Süddeutsche Zeitung

Tennisprofi Alexander Zverev:In die völlig falsche Richtung

Nächste Etappe einer Katastrophen-Saison: Der deutsche Tennisprofi verliert in Indian Wells und gibt einen Einblick in sein Gemüt. Zverev sagt: "Ich war mental schwach."

Von Jürgen Schmieder, Indian Wells

Zum Beispiel Rafael Nadal. Der Spanier hatte schrecklich gespielt in Indian Wells gegen Sebastian Korda; doch er saß danach im Interviewraum und durfte darüber philosophieren, wie er im Tiebreak des dritten Satzes diese Partie noch gewonnen hatte. "Ich habe dafür gesorgt, dass ich sie nicht verliere - wenn, dann musste er sie gewinnen", sagte Nadal. Es gibt solche Spieler, die trotz eigener Probleme auch gegen forsche Gegner einen Weg finden, eine Partie siegreich zu gestalten.

Alexander Zverev dagegen ist derzeit einer, der einen Weg findet, sie zu verlieren - am Sonntagabend etwa gegen Tommy Paul, im Tiebreak des dritten Satzes.

"Er hat wahnsinnig gut gespielt, aber am Ende des Tages muss ich auf mich schauen. Ich muss das zu Ende spielen, ich muss so eine Partie gewinnen. Aber ich war mental schwach heute", sagte Zverev danach. Er saß nicht im Interviewraum, sondern stand irgendwo in den Katakomben von Stadium 1; in einem Korridor, zu dem man nur gelangt, wenn man sich verlaufen hat und nicht mehr weiß wohin. Irgendwie passte das zu Zverev an diesem Abend: "Ich habe keine Antworten gerade. Ich muss jetzt in mich gehen und sehen, wie ich diese Saison umdrehen kann. Momentan läuft alles in die falsche Richtung."

Bei Zverev ist auffällig, wie sehr sich seine Krisen immer wieder ähneln

Es hatte kurzzeitig so ausgesehen, als würde es so eine Rafael-Nadal-Partie werden. Der forsche Paul hatte den ersten Satz dominiert und Mitte des zweiten Durchgangs zwei Breakbälle - doch fand Zverev einen Weg zum Ausgleich und zum Break im entscheidenden dritten Satz. Dann jedoch wurde es eine Alexander-Zverev-Partie - er verlor erst den Faden, dann die Nerven beim zweiten Aufschlag, dann den Glauben daran, die Partie noch gewinnen zu können. Paul blieb aggressiv, mutig, am Ende war er auch der taktisch bessere Spieler. Zverev wollte diese Partie nicht verlieren, Paul wollte gewinnen.

Zverev hat im Laufe seiner nun bereits acht Jahre dauernden Profikarriere solche Partien immer wieder mal hingelegt, doch hatte man angesichts der Siegesserie in der zweiten Hälfte der vergangenen Saison glauben dürfen, dass diese Zeiten vorbei seien. Er hatte abseits des Platzes hin und wieder Probleme, die Spielergewerkschaft ATP ermittelt wegen des Vorwurfs häuslicher Gewalt. Es ist zu hören, dass sie sechs Monate nach Beginn dieser Ermittlungen das mutmaßliche Opfer noch immer nicht kontaktiert hat.

Auf dem Platz aber, da war alles in Ordnung, Zverev wurde in Tokio Olympiasieger, er gewann am Ende der Saison die World Tour Finals, dazwischen legte er eine 16-Spiele-Siegesserie hin und zwang Novak Djokovic im Halbfinale der US Open zu einem Fünf-Satz-Krimi - der fand aber einen Weg, die Partie zu gewinnen.

"Es lief alles für mich damals, ich habe gerade die engen Matches gewonnen. Jetzt waren die Australian Open katastrophal, das Finale in Montpellier war nicht gut", sagte Zverev. Es folgte der Ausraster in Acapulco, als er nach einer Niederlage im Doppel mit seinem Schläger auf den Stuhl des Schiedsrichters eindrosch und dafür eine geradezu lächerlich anmutende Strafe erhielt: insgesamt 65 000 Dollar; eine Sperre von acht Wochen, die allerdings zur Bewährung ausgesetzt. "Und jetzt diese Partie, die ich gewinnen muss", sagte Zverev: "Als ich es zu Ende spielen musste, war es katastrophal."

Zverev hat in dieser Saison alle Matches gegen Top-Ten-Spieler verloren

Der Tennisspieler Alexander Zverev hatte ja nur noch zwei Kästchen im Karriere-Bingo, die er mit einem Haken versehen musste: einen Grand-Slam-Titel und einen Erfolg gegen einen Top-Ten-Spieler bei einem Best-of-five-Match. Nun hat er in dieser Saison überhaupt noch nicht gegen einen Top-Ten-Akteur gewonnen, dafür Niederlagen kassiert gegen: Felix Auger-Aliassime (Kanada/Nummer elf), Denis Shapovalov (Kanada/14), Alexander Bublik (Kasachstan/35) und nun Paul (USA/39). Klar, Krisen gibt es immer mal im Sport; es ist bei Zverev nur auffällig, wie die sich auch im achten Profijahr einander ähneln und er Wege findet, Partien wie die gegen Paul zu verlieren.

"Ich habe keine Antwort", sagte er auf die Frage, wie er denn so eine sportlich schwierige Zeit beenden könne. Das ist beeindruckend ehrlich, aber letztlich eben auch ein Zeichen dafür, dass zwischen Zverev und Nadal, zwischen Interviewraum und Korridor, dann doch ein Universum liegt.

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