US Open:Pas de deux mit Schleife

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Mit persönlicher Note: Die Japanerin Naomi Osaka beim Aufwärmen vor ihrem ersten Match in New York. (Foto: Timothy A. Clary/AFP)

Naomi Osaka ist ein Weltstar im Tennis – die in Regensburg lebende Amerikanerin Simone Zitzelsberger-Elliott ist ihre Mentaltherapeutin und soll die junge Japanerin auf ihrem schweren Weg durch die Szene unterstützen.

Von Gerald Kleffmann, New York

Die Augen von Simone Zitzelsberger-Elliott leuchten. Sie kommt gerade aus dem Gym, dem Fitnessraum der US Open, beschwingt wirkt sie im Player’s Garden. Dieser herrliche Sommertag in New York ist auch für die 36 Jahre alte Amerikanerin aus Seattle, die in Regensburg lebt und mit dem im Profitennis renommierten Physiotherapeuten Florian Zitzelsberger verheiratet ist, ein guter. Ihre Klientin, die längst eine Vertraute ist, hat nicht nur in der ersten Runde des Grand-Slam-Turniers gewonnen. Naomi Osaka hat einen, wie Zitzelsberger-Elliott sagt, „Supertag“ erwischt.

Am Ende, nach dem Handschlag am Netz, hatte Osaka sogar einige Tränen geweint, Tränen der Rührung. Sie war von ihren positiven Gefühlen überwältigt.

Natürlich, da war Osakas spielerisch überzeugender 6:3, 6:2-Sieg gegen die an Nummer zehn gesetzte Lettin Jelena Ostapenko. Osaka wuchs in New York auf, hier gewann sie 2018 ihre erste Grand-Slam-Trophäe, hier begann, wie Zitzelsberger-Elliott sagt, Osakas „Reise“. Da war aber auch die souveräne Art dieses Erfolges, die Zitzelsberger-Elliott begeisterte. Souverän aus mentaler Sicht. Sie ist, was kaum einer weiß, die Mentaltherapeutin, die sich jeden Tag um die viermalige Grand-Slam-Gewinnerin kümmert, die eine Sonderrolle über ihren Sport hinaus eingenommen hat.

Das Kleid entwarf sie zusammen mit der Designerin Yoon Ahn und ihrer Ausrüsterfirma

Die Aufgabe, die die frühere Profi-Balletttänzerin Zitzelsberger-Elliott hat, ist gewiss eine der spannendsten im Tennis hinter den Kulissen. Osaka zählt zur Kategorie globaler Star. Sie hat Millionenverträge mit Sponsoren, hat in der Firma Evolve eine der bekanntesten Vermarktungsagenturen hinter sich. Osaka gilt als Stimme gegen soziale Ungerechtigkeit, sie war eine der Ersten, die das tabuisierte Thema mentale Gesundheit wieder ins Bewusstsein des schnelllebigen, oft rücksichtslosen Tenniskosmos rückte.

Als Modeliebhaberin fiel Osaka an diesem Dienstagnachmittag auch auf. In einem mintgrünen Dress samt Geschenkschleife am Rücken, das sie zusammen mit der Designerin Yoon Ahn und ihrem Sportbekleidungssponsor entworfen hatte, betrat sie das Louis Armstrong Stadium, die Fotos des Outfits sausten sofort durch die sozialen Medien.

„Naomi hat extrem viel Kreativität", sagt Zitzelsberger-Elliott: "Das zeigt sie auch sehr gerne durch Fashion." Hier ein Detail. (Foto: Timothy A. Clary/AFP)

„Sie kommt manchmal sehr ruhig rüber, sie hat aber eine ganz große Persönlichkeit. Sie hat extrem viel Kreativität. Das zeigt sie auch sehr gerne durch Fashion“, erklärt Zitzelsberger-Elliott: „Das Kleid spiegelt ihr Inneres.“ Schließlich sei Osaka neugierig, wissbegierig, sagt Zitzelsberger-Elliott und erzählt, dass Osaka mit ihr auch Ballett tanze, um das Körpergefühl und die Koordination zu fördern: „Sie liebt es, in den Körper hineinzugehen.“ So umschreibt sie das. „Sie ist ein Weltstar, aber auch ein geerdeter Mensch.“

