Tennis:Giftige Duelle abseits des Platzes

Alexander Zverev, GER, during semifinals of 2020 Australian Open in Melbourne, 31/01/2020; - *** Alexander Zverev, CEF,

Spielt nicht in Berlin: Australian-Open-Halbfinalist Alexander Zverev

(Foto: imago images/Schreyer)

Zverev sagt für Berlin ab, Djokovic spricht von "Hexenjagd" und der US-Verband zögert, ob er den Re-Start der Tour verantworten kann: Der Tennissport gibt ein erschreckendes Bild ab.

Von Gerald Kleffmann, Kitzbühel

Kitzbühel. Ein Traum. Das Kitzbüheler Horn. Der Hahnenkamm, wo im Winter Menschen zu Tale brettern, sieht jetzt, da alles grünt und blüht, sanft und friedlich aus. Ein Berg verlockender als der andere. Nein, es gibt kaum eine schönere Kulisse, und natürlich schmückt sie auch dieses Tennisturnier, das da gerade vom Kitzbüheler Tennisclub (KTC) veranstaltet wird. Mag es da draußen in der Welt Probleme geben, hier ist alles paradiesisch und vor allem: harmonisch. Oder?

Nein, natürlich nicht. Wenig ist derzeit wirklich in Ordnung im Tennis. Und damit ist zunächst einmal nicht dieses Event namens "Thiems 7" gemeint, das die Veranstalter des normalen ATP-Turniers der Tour, das aufgrund der Pandemie in den September verschoben wurde, diese Woche ausrichten. Dominic Thiem, Nummer drei der Weltrangliste und im Sternzeichen Austrian Hero, lud sieben Kollegen ein, auch dank neuer Sponsoren werden 300 000 Euro Preisgeld verteilt, der Sieger nimmt 100 000 Euro mit. 500 Zuschauer dürfen ins imposante Kitzbüheler Stadion, und tatsächlich war das spielerische Niveau, wie Thiem etwa nach seinem Auftakt-Gruppenphasen-Sieg gegen den Norweger Casper Ruud befand, ansehnlich. Auch der Warsteiner Jan-Lennard Struff drosch gegen den Russen Andrej Rubljew ordentlich auf die Kugel, verlor indes knapp.

"Keine Fragen zur Adria Tour"

Der KTC hat es schon geschafft, eine Atmosphäre zu erzeugen, die an ein offizielles Turnier erinnert, Struff gefiel auch die Ernsthaftigkeit auf dem Platz. Da war nichts mit Show. Was der KTC aber nicht schaffte, und wofür er wenig kann: mit der schönen (Natur) und professionellen (Anlage) Kulisse die Querelen im Tennis zu übertünchen oder auszublenden. Sie haben Letzteres sogar exakt so versucht: Man sei in Eile, daher: "keine Fragen zur Adria Tour", hieß es vor Thiems Pressekonferenz.

Ja, die Adria Tour. Damit begann der Schlamassel. Der Weltranglisten-Erste Novak Djokovic hatte es gut gemeint und diese Schaukampfserie organisiert. Erst wurde wild gefeiert, dann positiv auf Corona getestet, halbherzige und, wie man nun weiß, nicht ernst zu nehmende Entschuldigungen folgten. Die aber, wie sich jetzt schon wieder zeigte, flugs zu neuen Beschuldigungen mutierten. Djokovic, wie seine Gattin infiziert gewesen, sagte nun dem serbischen Medium Sportski Zurnal, er habe zuletzt nur "bösartige" Kritik gesehen: "Es ist, als laufen eine Agenda und eine Hexenjagd ab." Überdies verkündete er, bei den US Open Ende August vielleicht doch nicht zu spielen. Anfangs wollte er ja noch, dann nicht, dann schon, nun nicht. Zu dem verbalen Theater wäre längst ein Live-Ticker für die Chronologie hilfreich.

