Wimbledon:Zverev bekommt Handküsse von Guardiola

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Mit Schmerzen am Boden: Alexander Zverev nach seiner unglücklichen Rutschaktion. (Foto: Kirsty Wigglesworth/dpa)

Der deutsche Tennisprofi stürzt in seinem Drittrundenmatch gegen den Briten Cameron Norrie und verletzt sich leicht am Bein. Das Achtelfinale erreicht er dennoch souverän – und macht danach Späße mit der Fußballtrainerlegende.

Von Gerald Kleffmann, Wimbledon

Bevor die erste Partie an diesem zunächst verregneten Samstagnachmittag auf dem überdachten Centre Court von Wimbledon begann, fand eine kleine Zeremonie statt. In der Royal Box saßen diverse Honoratioren, die zuerst aufgerufen wurden, dann aufstanden und anschließend warmen, teils euphorischen Applaus entgegennahmen. Darunter waren Denis Lewis, die frühere Olympiasiegerin im Siebenkampf, die Rugby-Größe Lawrence Dallaglio, Gold-Schwimmer Adam Peaty, Cricket-Legende Ben Stokes und die unvergessenen Eistänzer Jayne Torvill und Christopher Dean. In der zweiten Reihe hinter der Grundlinie saß ein kahlköpfiger Mann, der verdächtig wie Pep Guardiola aussah, und tatsächlich war es kein Doppelgänger, sondern das Fußballtraineroriginal von Manchester City.

Die Kulisse war also prominent besetzt, durchaus auch eine Ehre für die Duellanten Alexander Zverev und Cameron Norrie, die in der Folge ein für lange Zeit recht einseitiges Drittrundenmatch spielten. Der deutsche Tennisprofi, der gerade eine völlig neue Liebe zum Rasenbelag entwickelt hat, siegte mit 6:4, 6:4, 7:6 (15). Allein der Tie-Break des dritten Satzes dauerte mehr als 25 Minuten, der Linkshänder Norrie hatte fünf Satzbälle, Zverev verwandelte seinen sechsten Matchball. Er hat nun zum dritten Mal in seiner Karriere das Achtelfinale im All England Club erreicht. Dort trifft Zverev auf den Amerikaner Taylor Fritz. Im Viertelfinale stand er noch nie. Jan-Lennard Struff dagegen verlor in der dritten Runde gegen den Russen Daniil Medwedew 1:6, 3:6, 6:4, 6:7 (3). Die Partie war am Freitag wegen Regens abgebrochen und am Samstag – erneut mit Unterbrechungen – zu Ende gespielt worden.

Die größte Sorge des Weltranglisten-Vierten Zverev war eine Knieverletzung, die er im zweiten Satz beim Stand von 6:4, 2:2 erlitt. Von seinem Unfall blieben auch zwei lange Furchen direkt vor dem Schiedsrichterstuhl, und das Match beendete Zverev mit einem Tape, das von einem Physiotherapeuten nach dem zweiten Satz unterhalb seiner Kniescheibe befestigt worden war. „Ich fühlte mich eingeschränkt in manchen Bewegungen, aber ich war in der Lage, weiterzuspielen“, sagte er später beim Interview auf dem Platz. „Ich bin extrem glücklich über meine Leistung.“ Bei der Pressekonferenz, zu der er humpelnd mit bandagiertem Knie erschien, präzisierte er: „Ich habe im Moment Schmerzen. Ich werde es prüfen. Ich werde sehen, was das MRT sagt. Aber ich persönlich glaube nicht, dass das was allzu Ernstes ist, weil ich immer noch gespielt habe.

Nur im dritten Satz fast ebenbürtig: der Brite Cameron Norrie. (Foto: Mike Hewitt/Getty Images)

Die Fernsehwiederholung zeigte, dass Zverev beim Rutschen zu einem Stoppball Norries plötzlich ins Stoppen geraten war, sein linkes Bein überstreckte er dabei so heftig, dass er sich sofort schmerzverzerrt auf dem Rasen krümmte und sich ans Bein fasste. Natürlich kamen Erinnerungen auf in diesem Moment an jene Szene aus dem Jahr 2022, als Zverev im Halbfinale der French Open ebenfalls ins Straucheln gekommen war nach einer Rutschaktion. Damals erlitt er einen siebenfachen Bänderriss im rechten Knöchel und fiel monatelang aus. An diesem 6. Juli 2024 endete sein Malheur weniger tragisch, wenngleich Zverevs Gang unrund blieb. Seine spielerische Klasse demonstrierte er indes auch mit leicht lädiertem Bein.

Zverev hat bisher noch kein einziges eigenes Aufschlagspiel verloren

„Wenn ich mit meiner Power mein Level zeigen kann, habe ich das Gefühl, dass ich ihn überpowern kann“, dies hatte Zverev vor diesem Drittrundenspiel gesagt, und er sollte Recht behalten. Bei den Australian Open im Januar hatte ihn zwar der Weltranglisten-42. an den Rand einer Niederlage gebracht und erst im Tiebreak des fünften Satzes verloren. Aber Zverev besitzt mittlerweile ein Niveau, mit dem er Gegner dieser Kategorie mit hoher Wahrscheinlichkeit dominiert. Vor allem sein Aufschlag trägt ihn mit Härte, Präzision und Konstanz durchs bisherige Turnier, dass den Kontrahenten bange werden muss. Noch keinmal gab Zverev in drei Auftritten ein eigenes Aufschlagspiel ab. Norrie hatte nicht eine einzige Breakchance. „Ich bin groß, der Aufschlag sollte meine Stärke sein, er war meine Schwäche“, sagte Zverev und erklärte: „Der Aufschlag kostete mich das US-Open-Finale und andere Grand Slams.“ Und genau deshalb habe er „viel daran gearbeitet“.

Für einen der größten Spieler Wimbledons zählt Zverev inzwischen sogar zum engsten Favoritenkreis. Roger Federer, der seit ein paar Tagen auf der Anlage herumflaniert (und sich am Samstag das Einzel des Amerikaners Ben Shelton ansah, der bei Federers Schuhfirma unter Vertrag ist), glaubt, „dass er Wimbledon gewinnen könnte. Als Rat empfahl der achtmalige Wimbledon-Sieger aus der Schweiz Zverev, „an sich zu glauben“, und genau das tut dieser nun auch auf Rasen.

Hat Spaß bei Zverevs Späßen: Pep Guardiola mit seiner Frau Cristina (rechts) und Tochter Maria. (Foto: Kirsty Wigglesworth/AP)

Beim Interview auf dem Platz dankte Zverev insbesondere einem Besucher fürs Erscheinen, wenngleich er sich erst an die Präsenz jenes Mannes gewöhnen musste. „ Als ich Pep Guardiola gesehen habe, war ich für einige Spiele nervös“, räumte Zverev ein. An den Katalanen gerichtet machte Zverev noch das Angebot: „Bayern München braucht einen Trainer, Mann. Wenn du keine Lust mehr auf Fußball hast, kannst du mich jederzeit auf dem Tennisplatz trainieren.“ Da lachten die rund 14 000 Zuschauer, und der in der königlichen Loge stehende Guardiola warf Zverev ein Handküsschen zu.

Im Klubhaus trafen sich Zverev und Guardiola dann auch noch kurz und fachsimpelten über die Bundesliga. Zverev pries Bayer Leverkusen und meinte, nach zehn Jahren, in denen der FC Bayern Meister wurde, sei eben mal eine andere Mannschaft dran gewesen. Bei Guardiola bedankte er sich für den Besuch, und wie zwei Freunde gaben sie einander die Hand zum Abschied.

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