Tennis:The Big One

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Sein 19. Streich: Novak Djokovic könnte nach dem Sieg bei den French Open demnächst mit dem Titel in Wimbledon zu Roger Federer und Rafael Nadal aufschließen, die je 20 Grand-Slam-Pokale besitzen. (Foto: Thibault Camus/dpa)

Novak Djokovic macht im Dreikampf der sogenannten großen Drei mit Abstand den besten Eindruck. Während der Schweizer Roger Federer und der Spanier Rafael Nadal ganz eigene Probleme haben, sieht der Serbe voller Selbstvertrauen dem Rasenklassiker von Wimbledon entgegen.

Von Gerald Kleffmann, München

Alexander Zverev musste bei seiner letzten Pressekonferenz in Halle auf diese Frage, wer die Favoriten nun für das ab 28. Juni anstehende Wimbledon-Turnier seien, nicht lange überlegen. "Novak", sagte er sofort. Und machte eine Pause. "Dann ist eine größere Lücke, glaube ich", präzisierte er. "Für uns jüngere Spieler ist Rasen ein Belag, wo wir vielleicht ein bisschen mehr Zeit brauchen." Novak, das ist Novak Djokovic, der gerade die French Open in Paris gewann. Es war sein 19. Grand-Slam-Titel. Ja, er ist wirklich der wolkenkratzerhohe Favorit.

Von Rafael Nadal gab es jüngst eine Videosequenz zu sehen, der Spanier hielt vor jungen Absolventen seiner Tennis-Akademie auf Mallorca eine feierliche Rede, und just als er beginnen wollte, wehte der Wind seine Manuskripte weg. Er hob die Blätter auf und sagte lachend: "Das war kein guter Start. Genau wie in meinem letzten Match in Roland Garros." Tags darauf sagte er seine Teilnahme für den Rasen-Klassiker in Wimbledon ab. In Tokio, bei den Olympischen Sommerspielen, wird er auch nicht antreten. Auch das gab er bekannt. Es sei ihm alles zu viel, nach der zehrenden Sandplatzsaison. Die Abstände zwischen den Events sei zu kurz. Er ist ist nicht der einzige der großen Alphaspieler, der auf einmal zu kämpfen hat.

Sorgenvoll: Roger Federer haderte in Halle mit seinem Spiel. Sein Comeback verläuft nicht wie erhofft. (Foto: Friso Gentsch/dpa)

Roger Federer, wie Nadal mit 20 Grand-Slam-Titeln ausgezeichnet, dürfte nun wieder in seiner Heimat sein, nach dem überraschenden Aus beim ATP-Turnier im Achtelfinale in Halle/Westfalen, wo eine Straße nach ihm benannt ist, wollte er in der Schweiz mit seinem Team beraten, "wie es weitergeht". Der 39-Jährige hatte gegen Felix Auger-Aliassime in drei Sätzen verloren, im Achtelfinale, zufällig haben die beiden am selben Tag Geburtstag, mit dem kleinen Unterschied, dass der Kanadier am kommenden 8. August 21 Jahre alt - und Federer 40. Noch nie war der Altersunterschied größer zu einem seiner Gegner, eine erstaunliche Randnotiz, die Federer da erlebte, dabei hat er schon weit mehr als 1500 Matches als Profi bestritten. Aber daran lag es nicht, dass er Halle zweifelnd verließ.

"Das war keine gute Haltung von mir", hatte er konstatiert. Er hätte die Schwere eines Comebacks gespürt. Zwei Knie-Operationen und dann einfach gleich wieder Federer-artig siegen? Er, der weltweit bewunderte Tennis-Ästhet, ist auch ein Mensch, wirklich. "Ich wurde wirklich negativ", gab er zu, als es nicht lief, "und so bin ich eigentlich nicht." In Ansätzen schimmerte sein Genie durch, aber oft genug wirkte er auch verunsichert, gerade im dritten Satz. Bei den French Open hatte er aufs Achtelfinale verzichtet, um sich zu schonen. Nun reist der achtmalige Wimbledon-Champion, der all seine Planungen auf einen neunten Titelgewinn ausrichtet, nur mit der Praxis von zwei Matches auf Rasen nach London. Er wolle jetzt "positiv bleiben", sagte er, es klang wie ein Befehl an sich selbst.

Ungewohnt: Rafael Nadal, der 13-malige Sieger von Paris, stand diesmal nicht im Endspiel. Im Halbfinale verlor er gegen Novak Djokovic. (Foto: Adam Pretty/Getty)

Novak Djokovic ist derweil auf Mallorca dieser Tage, das ja quasi Nadals Mallorca ist. Der Serbe, 34, spielt dort ein ATP-Turnier auf Rasen, auf jenem Belag, der ja quasi Federers Belag ist. Das Bild, das sich wie von alleine aufdrängt, ist etwas überraschend: Die Big 3 reduzieren sich momentan auf The Big One. Natürlich ist das zugespitzt, aber in der Momentaufnahme sieht es eben aus, als nehme Djokovic richtig Anlauf, um die beiden zu überholen. Ja, er wolle Wimbledon gewinnen, das hatte er sogar sofort während der Pressekonferenz in Paris betont. Normalerweise genießen Sieger erst mal den Moment und reden nicht gleich vom nächsten bedeutsamen Vorsatz. Sein Trainer, der schlaue Marian Vajda, 56, aus der Slowakei, meinte auch, Djokovic könne dieses Jahr gar den Saison-Grand-Slam schaffen. Nach den Triumphen bei den Australian Open und French Open hat sein Spieler tatsächlich schon die Hälfte der Beute eingefahren.

Die Debatten um Djokovic drehen sich gerade sehr um Siege und neue Bestmarken und Rekorde. Bei Federer und Nadal geht es eher darum, wie fit sie sind, wenn sie als Nächstes wieder den Schläger schwingen. Und um die große Frage, was sie sich selbst zutrauen. Nadal, das erklärte er, wolle mit seiner Pause auch dazu beitragen, die Dauer seiner Karriere auszudehnen. Er macht es nun quasi wie sein Freund Federer in den ersten Monaten dieser Saison. Im berühmtesten Dreikampf der Tennisgeschichte macht in jedem Fall Djokovic gerade den besten Eindruck. Und das könnte ein Weilchen noch so bleiben. "Es ist nicht leicht zurückzukommen", sagte nun auch Andy Murray, der selbst mit 34 Jahren um den Anschluss rackert. Er fühlt vor allem mit Federer mit.

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