Alexander Zverev bei den US Open:"Wenn er etwas sagt, hörst du auf ihn"

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Kritischer Blick im Hintergrund: Ivan Lendl, 58, begutachtet eine Trainingseinheit seines neuen Spielers Alexander Zverev, 21.

(Foto: Paul Zimmer/Imago)
  • Alexander Zverev versucht es in New York wieder einmal mit seinem ersten Grand-Slam-Sieg.
  • Dafür hat er extra einen neuen Trainer an seiner Seite: Ivan Lendl, den ehemaligen Weltklassespieler.

Von Jürgen Schmieder, New York

Am Südeingang der Tennis-Anlage in Flushing Meadows verläuft eine Allee, die meisten Besucher hasten hindurch Richtung Arthur Ashe Stadium, vielleicht machen sie schnell ein paar Selfies mit den Plaketten legendärer Sieger. Doch sie sollten innehalten in diesem Court of Champions, und die Inschriften unter den Fotos studieren, jede einzelne ist ein Kleinod der Tennisliteratur.

Über John McEnroe steht da: "Er kombinierte ein seidenes Gespür mit dem Gemüt eines Hochofens." Über Maureen Connolly: "Klein im Wuchs, groß bei der Feuerkraft." Über Billy Jean King: "Eine moussierende, quirlige und unnachgiebige Kämpferin." Über Ivan Lendl steht, er habe "eine furchteinflößende Aura" gehabt aufgrund von "Geduld, Beharrlichkeit und stählerner Zielstrebigkeit".

Wer ihn vor dem Start der US Open beim Training mit seinem neuen Schützling Alexander Zverev beobachtet, der sieht, dass diese Beschreibung noch zutrifft. Die meisten Trainer sind moussierende (also prickelnde) und quirlige Kerlchen, bestens gebräunt und mit großer verbaler Feuerkraft. Lendl dagegen trägt seinen Wohlstandsbauch mit Würde, er steht mit seidenem Gemüt neben dem Platz, die wenigen Ansagen sind knapp und prägnant.

Lendl, 58, soll Zverev nun jene furchteinflößende Aura beibringen, mit der er selbst acht Grand-Slam-Turniere gewonnen hat, und dass dies nicht so einfach werden dürfte, das war am Wochenende zu beobachten. Zverev schlurfte in Tarnkleidung über die Anlage, mit den langen Haaren und der Hipsterbrille sah er aus wie ein Surfer im Strandurlaub.

Der Eindruck jedoch täuschte: Zverev weiß, dass er schon einer der besten Tennisspieler der Welt ist, er bekommt das auch regelmäßig von Leuten wie Roger Federer ("Ich hoffe, dass er mal die Nummer eins wird") und Rafael Nadal ("Wenn er in den nächsten zwei Jahren nicht bei Grand Slams erfolgreich ist, dann habe ich keine Ahnung von Tennis") mitgeteilt. Das lässt ihn zu einem Getriebenen mit einem leicht zu erhitzenden Gemüt werden, und derzeit muss Zverev vor allem furchteinflößend für sich selbst sein.

Tennisspieler haben nach jedem Ballwechsel Zeit, seit der Einführung der Shot Clock sind es bei den US Open exakt 25 Sekunden, sie sind dann allein mit sich und ihren Gedanken. Zverev sieht fast immer hinaus zu seinen Begleitern, häufig zu Vater Alexander senior. Wenn alles gut läuft, dann nickt der Vater dem Sohn zu, der Sohn nickt zurück.

Perfektion scheint der Normalzustand für Zverev zu sein, er will permanent sein bestes Tennis zeigen und den Gegner auf der anderen Seite, der bis auf wenige Ausnahmen nicht annähernd so talentiert ist wie er, möglichst deutlich besiegen. Was aber, wenn es nicht perfekt läuft? Warum verliert Zverev nicht nur gegen ebenso Talentierte, sondern noch zu häufig gegen jene, die er besiegen sollte?

Zverev auf den kanadischen Qualifikanten Peter Polansky

Zverev ist 21 Jahre alt, und er hat gerade bei länger dauernden Partien oftmals Probleme mit den Strukturen dieses Sports. Der Frust über die eigene Fehlbarkeit lässt seine Form oft implodieren. Bei den Australian Open echauffierte er sich während des vierten Durchgangs gegen Hyon Chung (Südkorea) minutenlang darüber, dass das Flutlicht nicht rasch genug eingeschaltet würde - er gewann kein einziges Aufschlagspiel mehr.

Er ärgert sich zu viel

In Wimbledon regte er sich vor der 2:1-Satzführung gegen Ernests Gibli (Lettland) über den Linienrichter auf, er verlor den vierten Durchgang und den fünften gar mit 0:6. Kürzlich in Toronto ärgerte er sich über einen verlorenen Tie-Break gegen Stefanos (Griechenland) dermaßen, dass er den entscheidenden Satz in dieser, wie er nachher sagte, "lächerlichen Partie" auch noch abgab.

Zverev hatte die Wahl zwischen Boris Becker und Lendl, andere Kandidaten, das betonte er stets, seien für ihn nicht in Frage gekommen. In New York begründete er seine Wahl so: "Ich dachte einfach, Ivans Leben ist gerade ein wenig leichter. Ich mag Boris. Ich liebe ihn. Er ist ein klasse Typ. Ich habe ihm geschrieben und mit ihm gesprochen, ehe ich die Sache mit Ivan verkündet habe." Becker selbst begrüßte Zverevs Entscheidung ausdrücklich: "Ivan mit seiner langjährigen Erfahrung, besonders in New York, ist genau der richtige Mann", sagte er und: "Ich bin sehr froh über die Entscheidung von Sascha. Ich glaube, dass er gerade bei den Grand Slams Hilfe benötigt." Lendl dürfte vom Profil her tatsächlich ideal zu Zverev passen.

Nicht nur, weil er dreimal die US Open gewonnen hatte. Er weiß vor allem auch, wie das ist, wenn man den letzten großen Schritt nicht schafft. Und Zverev kam ja bislang bei Grand Slams nur einmal bis ins Viertelfinale, als Nummer vier der Weltrangliste hat er natürlich höhere Ansprüche. Lendl wird sicherlich viel im Mentalen mit Zverev arbeiten. Ehe der heute 58-Jährige 1984 bei den French Open seinen ersten Grand-Slam-Titel errang, hatte er zuvor viermal in Grand-Slam-Endspielen verloren. Nur ein ersehntes Ziel erreichte Lendl nie: den Wimbledonsieg. Dieser gelang ihm wiederum später zweimal als Trainer von Andy Murray, der unter seiner Anleitung die größten Erfolge feierte.

"Deshalb ist er da, ich will die größten Turniere der Welt gewinnen", sagt Zverev nun und schildert, wie er über Lendl denkt: "Er ist eine starke Persönlichkeit. Wenn er etwas sagt, hörst du auf ihn. Ich weiß genau, wer ich sein möchte, wer ich sein kann - nur solche Persönlichkeiten können dich dahin bringen." Er ist fürwahr erfolgsorientiert wie nur wenige.

Zverev, der in der ersten Runde an diesem Dienstag auf den kanadischen Qualifikanten Peter Polansky trifft, möchte schließlich auch mal eine Plakette in diesem Court of Champions haben, und falls er sie bekommt, dürfte darauf stehen: eine moussierende Persönlichkeit mit dem Gemüt eines Hochofens, seiden gemacht von dem Trainer mit der furchteinflößenden Aura.

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