Tennis:"Wahnsinn"

Tennis: Schreibt gerade ein kleines Märchen in den Sand von Gstaad: Yannick Hanfmann.

Schreibt gerade ein kleines Märchen in den Sand von Gstaad: Yannick Hanfmann.

(Foto: AP)

Tennisprofi Yannick Hanfmann ist seit seiner Geburt schwerhörig. Er hat erst neun Matches auf ATP-Niveau gespielt - doch nun steht er überraschend im Finale von Gstaad. Der vorläufige Höhepunkt einer unwahrscheinlichen Karriere.

Von Max Ferstl, München

Als sich Yannick Hanfmann schließlich vor die Fernsehkameras stellte, sah er nicht glücklich aus. Alle Spannung war aus seinem Körper gewichen, die Schultern hängend, der Blick leer. Fast zweieinhalb Stunden hatte Hanfmann im Halbfinale des ATP-Turniers in Gstaad mit seinem Kontrahenten Robin Haase gerungen. Jeder Muskel schmerze, sagte Hanfmann im SRF, "es fühlt sich an wie ein Alptraum." Aber es war eben auch: der Moment seines größten Triumphs.

Vermutlich war Hanfmann einfach zu überwältigt von dem, was gerade mit ihm passiert war. 3:6, 7:6, 7:6 hatte er gegen Haase gewonnen, es war sein sechster Sieg in dieser Woche von Gstaad. Hanfmann, aktuell die Nummer 170 der Weltrangliste, hatte sich durch die Qualifikation schlagen müssen, um überhaupt mitwirken zu dürfen. Am Sonntag (11.30 Uhr) wird er das erste Finale seiner Karriere spielen. Dort wartet der Italiener Fabio Fognini. Ein ungewöhnlicher Spieler, der spielen kann wie die Nummer Fünf der Welt - oder die Nummer 500. Fognini wird am Sonntag vermutlich einige Kunststücke aufführen und wahnwitzige Stoppbälle spielen. Aber er wird trotzdem der gewöhnlichere Spieler sein.

Yannick Hanfmann, 25, ist seit seiner Geburt schwerhörig. Schuld daran ist eine Erbkrankheit, die einen Knochen in seinem Ohr verwachsen ließ. In der Schule trug er ein Hörgerät, auf dem Platz verzichtet er darauf. Zwar bekommt Hanfmann manchmal einen Ausruf des Schiedsrichters nicht mit. Abgesehen davon wähnt er sich aber im Vorteil: "Weil ich nicht alles höre, was draußen geredet wird." So kann er sich auf das Wesentliche konzentrieren. Am Samstag stand Hanfmann vier Mal am Abgrund, Haase fehlte nur ein Punkt zum Sieg. Zwei Mal im Tie-Break des zweiten Satzes, zwei Mal bei 5:6 im dritten Satz. Doch Hanfmann blieb stabil, riskierte - und gewann. "Ich weiß gar nicht, wo ich war. Ich habe die wichtigen Punkte so gut gespielt", sagte Hanfmann. Er klang ehrlich überrascht.

Hanfmann hat seine Karriere umsichtig geplant

Vor drei Monaten war Hanfmann erstmals einem breiten Publikum aufgefallen. Bei den BMW Open in München drang er aus der Qualifikation bis ins Viertelfinale vor. In den Wochen danach reihte Hanfmann solide Ergebnisse aneinander. Nie überragend, nie so auffällig wie in München, aber beständig. Im Januar war Hanfmann die 317 der Welt, er tingelte von Future-Turnier zu Future-Turnier, der niedrigsten Kategorie von Profiturnieren, bei denen - bis auf den Sieger - die Spieler nur ein paar hundert Euro bekommen.

Hanfmann hat in seiner Karriere bisher 96 000 Dollar (etwa 81 000 Euro) Preisgeld verdient. Das klingt nach recht viel, ist aber wenig, wenn man Spesen und Personalkosten abzieht. Allein durch das Finale in Gstaad kommen nun über 45 000 Euro hinzu. Hanfmann tastet sich also gerade an die Regionen heran, in denen sich das Tennisprofi-Dasein lohnt. Die Weltrangliste wird ihn am Montag auf Rang 125 führen. Im Race to London, der Jahreswertung, liegt er bereits auf Position 96.

Seit zwei Jahren ist Hanfmann als Profi unterwegs. Als der Kommentator beim Schweizer Fernsehen Hanfmann am Samstag als "Youngster" bezeichnet, lag er also nur zum Teil daneben. Hanfmann ist zwar schon 25, andererseits war das Halbfinale gegen Haase erst seine neunte Partie auf ATP-Niveau. Aktuell zeigt sich, wie umsichtig Hanfmann seine Karriere geplant hat. Nach dem Abitur fühlte er sich nicht bereit für die harte Profi-Tour. Er legte einen Zwischenschritt ein, ging in die USA, machte an University of Southern California seinen Abschluss in "International Relations", und spielte für die College-Auswahl. Wettkampfhärter und selbstständiger sei er dadurch geworden, sagte Hanfmann damals in München. "Er ist vorbildlich in allem", lobte einmal Davis-Cup-Kapitän Michael Kohlmann. Hanfmann ist ein Spieler, der sich quälen kann.

In der Woche von Gstaat musste er geich vier Mal in den dritten Satz. Am Samstag, im Tie-Break des dritten Satzes, kamen auch noch Krämpfe. Auf dem Platz brachte er am Ende nur noch ein Wort heraus: "Wahnsinn". Damit war dann auch alles gesagt.

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