Athleten aus Russland und Belarus:Schwierige Koexistenz

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"Es gibt Menschen, die mich nicht mögen, nur weil ich in Belarus geboren wurde": Aryna Sabalenka, Halbfinalistin in Stuttgart. (Foto: Marijan Murat/dpa)

Wie realistisch ist ein friedliches Auskommen zwischen ukrainischen Sportlern und Athleten aus den Aggressorländern? Im Tennis zeigt sich, dass es nur schwer möglich ist.

Von Barbara Klimke, Stuttgart

Der Applaus ist lang und anhaltend gewesen, als Aryna Sabalenka, 24, am Freitag beim Stuttgarter Tennis-Grand-Prix ihre beste Freundin, Paula Badosa aus Spanien, 4:6, 6:4, 6:4 schlug. Sabalenka qualifizierte sich zum dritten Mal fürs Halbfinale des Turniers und nahm das zum Anlass, dem Publikum für die Unterstützung zu danken, denn das ist keine Selbstverständlichkeit in diesen Tagen.

Nicht überall ist Sabalenka wohlgelitten. Manchmal, so berichtete die Weltranglistenzweite, werde sie schief angesehen, bisweilen schlage ihr Hass entgegen. "Es gibt Leute, die mich nicht mögen, nur weil ich in Belarus geboren bin. Das ist ihre Entscheidung", sagte sie. "Ich kann das nicht kontrollieren." Sie könne sich nur immer in Erinnerung rufen, dass sie persönlich "der Ukraine keinen Schaden zugefügt habe".

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Sabalenka hatte das Kriegsthema in Stuttgart nicht von sich aus angeschnitten, sie wurde bei einer Pressekonferenz zu Wochenbeginn danach gefragt. Denn auch wenn sie als Tennisprofi überwiegend in Florida lebt, so spielt sie für das Land, das wie Russland zu den Kriegsaggressoren zählt; der belarussische Diktator Lukaschenko lässt selten eine Gelegenheit aus, daran zu erinnern. Nach Sabalenkas Sieg bei den Australian Open im Januar hat er ihr öffentlich zugeprostet. Und erst kürzlich nahm er wieder in einer Rede auf sie Bezug.

Ganz gleich, ob sie mit oder ohne Nationalflagge spiele, wie es seit Kriegsbeginn Frauen-Tour WTA üblich ist und wie es auch das Internationale Olympische Komitee (IOC) präferiert: Die Welt wisse, woher sie komme, sie sei der Stolz des Landes wie etwa Hochspringer Maksim Nedosekow, erklärte Lukaschenko. Und dann erwähnte er süffisant, quasi nebenbei, dass Sabalenka gerade das Viertelfinale der Miami Open verloren habe gegen Sorana Cristea aus Rumänen "mit sechs Doppelfehlern". Darüber werde "zu reden sein".

"Wenn ich den Krieg stoppen könnte, würde ich das machen, aber leider liegt das nicht in meiner Hand."

Auf diese Bemerkungen angesprochen, sagte Sabelenka, dass derlei Aussagen "nicht hilfreich" seien für ihr Ansehen im Kollegenkreis. Einem Staatspräsidenten sei es selbstverständlich unbenommen zu kommentieren, was er wolle: "Aber noch einmal: Ich habe nichts mit Politik zu tun. Ich bin eine Athletin aus, jawohl, Belarus, und ich versuche, im Sport mein Bestes zu geben und mich auf mich selbst zu konzentrieren." Dann fügte sie an: "Wenn ich den Krieg stoppen könnte, würde ich das machen, aber leider liegt das nicht in meiner Hand."

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Der letzte Satz wurde von einigen Beobachtern als Versuch Sabalenkas interpretiert, sich von einer innenpolitischen Instrumentalisierung in Belarus zu distanzieren. Der ehemalige ukrainische Tennisspieler Serhij Stachowskij, 37, hingegen war nicht überzeugt: "Leere Worte", seien das, schrieb er auf Twitter, solange den Aussagen keine Taten folgten.

Wie schwierig die Koexistenz von Athleten aus den kriegstreibenden Nationen Russland und Belarus mit Kollegen aus dem geschundenen Land im Sportalltag ist, wenn sie sich mit Bällen duellieren sollen, während gleichzeitig Bomben auf Wohnhäuser fallen, zeigt folgendes Beispiel: Beim Turnier in Indian Wells im März trat die Ukrainerin Lessia Zurenko, 33, nicht zur Drittrundenpartie gegen Sabalenka an. Zunächst nannte die WTA persönliche Gründe für den Rückzug. Zurenko selbst erklärte das später mit einer Panikattacke.

Die von der WTA verbreitete und vom IOC übernommene These, wonach es im Sport ein friedliches Auskommen von Ukrainern und Athleten aus den Aggressorländern geben, die man bequemerweise als "neutral" erklärt, ist ein Wunschdenken. Auch die Weltranglistenerste, Iga Swiatek aus Polen, hat in Stuttgart von "Spannungen" berichtet. Den Plan des IOC, vor den Sommerspielen von Paris russische und belarussische Athleten generell wieder mit offenen Armen zu begrüßen, sieht sie kritisch: "Ich habe das Gefühl, dass sich in der Ukraine nichts geändert hat. Die Städte sind weiter unter Beschuss, viele Athleten kämpfen im Krieg und sterben", sagte sie. "Es bricht einem das Herz."

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