Die Amerikaner lieben ihre Promis, bei den US Open läuft das Spielchen so ab: Wenn die Tennisprofis sich bei der Seitenwechselpause kurz hinsetzen, werden in regelmäßigen Abständen auf der Videowand bekannte Menschen eingeblendet, die im mächtigen Arthur Ashe Stadium sitzen. Dann jubeln die 24 000 Menschen – oder die rund 20 000, weil sich ja immer viele Leute gerade etwas zum Essen oder Trinken holen. Die Angst hier muss groß sein, während des Besuches eines Matches zu verhungern oder zu verdursten.
Die Sängerinnen Gladys Night und Alicia Keys etwa waren schon da, Ted-Lasso-Darsteller Jason Sudeikis winkte brav im Holzfällerhemd, Gitarrist John Mayer, Talkshow-Gastgeber Stephen Colbert und Modedesignerin Vera Wang wurden auch gesichtet. Als Emma Navarro am Dienstag ihr Viertelfinale spielte und 6:2, 7:5 gegen die Spanierin Paula Badosa gewann, sah Katie Ledecky zu, die neunmalige Olympiasiegerin im Schwimmen.
Emma Navarro, 23, wiederum könnte selbst bald den Status stattlicher Prominenz erlangen, zumindest als Tennisspielerin. Denn bekannt ist sie schon aus einem anderen, sportfremden Grund. Ihr Vater Ben, ein Geschäftsmann, zählt zu den reichsten Menschen der USA: Somit haben sich zwei Töchter von Milliardären in die Runde der letzten Acht bei den US Open gespielt. Jessica Pegula (im Viertelfinale gegen Iga Swiatek), deren Vater Terry das NFL-Team Buffalo Bills und das NHL-Team Buffalo Sabres besitzt, ist bereits etabliert im Frauentennis, sie ist Sechste in der Weltrangliste.
Navarro ist von Natur aus eher zurückhaltend, kann aber ordentlich austeilen, spielerisch
Navarro war Ende 2022 noch Nummer 127 im WTA-Ranking, vor dieser Saison 38., aktuell ist sie Zwölfte, und nach den US Open wird sie zu den Top Ten zählen. Ihre Entwicklung geht steil nach oben, was auch an ihren Grand-Slam-Ergebnissen 2024 abzulesen ist: Bei den French Open war sie im Achtelfinale, in Wimbledon im Viertelfinale, in ihrer Geburtsstadt New York mindestens im Halbfinale. An diesem Donnerstag trifft sie auf die letztjährige Finalistin Aryna Sabalenka.
„Ich bin zufrieden mit der Entwicklung, mich auf großen Bühnen einfach wohler zu fühlen“, sagte Navarro, die von Natur aus eher zurückhaltend ist, auf dem Platz in spielerischer Hinsicht aber ordentlich austeilen kann. Sie verteilt die Bälle sehr lässig, als gäbe sie eine Trainerstunde. Damit ist Navarro so ziemlich der Gegenentwurf zu Sabalenka, ihrer kommenden Gegnerin, die draufhaut, als gebe es kein Morgen.
Die Weltranglistenzweite aus Belarus hatte ihrerseits am Dienstagabend bei ihrem 6:1, 6:2-Erfolg gegen Olympiasiegerin Qinwen Zheng einen prominenten Zuseher, Herrn Roger Federer. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass er gekommen ist, um sich Tiafoe und Dimitrov anzusehen“, sagte Sabalenka – der Amerikaner Frances Tiafoe besiegte nach ihr in der Night Session den Bulgaren Grigor Dimitrov und trifft nun auf Alexander Zverevs Bezwinger Taylor Fritz in einem amerikanischen Halbfinale, dem ersten der Männer übrigens seit 2005. Lachend fuhr Sabakenka fort: „Aber ich hatte trotzdem das Gefühl, dass ich mein bestes Tennis spielen muss. Ich muss mein Können unter Beweis stellen, meine Slice-Fähigkeiten.“
Federer, der frühere Tennisästhet und 20-malige Grand-Slam-Champion, der den Rückhandschlag mit Unterschnitt in Perfektion beherrschte, hatte sichtlich Spaß. Er winkte vergnügt wie die Promis vor ihm, als die Kamera ihn wiederholt einfing.