Pablo Carreño Busta bei den US Open:Er leidet und lässt den Gegner leiden

Lesezeit: 4 min

Alexander Zverevs Kontrahent im Semifinale am Freitag hat einiges erlebt bei diesen US Open: Fünf-Satz-Schlachten, ein eingeklemmter Nerv und natürlich das Drama um Djokovic.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Der Spanier liebt es zu leiden. Wie sonst sollte man erklären, was da beim Viertelfinale am Dienstagabend passiert ist. Denis Shapovalov (Kanada) hatte den vierten Satz mit 6:0 gewonnen, er hatte seinen Gegner Pablo Carreño Busta nicht nur in den Ringseilen, sondern sogar am Boden - ein eingeklemmter Nerv. "Der Physio hat was probiert", sagte der Asturier Carreño Busta danach. Er stand auf nach dieser Behandlung, und er gewann die Partie mit 3:6, 7:6(5), 7:6(4), 0:6, 6:3. Mehr als vier Stunden dauerte das Gefecht, über das Carreño Busta befand: "Hach, das war eine richtig schöne Schlacht. So was können wir öfter machen."

Der Spanier liebt es zu leiden. Natürlich klingt so ein Satz nur dann nicht kitschig, wenn er aus dem Mund eines Spaniers kommt. Der spanische Trainer Alberto Lopez hat ihn gesagt, im Buch "The Secrets of Spanish Tennis" von Chris Lewitt, das übrigens auch "The Game of Carreño Busta" heißen könnte. In einem Kapitel geht es darum, dass spanische Tennisspieler bereits als kleine Kinder darauf gedrillt werden, mit den physischen, vor allem aber den mentalen Aspekten einer langen Partie umzugehen. Rafael Nadal beweist das seit fast zwei Jahrzehnten, er folgte den unvergessenen Sergi Bruguera und Carlos Moyá, nun zeigt es Carreño Busta.

Dessen US-Open-Geschichte spielt natürlich zumindest ein wenig im Konjunktiv, weil: Würde er am Freitag gegen Alexander Zverev im Halbfinale spielen, hätte Novak Djokovic (Serbien) den Ball irgendwo anders platziert als am Hals einer Linienrichterin? Mehr noch: Als New-York-Times-Experte Ben Rothenberg auf Twitter seine Verblüffung über den Achtelfinal-Einzug von Carreño Busta ausdrückte, antwortete Tennis-Gesamtkunstwerk Nick Kyrgios: "Gäbe es keine Sandplätze, wäre der Typ nicht mal den Top 50 nahe." Er hat die Lästerei mittlerweile gelöscht - wohl auch deshalb, weil Carreño Busta zum zweiten Mal im Halbfinale der US Open (auf einem Hartplatz) steht und er selbst noch nie übers Viertelfinale bei einem Grand Slam hinausgekommen ist.

SZ-Podcast "Und nun zum Sport"
:US-Open: Djokovics Eklat und die Folgen

Politische Proteste, Verzweiflung und Pannen bei der Abschottung und nun auch noch ein Eklat um Novak Djokovic: Beim Grand Slam in New York ist neben dem Platz so viel los wie selten. Mit welchen Folgen für die Tenniswelt?

Von Anna Dreher und Jürgen Schmieder

Vielleicht mal weniger Konjunktiv: Carreño Busta hatte gegen Djokovic drei Satzbälle abgewehrt und ihm dann das Aufschlagspiel abgenommen, er schlug zum Satzgewinn auf. Kann es sein, dass Djokovic es ganz offensichtlich nicht so liebt zu leiden, und dass er diesen Ball auch aus Frust über den unangenehmen Gegner so wütend nach hinten geschlagen hat?

