Süddeutsche Zeitung

Tennis:Tommy Haas - der ewige Comebacker

Mit 38 Jahren und nach langer Pause kehrt Tommy Haas bei den Australian Open auf die Tennistour zurück. Viele seiner potenziellen Gegner sagen ihm gar nichts mehr.

Von Gerald Kleffmann

Als Tommy Haas vor einigen Tagen von Los Angeles kommend in Melbourne gelandet war mit dem Flugzeug, hatte er "viele Emotionen" bei der Ankunft, wie er sagt. Er ist "glücklich für die Möglichkeit", dass er nun also tatsächlich bei diesen Australian Open noch einmal antreten kann. Das erste Grand-Slam-Turnier des Jahres ist ja eine spezielle Veranstaltung für ihn. Dreimal stand er hier im Halbfinale.

Andererseits reiste Haas nicht aus purer Reminiszenz an die eigene Karriere an, er würde schon gerne "ein paar Matches" gewinnen, wie er an diesem Sonntag versichert. Viele internationale Journalisten sind gekommen zu seiner Pressekonferenz, denn es ist längst kein Geheimnis mehr: Haas, der eine deutsche Tennis-Ära prägte, bestreitet mit 38 Jahren seine letzte Saison, auch wenn er vielleicht noch 2018 einmal einen Auftritt irgendwo haben sollte.

"Es ist verrückt, wie die Zeit verflogen ist", sagt er, und seiner Stimme ist zu entnehmen: Er bedauert das. Und deshalb ringt er ja noch ein wenig mit dieser Zeit, die ihm schon hinterhältige Signale gesendet hat - dass er doch langsam mal in den verdienten Ruhestand gehen sollte.

Nach 15 Operationen in der Laufbahn, darunter allein vier schmerzhafte an der Schulter und 2016 als letzte eine am Fuß, die ihn achteinhalb Monate lahmlegte, ist es durchaus ein kleines Wunder, dass Haas immer noch den Willen aufbringt, sich mit einer neuen Generation zu messen. Er ist eben der Rückkehr-Weltmeister, der ewige Comebacker, der ewige Haas. Er hat ja schon seinen ersten Job sicher, als Turnierdirektor des millionenschweren Masters-Turniers in Indian Wells. Nur war Haas schon immer ein Competitor, wie das im englischsprachigen Tennis so schön heißt, ein Wettkämpfer, der es liebt, furchtbar ehrgeizig zu sein und damit auch mal unbequem gegen sich selbst.

"Es gab schon einige Momente, in denen ich ans Aufhören dachte, aber hier bin ich", sagt er und fügt lächelnd hinzu: "Man darf nicht alles ernst nehmen, was ich gesagt habe." Er, sonst gerne cool wie ein Eisblock, einer, der selten tiefere Gefühle öffentlich offenbart hat, staunt tatsächlich jetzt über sich selbst. Und dass er wirklich in Melbourne ist, wie er sich vor acht Monaten exakt so vorgenommen hatte.

Dass er quasi als Fossil aus der Steinzeit des Tennis stammt, trägt ihm auf nette Weise ein amerikanischer Reporter vor, der recherchiert hat, dass Haas in Melbourne der einzige Starter im Männereinzel ist, der im vergangenen Jahrtausend schon hier spielte. 1999 war das, in dem Jahr spielte zwar auch Roger Federer, der inzwischen 35-Jährige und 17-malige Grand-Slam-Champion, mit, aber der Schweizer verlor damals in der ersten Runde der Qualifikation gegen den Franzosen Olivier Delaître. "Ich will nicht an mein Alter denken", sagt Haas, aber dieses Rennen gegen die Zeit, nein, das kann er nicht gewinnen. Als er zum Beispiel in Melbourne sich das Draw, die Auslosung angesehen hat, "da waren 20, 25 Namen dabei, die mir nicht so vertraut sind", gibt er zu. Aus seiner Perspektive ist das ja nicht mal die nächste Generation, die anrückt, sondern die über-,über-, übernächste im Grunde.

Schon im Sommer hatte Haas der SZ verraten, dass es ihm eine diebische Freude bereiten würde, sich noch ein letztes Mal mit diesen selbstbewussten Jungprofis messen zu können. Jetzt fühlt er sich bereit dazu. Sein Körper ist fit, auf einem Oben-ohne-Foto zuletzt war kein Gramm Fett am Oberkörper zu sehen, er lebte immer auch von seiner Athletik und Schnellkraft. In Los Angeles, wo der in Hamburg geborene Deutsche (mit inzwischen auch US-Pass) mit Frau und zwei Kindern lebt, hat er sich mit seinem Trainer Christian Groh in Form gebracht, allerdings gönnte er sich auch etwas weniger militärischen Drill. Mit der Familie war er zwischendurch sogar eine Woche im Skiurlaub.

In der ersten Runde trifft er auf den sehr talentierten Paire

Wo er spielerisch steht? Was er sich zutraut? Allein in der ersten Runde wartet der sehr talentierte, aber auch launisch agierende Franzose Benoît Paire auf ihn. Haas gibt zu, er wisse nicht genau, wo er stehe. Training ist eben anders als Wettkampf. "Für mich geht es darum, Punkt für Punkt und Satz für Satz und Match für Match zu spielen." Dass sein Name noch einen Klang hat, dass er eine Autorität und bestens vernetzt, bewies seine Trainingsschicht am Samstag. Mal eben spielte er mit Kei Nishikori , Japans Spitzenmann, der sehr wählerisch ist bei seinen Hitting Partnern und von einem Kompagniehaften Team abgeschirmt wird. Haas findet eben Zugang zu vielen, den andere nicht erhalten. Mit dem Turnierbesitzer von Indian Wells und Oracle-Milliardär Larry Ellison ist er seit Jahren befreundet. Haas weiß schon auch, sich zu bewegen in diesem Business.

Die deutschen Turniere will er noch alle bestreiten

Auf Court 8 wird er am Dienstag gegen Paire antreten, kein großes Stadion, "ich würde auf jedem Platz spielen", sagt er lächelnd. "Es ist erst mal wichtig, zurück zu sein." Der Sportler in ihm lebt und atmet noch, der Sportler in ihm wehrt sich noch, selbst über den Rückzug von der aktiven Bühne entscheiden zu können. Aber klammheimlich hat sich bereits seine neue Aufgabe in sein Inneres geschlichen, der Turnierdirektor schielt schon auch nach links und rechts. "Das ist schon phänomenal, die Veränderungen hier zu sehen", sagt er und meint damit die alljährlichen baulichen Aufrüstungen der Australian Open. Worum es ihm aber geht, sagt er in pointiert in einem Satz: "Ich habe die Chance, mit mir ins Reine zu kommen."

Melbourne ist nun also der Anfang seiner Ehrenrunde, die deutschen Turniere will er auch alle mitnehmen. Und dann? "Wäre es schön, sich irgendwo von Freunden, Familie, Fans zu verabschieden."

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