US OpenDjokovic raus, Zverev weiter

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Tja... 2023 wird das erste Jahr seit 2017 sein, in dem Novak Djokovic keinen Grand-Slam-Titel holt.
Tja... 2023 wird das erste Jahr seit 2017 sein, in dem Novak Djokovic keinen Grand-Slam-Titel holt. (Foto: Geoff Burke/USA Today Sports via Reuters)

Mit Novak Djokovic verabschiedet sich der nächste Favorit aus New York. Der Serbe unterliegt dem Australier Alexei Popyrin und spricht von einem „schrecklichen Match von mir“. Der Weg ins Finale scheint für Alexander Zverev nun offen zu sein.

Von Gerald Kleffmann

Es war ein wilder Freitagabend bei den US Open in New York. Erst zog sich das packende Duell der beiden Amerikaner Frances Tiafoe und Ben Shelton im Arthur Ashe Stadium in die Länge, Tiafoe siegte umjubelt in fünf Sätzen. Dann schien der Norweger Casper Ruud, der Finalist von 2022, gegen den Chinesen Juncheng Chang zu verlieren, drehte aber noch einen 0:2-Satzrückstand. Dann schied der Italiener Lorenzo Musetti, Bronzegewinner bei Olympia in Paris, gegen den Amerikaner Brandon Nakashima aus. Dann brauchten die Amerikanerin Madison Keys und die Belgierin Elise Mertens fast drei Stunden, ehe Mertens feierte – und erst dann, es war fast 23 Uhr, durfte Alexander Zverev zu seinem Drittrundenmatch auf den Platz im Louis Armstrong Stadium. 

Seinen Matchball verwandelte Zverev schließlich um 2.35 Uhr am Samstagfrüh. Er siegte nach zähem Kampf mit 5:7, 7:5, 6:1, 6:3 gegen Tomás Martín Etcheverry, 25, aus La Plata, Nummer 33 der Weltrangliste, und hat damit zum sechsten Mal das Achtelfinale bei den US Open erreicht. Es war das zweitspäteste Matchende der Turniergeschichte; nur das Viertelfinale 2022 zwischen Carlos Alcaraz und Jannik Sinner endete später (2.50 Uhr). Das Match dauerte aber länger als das legendäre Schweden-Duell zwischen Mats Wilander und Mikael Pernfors, bei denen 1993 erst um 2.26 Uhr Schluss war.

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Parallel zu Zverevs Matchbeginn ging wiederum ein anderes Spiel dem Ende entgegen. Überraschend verlor im Arthur Ashe Stadium Novak Djokovic, mit 4:6, 4:6, 6:2, 4:6 gegen den Australier Alexei Popyrin, 25, den 28. der Weltrangliste. Das letzte Mal crashte Djokovic 2017 in der zweiten Runde eines Grand Slams so früh heraus, damals bei den Australian Open gegen den Usbeken Denis Istomin. Nach dem Aus von Carlos Alcaraz (Silber-Gewinner in Paris) tags zuvor gegen den Außenseiter Botic van de Zandschulp aus den Niederlanden und nun Djokovics Scheitern dünnt das Feld der Favoriten aus. Das ist natürlich gut für Zverev. Im Halbfinale hätte der 24-malige Grand-Slam-Sieger Djokovic sein Gegner sein können. Der Weg ins Finale ist für Zverev nun sehr machbar. Er trifft zunächst am Sonntag auf Nakashima.

Bemerkenswert auch diese Fakten: Erstmals seit 2017 gewinnt Djokovic keinen Grand-Slam-Titel in einer Saison. Der Letzte, der seinen US-Open-Titel verteidigte, bleibt Roger Federer (2008). Zudem gibt es das erste Mal seit 2002 in einer Saison keinen Grand-Slam-Sieger, der Djokovic, Federer oder Rafael Nadal heißt. Und, was auch noch zu dieser verrückten Nacht passte: Das letzte Match im Arthur Ashe Stadium zwischen der Belarussin Aryna Sabalenka (die in drei Sätzen siegte) und der Russin Jekaterina Alexandrowa begann um 0.08 Uhr – so spät war noch keine Partie aufgenommen worden in New York. Dabei wollte das Turnier nach Debatten im Vorjahr die Spieler besser schützen.

