Tennis-Rabauken:Zwei Hitzköpfe gehen zu weit

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Klein, aber furchterregend: Julia Putinzewa. (Foto: Kirsty Wigglesworth/AP)

Julia Putinzewa und Andrej Rublew verlieren bei den US Open die Contenance – das hat Folgen: Sie empört die Zuschauer, und er braucht den Arzt. Da kann nur Seneca helfen.

Von Gerald Kleffmann, New York

Von den Tennisprofis Andrej Rublew und Julia Putinzewa ist bekannt, dass sie privat umgängliche Menschen sind. Der 26-jährige Russe hat früher sogar mal in einer Boyband gesungen, zum Spaß, er sah friedlich aus dabei, Typ braver Schwiegersohn, auch wenn die Musik schrecklich war. Die 29 Jahre alte Russin Putinzewa, die seit 2012 für Kasachstan antritt, spielt gerne Karten und mag Eminem, was sie auch nicht unsympathisch macht.

Auf dem Tennisplatz freilich wird sie manchmal eine „Gangsterin“, so hat sie sich selbst beschrieben. Wenn ihr Blut in Wallung gerät, gibt es kein Halten mehr. Ihren Trainer hatte sie mal angepflaumt mit den Worten: „Hör auf, so dämlich zu grinsen.“

Physio auf dem Platz: Andrej Rublew muss sich an der Hand behandeln lassen, die er vor Wut traktiert hatte. (Foto: Andrew Kelly/Reuters)

Rublew und Putinzewa praktizieren eben nicht wirklich das, was der römische Philosoph Seneca empfohlen hatte („Das wirksamste Mittel gegen den Zorn ist Aufschub“). Das hat beiden bei den US Open in New York mal wieder zu zweifelhaften Auftritten verholfen, wobei Rublew seinerseits mehr körperliche denn seelische Schmerzen davontrug. Im Achtelfinale gegen den Bulgaren Grigor Dimitrov haute er sich bei 1:3 im ersten Satz derart hart mit der Schlägersaite gegen den eigenen linken Handballen, dass er sich behandeln lassen musste. Dabei hatte Rublew, nachdem er sich in Wimbledon jüngst erst siebenmal aufs Knie gezimmert hatte, so sehr Besserung gelobt. Immerhin rastete er, obwohl oft genug kurz davor, nicht ein weiteres Mal aus. Das Match gegen Grigor Dimitrov indes verlor er im fünften Satz. Ein Wiederholungstäter auf Bewährung bleibt er.

Putinzewa hatte bei ihrer Niederlage gegen die Italienerin Jasmine Paolini mit einer Aktion anderer Natur viele empört. Zweimal ließ sie sich von dem Ballmädchen den Ball zuwerfen, fing diesen aber nicht, sondern ließ diese regungslos an sich abprallen. Buhrufe im Stadion folgten und ein Shitstorm bei X. Boris Becker etwa schrieb: „Was denkt Putinzewa, wer sie ist...“ Tags darauf meldete sich die Angeklagte zu Wort: „Ich möchte mich bei dem Ballmädchen dafür entschuldigen, wie ich mich verhalten habe“, schrieb sie bei Instagram: „Ehrlich gesagt ging es nicht um sie. Ich war wirklich sauer auf mich.“ Vielleicht hatte sie ja über Nacht, nach ihrer Niederlage, doch Seneca gelesen. Der hatte auch geurteilt: „Ein jeder leidet unter dem, was er getan; das Verbrechen kommt wieder auf seinen Urheber zurück.“

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