Tennis in Wimbledon:Schmunzeln hilft manchmal

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Aufwärtstrend: Jule Niemeier hat wieder Freude am Tennis. (Foto: Hannah McKay/Reuters)

Jule Niemeier hat ihr schwieriges Jahr 2023 überwunden und genießt wieder ihren Beruf. Daran ändert auch die Zweitrundenniederlage gegen die erfahrene Ukrainerin Elina Switolina nichts.

Von Gerald Kleffmann, London

Natürlich könnte Jule Niemeier, 24, jetzt über die Anlage des All England Clubs flanieren und sich noch einmal all die einzigartigen Momente in Erinnerung rufen, wie sie vor zwei Jahren und damit vor einer halben Ewigkeit den größten Erfolg ihrer jungen Karriere erlebt hatte. Anfang Juli 2022 war sie wie aus dem Nichts ins Viertelfinale des wichtigsten Turniers im Tennis gestürmt, hatte unter anderem die Nummer zwei der Setzliste, die Estin Anett Kontaveit, mit ihren kraftvollen Grundlinienhieben aus dem Wettbewerb gehievt, und die verdutzte Branche musste daraufhin erst mal erfahren, wer dieses neue Gesicht ist.

So hat sich Niemeier, als sei sie die neue Kollegin im Büro, höflich, ja schüchtern vorgestellt. Seitdem ist etwa bekannt, dass sie drei Tattoos besitzt, am äußeren linken Unterarm steht „perseverance“, Beharrlichkeit, auf der Innenseite sind zweimal drei Stiche zu sehen, ein Strich steht für ihren ältesten Bruder, zwei Striche für den mittleren, drei für sie selbst. Über ihre dritte, nicht sichtbare Körperzeichnung schwieg sie. Die Familie bedeutet ihr alles, genauso wie Borussia Dortmund; mit der früheren Bundestrainerin Barbara Rittner und Jan-Lennard Struff, der am Mittwochabend in Wimbledon mit einem Sieg gegen den Chinesen Zhang Zhizhen in die dritte Runde einzog, bildet sie in der deutschen Tennisfraktion eine BVB-Ultras-Gemeinschaft.

Den Einzug ins Halbfinale verpasste Niemeier damals knapp; Tatjana Maria, Mutter zweier entzückender Mädchen und die zweite große German Story in den britischen Medien, stoppte sie mit ihren legendären Rückhand-Slice-Schlägen. Für Niemeier blieb aber die Aufnahme in den von allen ersehnten Last Eight Club in Wimbledon, sie wird auf Lebenszeit eine Eintrittskarte erhalten.

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Anfang Juli sitzt Niemeier wieder mal, nach langer Zeit, vor einer größeren Gruppe deutscher Journalisten, und sie gibt mit sicherer Stimme und festem Blick sofort zu, dass die alten Bilder kaum noch eine Rolle spielen. Es gehe für sie darum, in der Gegenwart Fuß zu fassen: „Das Ergebnis, das Viertelfinale, hilft mir da relativ wenig, weil ich es natürlich besser machen möchte“, sagt sie: „Ich denke nicht viel drüber nach, es ist jetzt zwei Jahre her.“ Und viel ist seitdem passiert.

„Es ist kein Geheimnis, dass das letzte Jahr sehr schwierig für mich war“, sagt sie in Wimbledon. „Ich habe da einfach ein bisschen den Spaß am Sport verloren.“ Heute, mit dem entspannteren Blick zurück, weiß sie, woran es lag: „Es ist einfach schwierig, wenn man wenig Matches gewinnt. Ich habe mich nicht gut gefühlt.“ Denn ob sie es wollte oder nicht, Druck hatte sie schon gespürt, den Druck etwa, ihr starkes Jahr 2022 zu bestätigen, in dem sie auch bei den US Open noch das Achtelfinale erreicht hatte, damals mit dem erfahrenen Christopher Kas als Trainer an ihrer Seite. „Es ist nie einfach, wenn man das Jahr beendet mit einer Bilanz, die negativ ist“, sagt sie nun. So kam es, dass sie Ende 2023 dann schweren Herzens Michael Geserer als neuen Coach verpflichtete.

Beim Seitenwechsel packt Niemeier ihr Notizbuch aus und kritzelt Gedanken hinein

„Michael hat schon einen großen Anteil daran, dass ich jetzt so auf dem Platz stehe, wie ich es jetzt mache“, lobt sie Geserer, der früher Julia Görges erfolgreich trainiert hatte. „Er hat mir einfach beigebracht, dass es ein Spiel ist, dass es nichts anderes ist, dass man verlieren darf. Das ist ganz wichtig.“ Seitdem geht sie ihren Beruf spielerischer an, bei guten Punkten oder Fehlern erlaubt sie sich „leichte Schmunzler“, wie sie sagt, sie will nun konzentriert und zielstrebig, aber dabei auch nicht zu verbissen sein.

Zu ihrem neuen Umgang mit sich selbst gehört, dass sie beim Seitenwechsel gerne ein Notizbuch zur Hand nimmt, „das sind Tools, die man verwenden darf, und warum sollte man es nicht tun?“, sagt sie. „Ich finde es sehr, sehr gut, Dinge aufzuschreiben. Auch Gedanken aufzuschreiben. Sich im Match noch mal an den Game-Plan zu erinnern. Natürlich tut es auch mal gut, Sachen loszuwerden oder einfach kurz aufzukritzeln.“

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Am Donnerstag fand dann – nach ihrem klaren Auftakterfolg gegen die Schweizerin Viktorija Golubic – ihre zweite Partie in Wimbledon statt, gegen Elina Switolina, eine Größe auf der Frauentour seit vielen Jahren, Inhaberin von 17 Titeln. Am Ende wurde Niemeier zu spät mutiger, erst nach einem 2:5-Rückstand holte sie noch etwas auf, sie präsentierte sich trotz der 3:6, 4:6-Niederlage aber gut. Das Wichtigste hatte sie vorher gesagt: „Man sieht, dass ich wieder Spaß habe und es genieße. Und dass ich auf dem richtigen Weg bin.“

Bei den Frauen ist damit keine deutsche Einzelspielerin mehr im Wettbewerb. Denn auch Laura Siegemund scheiterte, sie verlor am Donnerstagabend gegen die Kasachin Jelena Rybakina, allerdings erst nach vorzüglicher Gegenwehr. Als die 36-jährige Schwäbin aus Metzingen den zweiten Satz gewonnen hatte, schien ein Sieg der Außenseiterin in diesem ungleichen Duell möglich. Rybakina ist die Wimbledonsiegerin von 2022 und fest in der Weltspitze etabliert. Aber ein Fehlstart in den dritten Satz brachte Siegemund, um ihre Chance auf den Coup. Rybakina gewann 6:3, 3:6, 6:3. Bei den Männern verpasste Daniel Altmaier den Sprung in die dritte Runde. Der 25-Jährige aus Kempen verlor gegen den Kanadier Denis Shapovalov 6:7 (3), 3:6, 6:1, 7:6 (3), 4:6. Alexander Zverev siegte dafür souverän im letzten Match des Tages mit 6:2, 6:1, 6:4 gegen den Amerikaner Marcos Giron.

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