Tennis: Wimbledon:Djokovic mag Gras

Seit 2003 hatten die Sieger in Wimbledon Federer und Nadal geheißen. Nicht so 2011: Novak Djokovic gewinnt überzeugend gegen den Spanier, er setzt damit seinen unglaublichen Lauf in dieser Saison fort. Bei seinem Finalsieg zeigt der Serbe, warum er zurecht die Nummer eins der Welt ist - und erklärt seine Liebe zu Rasen.

London

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Seit 2003 hatten die Sieger in Wimbledon Federer und Nadal geheißen. Nicht so 2011: Novak Djokovic gewinnt überzeugend gegen den Spanier, er setzt damit seinen unglaublichen Lauf in dieser Saison fort. Bei seinem Finalsieg zeigt der Serbe, warum er zurecht die Nummer eins der Welt ist - und erklärt seine Liebe zu Rasen.

Erst hielt Novak Djokovic den Pokal liebevoll im Arm wie eine neugeborene Tochter, dann küsste er ihn vorsichtig, wie eine gnädig zu stimmende Schwiegermutter, schließlich knutschte er ihn wie die Liebe seines Lebens. Wie so viele Tennisspieler hat Djokovic sich diesen Moment seit seiner Kindheit immer wieder vorgestellt: Wie er am zweiten Sonntag des Turniers von Wimbledon auf den Centre Court steht und den Pokal hochhält, den Pokal für den Sieger.

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"Ich glaube, ich schlafe noch", sagte er, als ihm ein Mikrofon hingehalten wurde,"ich bin immer noch in meinem Traum." Obwohl es, so weit sich das mit den beschränkten Mitteln des menschlichen Verstandes beurteilen lässt, kein Traum war, sondern ein realer Tag unter realem englischem Himmel, wirkte Djokovic benebelt, weil diese Wirklichkeit, dieses 6:4, 6:1, 1:6, 6:3 gegen den großen Rafael Nadal, ihm allzu wunderbar vorkam.

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Nachdem Nadal den letzten Ballwechsel der Partie mit einem Schlag ins Aus beendet hatte, ließ sich Djokovic auf den Rücken fallen, die Arme von sich gestreckt, und blickte in die Wolken. Bald rappelte er sich auf, schüttelte Nadal und dem Schiedsrichter die Hand, bekreuzigte sich, dann ging er in die Hocke und verharrte. Fünf Sekunden hockte er, zehn Sekunden, er führte die Hand zum Boden, und dann riss er rasch ein wenig Gras aus dem Court und steckte es in den Mund. "Ich habe das nicht geplant", erzählte Djokovic, "ich wusste vor Freude gar nicht, was ich tat."

Novak Djokovic of Serbia holds the winners trophy after defeating Rafael Nadal of Spain in the men's singles final at the Wimbledon tennis championships in London

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Wie das Gras geschmeckt habe, wurde er gefragt. Djokovic grinste. Er gehört zu den schlagfertigsten Spielern auf der Tour, er sagte: "Es hat wirklich sehr gut geschmeckt. Gut gepflegt." Wenn man bedenkt, dass eine Karriere, die aus einem Menschen einen Wimbledonsieger macht, im modernen Profisport vor allem lebenslange Entbehrung bedeutet, also aus endlosen Jahren des Grasfressens besteht, dann war das Kosten einiger weniger Halme vom Rasen in Wimbledon ein versöhnliches Bild - insofern, als der Sportler sich im Moment des größten Erfolgs mit der Entbehrung versöhnt.

Rafael Nadal of Spain hits a return to Novak Djokovic of Serbia during their men's singles final match against at the Wimbledon tennis championships in London

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"So ein Sieg lässt dich zurückblenden", sagte Djokovic, "du erinnerst dich an deine Kindheit, du siehst, was du durchgemacht hast, um hier hinzukommen." Mit Familie und Freunden saß Djokovic nach dem Sieg zunächst in der Umkleidekabine, und gemeinsam sprachen sie über all die Jahre: Wie er im Alter von vier Jahren mit dem Tennis begann, wie er als Zwölfjähriger die Heimat verließ, um in München auf die Tennisakademie von Nikola Pilic zu gehen. Zwölf Jahre ist das her. Seither hat er sein Spiel kontinuierlich verbessert, Djokovic ist ein Spieler, der immer dazulernen will und die Disziplin hat, diesen Willen auch in Arbeit auszudrücken.