Es stimmt: Die Spielweise von Carreño Busta entfaltet ihre Wirkung am besten auf langsamen Sandplätzen, auf denen europäische Tenniskinder aufwachsen, und sie wird wunderbar in diesem Buch aufgedröselt: herausragende Beinarbeit, die einen scheinbar unerreichbare Bälle erreichen und gleich danach wieder in die Mitte des Spielfeldes zurückzukommen lässt, um den nächsten Angriff abwehren zu können. Dazu Fitness, lange Ballwechsel konzentriert zu Ende zu spielen. Konsistenz bei den Grundschlägen, verbunden mit der Fähigkeit, das Tempo schnell für Konter zu wechseln. Und die mentale Fähigkeit, es zu akzeptieren, 80 Prozent in der Defensive zu verbringen und den Gegner nicht vom Platz zu prügeln, sondern zu zermürben.

Der Spanier liebt es zu leiden - aber er lässt dadurch auch seine Gegner leiden. Das liegt auch am Untergrund, auf dem die US Open in diesem Jahr gespielt werden; es gibt nach 41 Jahren einen neuen Anbieter. Auch wenn die Spieler zu Beginn sagten, dass es auf den Außenplätzen arg schnell zugehen würde: Auf den Laykold -Belägen in den beiden großen Arenen war es von Anfang an langsamer als auf Deco Turf, es wurde mit jeder Partie ein bisschen langsamer. Es heißt, dass die Geschwindigkeit des Platzes im Arthur Ashe Stadium höchstens mittellangsam sei und damit näher an den Sandplätzen bei den French Open als den schnellen Hartcourts in Melbourne. Serena Williams (USA), das aber nur nebenbei, hat im Juni einen Laykold -Belag bei sich daheim installieren lassen, um sich auf die US Open vorzubereiten.

Es ist ein Belag, den Carreño Busta mag, gerade gegen Shapovalov zeigte er, wie sehr er die Geheimnisse des spanischen Tennis' verinnerlicht hat. Dazu gehört die Fähigkeit, das Spiel des Gegners zu lesen und das eigene anzupassen, was bei Partien über drei Gewinnsätze freilich leichter möglich ist. Hat schon mal jemand bemerkt, dass der erste Satz bei Nadal häufig ein wenig länger dauert und knapper endet - und dass es danach oftmals schnell geht? Nun, das liegt auch daran, dass Nadal diesen Durchgang nutzt, einige Sachen auszuprobieren und eine Strategie zu entwickeln. Das tut Carreño Busta auch.

"Nach dem ersten Satz wurde es ein völlig neues Spiel", sagt er über das Viertelfinale, bei dem er den ersten Durchgang recht schnell mit 3:6 verloren hatte: "Ich bin beim Return ein bisschen weiter vorne gestanden und habe seine Grundschläge eher genommen." Er wollte Shapovalov weniger Zeit geben, sein aggressives Spiel zu entfalten, ohne selbst zu viel zu riskieren. "Er hat sich im Laufe der Partie verbessert", sagte Shapovalov: "Es hatte den Anschein, dass er mit jedem Ballwechsel besser wurde. Es ist unfassbar schwer, gegen einen wie ihn zu spielen."

Natürlich sollte das Buch "The Secrets of Spanish Tennis" umbenannt werden, es ist ja wahrlich kein Geheimnis, wie Spanier so spielen; es ist nur unfassbar schwer, dagegen anzukommen. Zverev, der gerade im Viertelfinale seine Geduld bewiesen hat, muss sich auf eine lange Partie einstellen und darauf, in den späteren Sätzen einen verbesserten Gegner zu erleben. Er wird selbst Variationen brauchen, Ballwechsel konsequent zu Ende spielen müssen und gerade in prägenden Momenten nicht hektisch werden oder bei Rückstand zu verzweifeln. Der Spanier liebt es zu leiden, und Zverev muss am Freitag bereit sein, das auch zu tun.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Laura Siegemund bei den US Open
:"Wir müssen brüllen, wenn wir was besprechen wollen"

An der Seite von Vera Swonarewa steht Laura Siegemund im Finale der US Open - und erklärt, was das Doppelspiel in Coronazeiten so kompliziert macht.

Von Jürgen Schmieder

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: