Tennis: Wimbledon:Federer im Freien

Roger Federer besiegt beim Tennis-Grand-Slam in London einen starken Kohlschreiber und wirft die Frage auf: Kann ihn jemand schlagen?

René Hofmann

Die große Frage hieß nicht: Federer oder Kohlschreiber? Die große Frage hieß: Offen oder zu? Für eine Summe, die ungefähr so hoch war wie die Ablöse, die Real Madrid für Cristiano Ronaldo an Manchester United überwies, hat der All England Club ein Dach über seinen Centre Court bauen lassen. In den ersten vier Tagen der 123. All England Championships hätte es das nicht gebraucht. Die Sonne lachte, wie sie über der Insel selten lacht. Am Freitag kehrten endlich die gewohnten Wolken zurück - und die Augen richteten sich gespannt zum Himmel. Würde die Faltkonstruktion erstmals zum Einsatz kommen?

Tennis: Wimbledon: Eine gute erste Woche: Roger Federer.

Eine gute erste Woche: Roger Federer.

(Foto: Foto: Reuters)

Das erste Match auf dem Centre Court hieß Roger Federer/Schweiz gegen Philipp Kohlschreiber/Deutschland. Bei Regen wäre es auf jeden Fall in die Annalen eingegangen - als erstes Begegnung, die in Wimbledon unter einem Dach ausgetragen wurde. Zwei Stunden vor Beginn sah es noch gut aus: Dicke Wolken türmten sich über dem Londoner Südwesten. Doch als die beiden um 13 Uhr Ortszeit den berühmten Ort betraten, riss es auf und die Sonne lachte. Sonnencreme-Wetter. Damit war die Chance auf ein wenig Historie dahin. Noch was? Ach ja. Die Antwort auf die andere Frage lautete natürlich: "Federer".

"Gute erste Woche"

Der fünfmalige Champion bezwang seinen an Weltranglistenplatz 32 geführten Herausforderer 6:3, 6:2, 6:7 (5), 6:1. Er benötigte dafür 2:31 Stunden. Kohlschreiber spielte phasenweise gut mit. Hätte er die erste Viertelstunde nicht verschlafen, hätte er vielleicht eine echte Chance haben können. Nach 15 Minuten lag er bereits 0:4 zurück. "Er hat sehr schnell und sehr gut gespielt. Ich war vielleicht ein bisschen zu aggressiv", bilanzierte Kohlschreiber nachher. Mit forschen Vorstößen ans Netz riss er den dritten Satz im Tie-Break an sich. Es war der erste, den Federer 2009 in Wimbledon abgab. Im vierten fand der Favorit seine Form wieder, weshalb er mit seinem Auftritt zufrieden war. "Das war mein bestes Match hier in diesem Jahr", sagte Federer: "Es war eine gute erste Turnierwoche. Jetzt freue ich mich auf die zweite."

Läuft die auch gut, wird er am Ende dem Besten aus der anderen Hälfte des Tableaus begegnen. Dort zog bisher Andy Murray die meisten Blicke auf sich. Der Schotte könnte der erste britische Champion seit Fred Perry 1936 werden. In Runde zwei bezwang er den Letten Ernests Gulbis in beeindruckender Weise 6:2, 7:5, 6:3. Im dritten Durchgang gewann Murray jeden Punkt, bei dem sein Aufschlag beim ersten Versuch im Feld landete. "Wenn er so spielt, ist er sicher einer der Favoriten", sagte Gulbis nachher.

Queen "very amused" über Murray

Selbst die Queen hat Notiz von den Taten ihres 22 Jahre alten Untertans genommen. Zum Sieg beim Vorbereitungsturnier im Queen's Club schickte sie eine Glückwunsch-Note, über die Murray auf seiner Twitter-Seite mitteilte, er werde sie "nicht zu den Rechnungen legen". Seitdem sind die Quoten gefallen, die die Buchmacher auf Wetten anbieten, ob Elizabeth II. in diesem Jahr zum Finale kommt. Das letzte Mal war sie 1977 da.

In der dritten Runde trifft Murray an diesem Samstag auf den Serben Viktor Troicki, im Achtelfinale würden ihm anschließend entweder der Schweizer Stanislas Wawrinka oder der US-amerikanische Qualifikant Jesse Levine erwarten. Richtig unangenehm könnte es für ihn erst im Halbfinale werden. Dorthin hat sich am Donnerstag unter anderem Lleyton Hewitt aufgemacht. Dem Australier, der das Turnier 2002 gewann, glückte die bislang größte Überraschung.

Er besiegte die Nummer fünf der Setzliste, den Argentinier Juan Martin del Potro, der bei den French Open jüngst das Halbfinale erreicht hatte. Hewitt spielt sich nach einer Hüft-Operation gerade wieder in Form. Dass er rennen und schlagen und "Come-on!"-brüllen kann wie einst, hatte sich schon bei seinem 6:4, 6:1, 6:1-Erfolg gegen den US-Amerikaner Robby Ginepri angedeutet, dass del Potro aber nicht einmal einen Satz gewann, überraschte dann doch.

Großer Sieg für Hewitt

Der 20-Jährige gilt als eines der größten Talente auf der Tennistour - im Wortsinn: Del Potro ist fast so lang wie ein Zollstock. Der 28 Jahre alte Hewitt gilt mit seinen 1,80 Metern dagegen eher als Auslaufmodell. Die aktuell zehn besten Tennisspieler sind alle größer. Gegen einen, der in der langen Liste unter den besten fünf geführt wird, hatte Hewitt schon lange nicht mehr gewonnen. "Das ist wirklich ein großer Sieg für mich", erklärte er denn auch. Andy Roddick, der 1,88 Meter misst, 2004 und 2005 in Wimbledon im Finale Roger Federer forderte und es auch dieses Mal in die dritte Runde geschafft hat, erklärt das Phänomen Hewitt so: "Er ist zwar nicht groß. Aber dafür springen seine Schläge nicht hoch ab. Auf Gras ist das gut."

Klein oder groß? Die Frage lappt fast schon ins Philosophische, in jedem Fall reicht sie aber weit über das Spielfeld hinaus wie die nach: offen oder zu. Auch Venus Williams, 1,85 Meter lang und in Wimbledon bisher fünfmal erfolgreich, wurde zu dem Thema befragt. "Über das klein sein, kann ich nichts sagen. Ich bin es ja nie gewesen", antwortete sie: "Mir ist aber aufgefallen, dass ich immer ins Stolpern komme, wenn ich hinter kleinen Menschen hergehe. Ich kann einfach nicht so kleine Schritte machen."

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