Tennis„Ich bereue nichts“

Lesezeit: 2 Min.

Emotionaler Moment: Dominic Thiem bei seinem letzten Interview im Arthur Ashe Stadium.
Emotionaler Moment: Dominic Thiem bei seinem letzten Interview im Arthur Ashe Stadium. (Foto: Seth Wenig/AP)

Der Österreicher Dominic Thiem hat den Großen Drei des Tennis die Stirn geboten: Nun verabschiedet sich der US-Open-Sieger 2020 von New York.

Von Gerald Kleffmann, New York

Dominic Thiem freut sich jetzt auf viele Dinge, vor allem auf eines: nicht mehr die Koffer packen zu müssen. „Ich liebte es, auf der Tour zu spielen“, sagte er, „aber, ehrlich gesagt, habe ich es immer genossen, daheim zu sein und ein normales Leben zu führen.“ Pläne hat er: Das Thema Nachhaltigkeit interessiere ihn, sein Vater betreibt eine Tennisakademie, dort wolle er sich einbringen. Thiem wirkte aufgeräumt, gelöst, er ist längst Realist geworden. Nach seinen körperlichen Leiden ist das kein Wunder, und deshalb kann er ohne Gram sofort sagen, was ihm am meisten fehlen wird in seiner Zukunft ohne Tennis: „Dieses Gefühl, nachdem ich ein großartiges Spiel gewonnen habe. Es ist mit nichts anderem vergleichbar.“

Es war bekannt, dass Thiem im Herbst seine Karriere beenden wird, beim Heimturnier in Wien. Zuvor hat er in Frankfurt einen Einsatz beim Showevent UTS. In New York hat er sich nun von jener Bühne verabschiedet, auf der ihm der größte Erfolg gelang: 2020 gewann der mehr schuftende als spielende Österreicher aus Wiener Neustadt die US Open in einem zermürbenden Finale gegen Alexander Zverev, der schon zum Sieg aufgeschlagen hatte. Der positiv verrückte Thomas Muster war der einzige Österreicher, der vor ihm einen Grand-Slam-Titel im Einzel errungen hatte, 1995 bei den French Open. Thiem zwang eine komplizierte Verletzung am rechten Handgelenk, seinem Schlagarm, dazu, im März die Entscheidung zu treffen: Es hat keinen Sinn mehr, auf dem Platz zu stehen.

Natürlich war Thiem im sportnarrischen Austria ein Held und Gegenstand täglicher Berichterstattung, auch auf der globalen Tour genoss er stets einen besonderen Respekt. „Er ist so ein netter Typ, ein großartiger Spieler“, huldigte ihm Ben Shelton am Montag, vermöbelt hatte er Thiem trotzdem, 6:4, 6:2, 6:2 in der ersten Runde der US Open. Der Amerikaner zollte Thiem Tribut, im Namen so vieler. Es habe ihm leidgetan zu sehen, „wie er durch so viele Verletzungen gehen musste“. Von Thiem habe er gelernt aufzustehen. Und durch Thiems Schicksal wurde ihm die Vergänglichkeit des Erfolgs bewusst. „Tennis ist nicht für die Ewigkeit.“

Thiem, angeleitet und gedrillt von der Trainerlegende Günter Bresnik, der später das Buch „Die Dominic-Thiem-Methode“ verfasste, war der Erste der neuen Generation, der den Königen seines Sports die Stirn bieten konnte. Sein Markenzeichen: die kerzengerade geschlagene einhändige Rückhandpeitsche. Rafael Nadal besiegte er sechsmal (Bilanz 6:10), Roger Federer (5:2) und Novak Djokovic (5:7) jeweils fünfmal. 2018 und 2019 stand er im Finale der French Open, dort verlor er beide Male gegen Nadal. 2020 ein weiteres großes Endspiel, Djokovic setzte sich bei den Australian Open durch.

Die US Open haben ihn wie einen Amerikaner verabschiedet, Thiem erhielt eine Wildcard, durfte im riesigen Arthur Ashe Stadium auflaufen, er erhielt ein Präsent, wurde interviewt. Er geht mit sich im Reinen, auch wenn er erst 30 ist: „Ich hätte nie erwartet, dass meine Karriere so erfolgreich sein wird“, sagte Thiem und betonte: „Ich bereue nichts, und es geht mir gut damit.“

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Tennis bei den US Open
:Djokovic, der Staatsmann

Was macht einer, der wirklich alles gewonnen hat? Aufhören will Novak Djokovic nicht, er hat sich neue Ziele gesetzt – und findet in einer Art Regierungserklärung kritische Worte für die Szene.

SZ PlusVon Gerald Kleffmann

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: