Mit wem sie gerne einmal essen gehen würde? Karolina Muchova nahm die Frage sehr ernst. Mehrere Sekunden brütete sie vor sich hin, „das ist schwer, da jemanden herauszupicken“, sagte sie. Dann legte sie sich fest: „Ich würde auf jeden Fall jemanden wie Roger oder Rafa oder Djokovic wählen“, sprach sie und meinte damit einen der großen Drei im Tennis, Roger Federer, Rafael Nadal und Novak Djokovic. „Ich würde versuchen, ein paar Insiderinformationen zu bekommen“, fuhr sie fort. „Sie haben so viele Majors und Ähnliches gewonnen. Ich würde mich für eine Tennisperspektive entscheiden.“
Muchova, 28, aus Olmütz und inzwischen in Prag sesshaft, liebt Tennis, das sagte sie wiederholt, sie sauge alles auf, und deshalb macht sie keinen Hehl daraus, dass sie auch Männertennis zur Orientierung verwendet. Wo steht sie? Was könnte sie verbessern? Sie hat sich immer wieder etwas abgeschaut – zum Beispiel von Federer die schleichende Katzenhaftigkeit in ihren Bewegungen oder ihr Gespür für den Volley.
Am Montagmittag in ihrem Achtelfinale der US Open hat Muchova sogar ein Manöver auf dem Platz im Louis Armstrong Stadium umgesetzt, das SABR genannt wird – Sneak Attack by Roger. Federer hatte diesen Spielzug vor einigen Jahren kreiert, er nahm äußerst aggressiv den Ball beim Return, blockte ihn, sprintete sofort ans Netz. Oft genug war der Aufschläger so überrascht, dass er den Ball verschlug.
Ihre Gegnerin, die Italienerin Jasmine Paolini, Finalistin zuletzt in Paris und Wimbledon, brachte zwar die Filzkugel zurück, doch letztlich machte Muchova auch diesen Punkt. 6:3, 6:3 siegte die Tschechin, die viele im Tennis für die Spielerin mit dem größten Schlagrepertoire halten. Sie beherrscht wirklich alle Techniken auf höchstem Niveau, und weil sie manchmal eben auch Varianten zeigt, die man eher von der Männerfraktion kennt, brachte ihr das nun eine unangenehme Debatte ein.
Chris Evert, 69, eine der großen Figuren der Tennisgeschichte, hatte im Fernsehen gesagt, Muchova spiele „wie ein Mann“, nur eine Einschränkung sehe sie: „Die Jungs haben härtere Aufschläge als die Frauen, sie haben größtenteils bessere Volleys, sie bewegen sich ein bisschen besser.“ Diese Bemerkung stieß bei einigen auf. „Muchova ist eine unglaublich talentierte Spielerin. Sie muss kein Typ sein, um großartigen Aufschlag, Volley oder Bewegung zu haben“, erwiderte die dreimalige Grand-Slam-Finalistin Ons Jabeur aus Tunesien auf der Plattform X und forderte: „Können wir bitte mit der Stereotypisierung aufgrund des Geschlechts aufhören?“ Evert entschuldigte sich und versicherte, sie habe niemanden verletzen wollen.

Nach ihrem Zweitrundensieg gegen Naomi Osaka wurde Muchova prompt gefragt, wie sie Everts Äußerungen einstufe. Sie guckte verdutzt, blieb aber ruhig, so schnell bringt sie nichts aus der Fassung. Die Geschlechterdebatte befeuerte sie kein bisschen, sondern sie gab offen zu: „Aber ja, offensichtlich habe ich mich von einigen wie Roger Federer und Novak Djokovic inspirieren lassen. Ich verfolge gerne das, was sie tun.“ Damit war das Thema dann auch durch.
Es ist keine gewagte These zu behaupten, dass Muchova die beste aktive Spielerin ist, die noch keinen Grand-Slam-Titel errang. Zum einen hinderten sie immer wieder Verletzungen, Ende 2023 zum Beispiel, nach einem großartigen Jahr, stieg sie kurz vor den WTA-Finals aus der Saison aus. Im Frühjahr ließ sie sich am rechten Handgelenk operieren. Zum anderen fehlt ihr oft die Konsequenz, die Gnadenlosigkeit, ein Match dominant zu Ende zu spielen. Bei den French Open 2023 hatte sie Chancen auf den Sieg, doch verlor mit 4:6 im dritten Satz gegen Iga Swiatek. In New York startete sie jetzt aus einer anderen Position: Sie hatte kaum Spiele bestritten, erst im Juni war sie zurückgekehrt, verlor in Wimbledon in der ersten Runde. Ihr wirkliches Comeback gibt sie bei den US Open.

Der Respekt, der Muchova entgegengebracht wird, ist immens; ungewöhnlich auch, wie sehr sie sogar von denen gepriesen wird, die sie mit ihrem 1000-Optionen-Spiel besiegt. „Ich genieße es, sie spielen zu sehen und auch gegen sie zu spielen, selbst wenn es nicht gut für mich ausgeht“, sagte die viermalige Grand-Slam-Gewinnerin Naomi Osaka, die in New York in der zweiten Runde gegen Muchova verlor. „Ich bin ein Fan von ihr“, sagte das Achtelfinalopfer Paolini. „Ich mag ihr Spiel, sie kann jeden Schlag, Slice, Volley, alle Varianten, Serve & Volley. Sie ist eine komplette Spielerin.“
New York ist ein Ort, den Muchova schätzt, sie wollte sich hier auch eine Gitarre kaufen, sie spielt ausgezeichnet, Musik beruhige sie. Bei den US Open in Queens spielte sie 2018 ihr erstes Grand-Slam-Turnier, 2023 erreichte sie das Halbfinale, bevor sie gegen Coco Gauff verlor. Sie werde auch im Viertelfinale am Mittwoch gegen die Brasilianerin Beatriz Haddad Maia (Dreisatzsiegerin gegen die Dänin Caroline Wozniacki) ihrem Stil treu bleiben, sagte Muchova und stapelte tief: „Ich weiß nicht, ob er einzigartig ist, aber yeah, ich mag es, die Sachen zu mischen.“ Sie will, im wahren Wortsinn, „ihr eigenes Spiel spielen“ und nicht nur zurückkämpfen „und stur Vorhand/Rückhand raushauen“. Keine Sorge, Monotonie hat ihr noch nie jemand vorgeworfen.