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Dass er tatsächlich fast jeden Tag etwas lernt, hat sich auch auf dem Weg in dieses Endspiel gezeigt: In seinem Halbfinale gegen Jo-Wilfried Tsonga hatte er die ersten beiden Sätze gewonnen, im dritten lag er ein Break vorn. Das Publikum begann, sich gepflegt zu langweilen, innerlich bereitete es sich auf den folgenden Auftritt von Andy Murray vor. Tsonga, so schien es, hatte viel von seiner unbändigen Energie eingebüßt, das Match war durch. Djokovic begann, vielleicht weil er ebenfalls gelangweilt war von seiner eigenen Stärke (oder doch allzu berauscht davon), Stopps und Lobs zu spielen, er agierte jetzt wie in einem Showkampf, er spielte unterhaltsam.

Novak Djokovic of Serbia hits a return to Rafael Nadal of Spain during their men's singles final match at the Wimbledon tennis championships in London

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Das Publikum wachte wieder auf - und Tsonga ebenfalls. Ein Tennisspieler, der beginnt, Spielchen mit seinem Gegner zu veranstalten, um dem Publikum zu gefallen, ist ein Idiot. Tsonga gelang erst ein Break, wenig später hatte er den Satz im Tiebreak gewonnen. Djokovic hatte verstanden: ganz oder gar nicht. Anders geht es nicht, wenn in Wimbledon die großen Matches gespielt werden. Er gewann den vierten Satz sehr konzentriert. Genau diese Konzentration brachte er auch mit ins Endspiel. Nur einmal im ersten Satz versuchte er einen nachgerade albernen Stopp, der noch vor dem Netz landete.

The Championships - Wimbledon 2011: Day Thirteen

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Djokovic schlug sich an den Kopf, als wolle er sich erinnern: Bedenke, was du gelernt hast. Von dieser Szene abgesehen, spielte er zwei Sätze lang makellos. Im ersten Satz hatte er genau einen Breakball, bei Djokovic' 5:4-Führung lag Nadal bei eigenem Aufschlag (im Bild) und 30:40 zurück - ein Breakball, der zugleich Satzball war.

Novak Djokovic

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Im zweiten Satz zeigte Djokovic, warum er in diesem Kalenderjahr bis zu diesem Endspiel die unglaubliche Bilanz von 47 Siegen bei nur einer Niederlage vorzuweisen hatte - und warum zu diesen 47 Siegen bereits vier gegen Nadal gehörten. Er tat etwas Unerhörtes, er spielte Nadal an die Wand, oder, präziser gesagt: Er nadalisierte ihn. Der Spanier musste feststellen, das Schläge, die gegen andere Spieler zu einem Punkt führen, gegen Djokovic gut genug sind, um im Spiel zu bleiben.

Djokovic schafft Sprung an Spitze der Weltrangliste

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Djokovic spielte Nadal von der Grundlinie aus; im Grunde war es Majestätsbeleidigung, aber es ist ja ein bekanntes Motiv, dass zu recht drastischen Mitteln greifen muss, wer Kalif anstelle des Kalifen werden will.

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Als es auf dem Centre Court so weit war, den Namen des Siegers zu verkünden, streikte das Mikrofon. Also schrie ein Zuschauer in die Stille: "NOVAK DJOKOVIC!"

The Championships - Wimbledon 2011: Day Thirteen

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Der aber traute dem Zuschauer nicht, er erhob sich erst von seinem Stuhl, nachdem ihn der Oberschiedsrichter gebeten hatte. Djokovic erhob sich und ging gemessenen Schrittes zum Pokal, traumwandlerisch sicher, denn er kannte den Weg.

© sueddeutsche.de/jüsc
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