Zungenfertig während des Spiels und danach: Alexander Zverev trifft nun auf den US-Amerikaner Brandon Nakashima.
Zungenfertig während des Spiels und danach: Alexander Zverev trifft nun auf den US-Amerikaner Brandon Nakashima. (Foto: Charly Triballeau/AFP)

Die Partie von Zverev begann skurril, gleich beim ersten Ballwechsel nahm Zverev den Videobeweis in Anspruch, er glaubte, sein Ball sei vor seinem Rückhandschlag nicht zweimal aufgesprungen, wie es die Schiedsrichterin entschieden hatte. Er lag falsch. Zverev fand nicht gut in das Match, verlor sein Aufschlagspiel. Er wirkte ungeduldig, hektisch. Es dauerte, bis er sein Spiel stabilisierte. Re-Break zum 4:4, es blieb eng, Etcheverry spielte Sandplatztennis auf Hartplatz. Djokovics Aus wurde auf der Videowand gezeigt, Zverev bekam es so mit. Prompt verlor er den Satz, 5:7, und auch im zweiten Satz blieb der Argentinier der aktivere Spieler, Break für ihn zum 3:2, Zverev glich zum 4:4 aus und konterte mit dem Satzgewinn, 7:5.

Unterdessen saß Djokovic in der Pressekonferenz und gab zu: „Mein Spiel fiel auseinander. Ich fühlte mich nicht frisch von Beginn an.“ Und er befand: „Es war ein schreckliches Match von mir. Ich habe teils mein schlechtestes Tennis jemals gespielt, so schlecht aufgeschlagen wie nie.“ (14 Doppelfehler gaben im Recht.) Er meinte gar: „Ich fühlte mich wie ein Amateur, aber das ist Teil des Sports. Olympia hatte wohl großen Einfluss, und ich hatte mich gefragt, ob ich kommen soll oder nicht. Ich kam, weil es ein Slam ist. Es endete schlecht, es geht weiter.“ In Paris hatte er Gold gewonnen, sein letzter fehlender großer Titel.

Djokovic raus? „Das ist schon ein großer Name, ne?“, sagt Zverev

Zverev und Etcheverry klopften die Bälle weiter ballmaschinengleich hin und her, doch Zverev bestimmte die Partie etwas mehr. Aber der Argentinier klebte an ihm wie ein lästiger Kaugummi, er ließ sich kaum abschütteln. Bei 3:2 im vierten Satz hatte der Außenseiter drei Breakbälle, er nutzte keinen, so setzte sich Zverevs leicht aggressiveres Spiel durch. „Ich hing anfangs in den Seilen“, gab er beim Platz-Interview zu und lobte Etcheverry für dessen starke Gegenwehr. Sogar zum Witzemachen war Zverev noch aufgelegt, er bedankte sich bei den verbliebenen paar tausend Zuschauern und meinte, es sei toll, dass sie da seien – er wäre vielleicht nicht so lange geblieben auf der Tribüne und hätte sich an einem freien Freitag in New York wahrscheinlich etwas anderes vorgenommen.

Zverev schaffte mit dem Sieg noch einen speziellen Rekord: Er ist der erste Profi, der 1990 oder später geboren wurde, dem 100 Matchsiege gelangen (100:34). Sofort nach dem Spiel ging es für Zverev aufs Rad, zum Auslockern, mit freiem Oberkörper gab er einer kleinen Gruppe an Reportern ein paar Antworten. Für den späten Start könne das Turnier nichts, sagte er, „es war heute das Pech, dass die Matches davor so lange gingen“. Und dass Djokovic verlor und nicht mehr seinen Weg kreuzen kann? Er wisse jetzt, dass der 37-jährige Serbe nicht mehr in seiner Hälfte sei. „Das ist schon ein großer Name, ne?“, sagte Zverev, „aber am Ende des Tages muss ich mich auf mich selber konzentrieren.“ Erst recht, wenn er weiter Nachtschichten wie am Freitag bestehen muss.

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