Vernünftige und nachvollziehbare Dinge werden übrigens auch ab und an gesagt. Struff zum Beispiel kommt in Kitzbühel im Muskelshirt zu einer Mini-Presserunde mit zwei Journalisten, kein PR-Berater an der Seite, man darf alles fragen. Struff wirkt sehr klar, auch wenn ihm etwas unklar ist: "Wir haben nicht so viele Informationen gekriegt, dass ich sagen könnte, ich kann mir ein Topbild dazu machen", sagt er und meint: wie die Tennistour eigentlich wirklich wie angekündigt starten will, mit Turnieren in Washington Mitte August und New York, dort mit zwei Turnieren gar (eines davon: die US Open). "Ich weiß einfach nicht, was sie mit Washington machen", sagt Struff weiter. Er hat deshalb nichts gebucht, keinen Flug, kein Hotel.

Die Duelle finden nun auf anderen Feldern statt

Natürlich hat er die schlimmen Entwicklungen in den USA mitbekommen, würde aber trotzdem dort antreten. Er glaubt, wenn die Tour das OK gibt, wird sie für die Sicherheit sorgen, in der Blase. Aber er hängt in der Luft. Und appelliert deshalb: "Ich hoffe, dass wir in nächster Zeit mehr Informationen bekommen." Letztlich drängt sich der Eindruck auf, dass der amerikanische Verband (die USTA ist US-Open-Ausrichter) sowie die Männer- und die Frauentour längst nicht mehr wissen, ob sie diesen Restart verantworten können. Das Bizarre: Aber auch ohne echtes Wettkampftennis ist es ja spannend wie selten. Die Duelle finden nur auf anderen Feldern statt.

Nicht nur Djokovic erhitzte mit seiner im Fiasko geendeten Adria Tour die Gemüter von Kritikern und Hardcore-Anhängern gleichermaßen, die ihn vor allem im Internet heftig verteidigen. Auch dass der Deutsche Alexander Zverev, Weltranglisten-Siebter und bei der Adria Tour vorne mit dabei gewesen, trotz Ankündigung, sich zwei Wochen in Isolation zu begeben, kurz darauf feiernd in Monte-Carlo auftauchte, befeuerte neue Streitereien. Der aktuelle Stand: Thiem hatte seinen Kumpel Zverev in der Tiroler Tageszeitung verteidigt ("Mir taugt nicht, wie ihn die Leute kritisieren. Er wird behandelt, als wäre er ein Volksschulkind") und dem Australier Nick Kyrgios, der Zverev scharf kritisiert hatte, vorgeworfen, er habe selbst Blödsinn gemacht und solle erst mal mit sich ins Reine kommen. Kyrgios meldete sich daraufhin aus seiner Heimat und wies Thiem zurecht: "Menschen sterben, verlieren ihre Liebsten und Freunde", schrieb er - und Thiem spreche dann ob dieser Tragweite lapidar von "diesen Fehlern"? Thiem wäre nun wieder dran mit einem Konter.

Am Mittwochabend wurde diese Duell-News, so besonders sind diese Tennis-Zeiten, dann auch schon wieder vom nächsten Ereignis eingeholt: Zverev sagte seine vertraglich zugesicherte Teilnahme beim Turnier "Bett1Aces" in der kommenden Woche in Berlin ab. Er habe entschieden, "derzeit nicht bei organisierten Events zu spielen", teilte der 23-Jährige in Sozialen Medien mit. Zudem bestätigte er, dass sein dritter Corona-Test negativ ausgefallen sei und er nun mit David Ferrer, dem früheren Spitzenspieler aus Spanien, eine Probezeit als Trainer absolviere.

Auch Kyrgios zog für Berlin zurück, indes notgedrungen aufgrund der Corona-Lage, die die Ausreise nicht ermöglicht. "Als wir Nick Kyrgios im Mai für Berlin engagiert haben, war diese Entwicklung so nicht zu erwarten", erklärte der dortige Turnierveranstalter Edwin Weindorfer - und fügte vielsagend hinzu: "Wie überhaupt festzustellen ist, dass in der von Corona geprägten Zeit bei der Veranstaltung von Tennisturnieren immer wieder Probleme auftreten, die man bisher nicht gekannt hat."

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