem starker Aufschläger, gegen Haase kam er viele Male über die 200-Stundenkilometer-Marke. Retournieren kann er auch, Winkel spielen, und schnell ist er ebenfalls, was drei weitere Voraussetzungen sind, um auf Teppich zu bestehen. Dennoch hätte er gegen den eher auf Sand beheimateten Haase fast verloren. "Auf Teppich wird für jeden alles gleicher", sagte Otte nach dem Spiel in der Aufwärmhalle, "wenn man nicht die Ecken trifft, ist der Ballwechsel fast schon vorbei." Auch gute Serve- and Volleyspieler (ebenfalls eine langsam aussterbende Art) haben auf Teppich anders als beispielsweise auf Sand gute Chancen.

"Auf Teppich wird für jeden alles gleicher. Wenn man nicht die Ecken trifft, ist der Ballwechsel fast schon vorbei."

Otte, aktuell 135. der Weltrangliste und damit nur noch sechs Plätze von seinem besten Karrierewert entfernt, ist einer jener Spieler, die permanent zwischen zwei Welten pendeln. Diese Woche Ismaning, ein zweitklassiges ATP-Turnier, 44 820 Euro Gesamtpreisgeld. Anfang September US Open, Grand Slam, dotiert mit 27 Millionen US-Dollar. Davor Meerbusch, Challenger, Otte verlor im Achtelfinale gegen einen gewissen Robin Haase. Anfang Juli Wimbledon, drei erfolgreiche Qualifikationsrunden, Erstrundensieg, zweite Runde gegen: Andy Murray. Otte brachte den Wimbledon-, US-Open- und Olympiasieger an den Rand einer Niederlage - und verlor erst im fünften Satz. Murray sagte beim Handshake am Netz: "Mach so weiter, spiel so weiter. Dann kommen die Ergebnisse." So schilderte es Otte selbst nach dem fast vier Stunden langen Spiel.

Und Otte machte so weiter. Nicht in Meerbusch, aber danach bei den US Open. Schaffte wieder die Qualifikation, schlug in Runde eins den Weltranglisten-23. Lorenzo Sonego, überstand die zweite Runde, und die dritte. Erst im Achtelfinale war Schluss, gegen den Weltranglisten-Siebten Matteo Berrettini. Bitter: Zu Beginn des vierten Satzes verletzte er sich, als er beim Rückwärtslaufen einen Überkopfball des Italieners erlaufen wollte, ins Straucheln geriet und auf seine Schlaghand fiel. Später wurde ein Knochenmarködem diagnostiziert, vier Wochen Pause.

Nun also Ismaning, zwischen Gewerbegebiet und Isar. Mit 52 Zuschauern beim Spiel gegen Haase. Solche Turniere erden einen ja auch, Otte weiß das. Dann muss er los, zum TV-Interview. Er hat sich in diesem Sommer zu einem ziemlich gefragten Mann entwickelt.

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