Wimbledon:Die nächste Debatte, die das Tennis spaltet

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Daniil Medwedew ist Russe und kann deshalb nicht in Wimbledon antreten. (Foto: Peter Nicholls/Reuters)

Der Ausschluss russischer und belarussischer Sportler in Wimbledon sorgt für Zuspruch und heftige Kritik - auch Novak Djokovic schaltet sich ein.

Von Felix Haselsteiner, London/München

Mit kontrovers geführten Debatten hat der Tennissport zuletzt bereits einige Erfahrungen gesammelt: Im Januar und Februar ging es vorrangig um den fehlenden Impfnachweis von Novak Djokovic, der deshalb aus Australien ausreisen musste und vom Turnier in Melbourne ausgeschlossen wurde. Die Folge waren wochenlange Diskussionen darüber, die irgendwann so weitreichend wurden, dass es um die altbekannte Frage ging, inwiefern sich Sport und Politik miteinander vermischen sollten. Und genau um diese Frage geht es auch nun wieder, nach der Entscheidung des All England Lawn Tennis Club in Wimbledon, der den Sportlern aus Russland und Belarus eine Teilnahme am Turnier im Sommer untersagt.

Eine der deutlichsten Reaktionen auf die Entscheidung kam von Djokovic. "Crazy" nannte er das Vorgehen der Wimbledon-Veranstalter, "verrückt". Der Serbe konnte seine starke Meinung mit persönlichen Eindrücken untermauern: Djokovic sprach darüber, dass er selbst ein "Kind des Krieges" sei und daher wisse um das "emotionale Trauma, das das auslösen kann". Djokovic sagt: "Unter dem Krieg, und wir hatten viele Kriege hier auf dem Balkan, leiden immer die einfachen Menschen." Er könne daher die Entscheidung von Wimbledon nicht unterstützen.

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Der sechsmalige Sieger an der Church Road stellt sich also auf die Seite der Spieler, die von der scharfen Maßnahme betroffen sind, der Krieg sei schließlich nicht deren Fehler. Dasselbe taten auch die Weltverbände ATP und WTA, die in Mitteilungen davon sprachen, der Ausschluss sei "diskriminierend" und "zutiefst enttäuschend". Der russische Angriffskrieg sei zwar "aufs Schärfste" zu verurteilen, rechtfertige aber nicht diese pauschale Maßnahme, die über die bisherigen Eingriffe der Weltverbände noch einmal hinausgeht: Sowohl die ATP als auch die WTA hatten es Athleten aus Russland und Belarus bislang erlaubt, unter neutraler Flagge zu spielen.

Aus Sicht der ukrainischen Sportler ist der Schritt gerechtfertigt

Wimbledon begründete seine Entscheidung damit, dass es "inakzeptabel" sei, dass das russische Regime aus der Teilnahme seiner Athleten irgendwelche Vorteile ziehe. Der traditionelle Klub aus dem Londoner Vorort nutzt mit der Regelung seine Sonderstellung im Tennissport aus: Die drei anderen Grand-Slam-Turniere in Melbourne, Paris und New York City werden von den Spieler-Gewerkschaften organisiert, das Turnier in Wimbledon hingegen von einer Privatorganisation. Es kann solche Entscheidungen daher treffen.

Für die Ukrainerin Elina Switolina ist der Ausschluss russischer und weißrussischer Sportler mehr als gerechtfertigt. (Foto: Uncredited/dpa)

Positiv aufgenommen wurde die Entscheidung hingegen von den ukrainischen Athletinnen und Athleten. Die topplatzierten Spielerinnen Elina Switolina und Marta Kostjuk sowie der aktuell in der Ukraine als Soldat stationierte Ex-Spieler Sergej Stachowski riefen zur Nachahmung auf. Aus ihrer Sicht ist der Ausschluss gerechtfertigt - und noch nicht genug: "Wir fordern, russische und belarussische Athleten von der Teilnahme an jeder internationalen Veranstaltung auszuschließen", schrieben sie. Russische Spielerinnen und Spieler hätten sich zum Großteil nur vage zum Krieg geäußert, ihr Schweigen aber bedeute "Unterstützung für das, was passiert".

Klar positionierte sich indes die russische Spielerin Darja Kassatkina - die Weltranglisten-26. reagierte mit Verständnis auf den Ausschluss. "Es gibt größere Dinge, die gerade in der Welt passieren. Das Leben von Menschen ist das Wichtigste", sagte die 24-Jährige am Donnerstag nach ihrem Achtelfinal-Aus in Stuttgart. Der russische Weltranglistenachte Andrej Rublew kritisierte die Entscheidung hingegen scharf. "Die Gründe, die sie uns genannt haben, machten keinen Sinn, sie waren nicht logisch", sagte er. "Was jetzt passiert, ist eine komplette Diskriminierung gegen uns."

Unter den aktiven Profis gab es zu den ganz großen Fragen von Sport und Politik, die die Entscheidung in Wimbledon wieder zum Thema macht, vorerst noch wenige Reaktionen: Roger Federer und Rafael Nadal positionierten sich etwa am Tag nach der Verkündung noch nicht. Stattdessen meldeten sich ehemalige Spielerinnen wie Martina Navratilova. "Tennis ist ein solch demokratischer Sport. Es ist hart zu sehen, wie die Politik dies zerstört", sagte die Tschechin in einem Radiointerview mit dem Sender LBC: "So sehr ich auch mit den Ukrainern fühle - das geht weiter, als es sollte."

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