Süddeutsche Zeitung

Tennis:Zverev entzaubert Wawrinka

Im Davis-Cup-Duell mit der Schweiz gelingt dem lange verletzten Olympiasieger der Ausgleich zum 1:1 für das deutsche Team. "Das war das beste Match seit meiner Rückkehr", sagt die deutsche Nummer eins.

Von Barbara Klimke, Trier

Fünf Matchbälle brauchte Alexander Zverev, dann stand er, noch ehe die Kollegen in der Spielerbox einmal tief durchgeatmet hatten, schon am Mikrofon: "Ich bin unfassbar stolz, dass ich hier auf dem Platz stehe", verkündete er im immer noch beträchtlichen Trubel. "Das ist, was der Davis Cup ist."

Eine passende Bühne hat Zverev, 25, gewählt, um vor großem Publikum den Beweis zu führen, dass er sich auf dem Weg zu gewohnter Dominanz befindet. Im Davis Cup, im Qualifikations-Duell mit der Schweiz, schlug er am Freitagabend vor 4000 Zuschauern in der Arena Trier den dreimaligen Grand-Slam-Sieger Stan Wawrinka 6:4, 6:1. Unter jenen, die applaudierten, stand ganz vorn in der ersten Reihe Boris Becker - in der inoffiziellen Funktion als "Freund der Mannschaft" inmitten des Teams.

Zverev hat damit für die deutsche Tennis-Auswahl zum 1:1-Zwischenstand ausgeglichen und die Kollegen wieder auf Kurs gebracht vor dem Doppel und den abschließenden beiden Einzeln am Samstagnachmittag. Vor allem aber war er froh, dass er nach einer langen Verletzungspause allmählich zur Beständigkeit findet. Seit dem Unfall in Paris im vorigen Jahr hatte er bis Freitag nur vier offizielle Matches bestritten - und bei den Australien Open im Januar in der zweiten Runde verloren. Der Sieg gegen Wawrinka, erklärte er nun sichtlich erleichtert, "war bei weitem das beste Match seit meiner Rückkehr".

Oscar Otte verliert sein fünftes Davis-Cup-Match

Dramaturgisch lief der Abend in Trier vor ausverkauftem Haus auf Zverevs Auftritt als Höhepunkt zu. Denn Oscar Otte, 29, aus Köln, hatte das erste Einzel gegen seinen Züricher Kontrahenten Marc-Andrea Hüsler 6:2, 2:6, 4:6 verloren. Im Federer-Land ist Hüsler, 26, sicherlich nicht der prominenteste tennisspielende Schweizer, wohl aber als Nummer 53 der Weltrangliste momentan der Beste. Otte verschaffte sich gleich zu Beginn Respekt mit zwei Assen und entschied den ersten Durchgang souverän für sich. Im zweiten Satz brachte ihn ein frühes, unnötiges Aufschlag-Break aus dem Rhythmus. Und als er nach gut zwei Stunden trotz frenetischer Unterstützung des Publikums seinen letzten Return weit ins Aus geschlagen hatte, zerlegte er mit einem harten, gezielten Wurf Richtung Boden seinen Schläger. Er habe "noch nie in einer so guten Stimmung gespielt", sagte er zur Erklärung, "deshalb war es ärgerlich, dass ich verloren habe".

Für Otte, der 2022 im Davis-Cup-Team debütiert hatte, war es die insgesamt fünfte Niederlage im fünften Match - und eine vertane Chance angesichts eines nicht furchteinflößenden Gegners.

Denn der Trierer Tennisgladiatorenkampf stand im zweiten Einzel des Tages an. Zverev wäre sicherlich, wie Otte noch einmal bekräftigte, "die Nummer eins im Tennis geworden", hätte ihn nicht im Juni eine multiple Bänderruptur über Monate außer Gefecht gesetzt. Stan Wawrinka, 37, ist ein Gegner ähnlichen Kalibers. In einer Ära, die von den Ausnahmespielern Roger Federer, Rafael Nadal und Novak Djokovic dominiert wurde, gehörte er zu der kleinen Zahl von Tenniskoryphäen, die dem Trio Grand-Slam-Trophäen entrissen - Wawrinka hat davon drei im Schrank; Zverev übrigens keine. Zudem war Wawrinka der einzige Aktive in der Halle, der je den Davis Cup gewann, 2014 an der Seite des mittlerweile zurückgetretenen Federers.

Und Wawrinka kann immer noch zaubern. Die frühe 3:1-Führung von Zverev im ersten Satz egalisierte er mit wuchtigen Vorhandschlägen und einer einhändigen Rückhand von selten gewordener Eleganz, mit der er erstaunliche Winkel erreicht. Das Break gelang Zverev erst zum 6:4. Im zweiten Satz ging Zverev früh in Führung, wirkte fortan leichtfüßiger und beständiger in seinen Schlägen.

"Es wird ein Prozess werden, aber bin froh, dass ich wieder halbwegs gutes Tennis spiele", sagte er danach. In der Form, einen Gram Slam zu gewinnen, sei er zwar noch nicht. Die letzten leisen Zweifel hat er jedoch wohl besiegt.

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