Osakas Rückkehr auf die Tennistour nach der Geburt ihrer Tochter Shai verlief bislang sportlich insgesamt passabel, mehr nicht. In Paris hatte sie zwei Matchbälle gegen die French-Open-Dominatorin Iga Swiatek, verlor dennoch. New York soll eine Art Neustart werden. Und die Leistung gegen Ostapenko war tatsächlich überzeugend. „Sie war so konzentriert von Anfang bis Ende“, lobt Zitzelsberger-Elliott. „Sie war so konsequent mit ihrer Strategie. Dass dann die Emotionen hochkommen, ist total verständlich.“

Später, auf der Pressekonferenz, hat Osaka über diese ungewöhnliche Situation gesprochen, tausend Gedanken hatte sie. Sie dachte an den verunglückten Basketballprofi Kobe Bryant, den sie bewunderte und der ihr einmal in jenem Louis-Armstrong-Stadion bei einem Match zugesehen hatte. Sie sah Kinder und dachte zugleich an ihre kleine Tochter. Die Tränen verrieten, unter welchem Druck ein Profi wie Osaka steht. Genau für solche Fälle gibt es Fachkräfte wie Zitzelsberger-Elliott. Sie hilft Osaka, Druck zu kanalisieren.

Am Tag vor dem Match gegen Ostapenko hatten sich die beiden überlegt, wie sie in diese Partie ziehen. Welche Miniziele sie sich setzen. Welchen Druck die Japanerin an sich heranlassen solle, welchen nicht. So machen sie das immer, seit Dezember 2023, seit die zwei zusammengefunden haben. Florian Zitzelsberger ist der Physiotherapeut von Osaka, so führten die Wege von Osaka und Zitzelsberger-Elliott zueinander.

Nach ihrem ersten großen Sieg 2018 stahl ihr Serena Williams die Aufmerksamkeit

Osakas Vita zählt zu den komplexen im Frauentennis. Ihr Vater stammt aus Haiti, die Mutter von der japanischen Insel Hokkaido. In Long Island, New York, wuchs Osaka auf. Innere Zerrissenheit sollte sie zeit ihres Lebens begleiten. Sie musste sich, weil es das japanische Gesetz verlangt, vor ihrem 22. Geburtstag entscheiden, welche Staatsangehörigkeit sie behalten wolle, sie wählte die japanische. Als sie 2018 die US Open gewann, wurde das Finale von einer Auseinandersetzung ihrer Finalgegnerin Serena Williams, der Überfigur des Frauentennis, mit dem Schiedsrichter überschattet. Die US Open gewann sie 2020 erneut, dazu zweimal die Australian Open (2019, 2021).

2021 stieg sie nach der ersten Runde bei den French Open dann aus und führte mentale Probleme an. Sie musste auch Kritik einstecken: Moniert wurde, dass sie als extrovertierte Werbeperson auftrat, viel verdiente und doch über die Härten des Star-Daseins klagte.

Diese Phase habe Osaka hinter sich gelassen, sagt Zitzelsberger-Elliott. „Sie ist definitiv stärker geworden. Vor allem kann sie jetzt darüber sprechen. Sie hat wahnsinnig viel aus dieser Zeit gelernt. Sie reflektiert viel. Sie schaut immer wieder zurück, wir reden auch über vergangene Sachen. Hauptsächlich aber geht es darum: Wie reagieren wir auf die Challenges, die jetzt auf uns zukommen?“

Eine Antwort gab Osaka, die neue, erfrischende, offene Osaka selbst an diesem Montag in New York. Beim Nachgespräch im Gym, berichtet Zitzelsberger-Elliott, sei Osaka so gut drauf gewesen, dass sie rief: „Hey, ich habe das Gefühl, ich könnte noch eine Einheit machen. Ich fühle mich so richtig gut.“ Das war definitiv auch ein Zeichen, dass Zitzelsberger-Elliott, die Amerikanerin aus Regensburg, ihre Arbeit richtig gemacht hat.

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