Tennis:Tage des Regens - Washout in Paris

French Open tennis tournament at Roland Garros

Wann geht es endlich weiter? Mehrere Regenpausen ziehen die French Open in die Länge.

(Foto: dpa)
  • Die 115. French Open leiden unter dem Regen: Es gab den ersten "Washout" seit 16 Jahren - alle Partien wurden auf den nächsten Tag verschoben.
  • Turnierdirektor Guy Forget schließt nicht aus, dass Ruhetage gestrichen werden könnten.
  • Hier geht es zu allen Ergebnissen der French Open.

Von Philipp Schneider, Paris

Mit einem Käppi und einer dicken roten Jacke wappnete sich Boris Becker, als er um kurz nach zwölf Uhr hinaustrat in den Nieselregen und Platz nahm auf seiner angestammten und inzwischen bewährten Sitzschale im Stadion Philippe Chatrier. Um ihn herum saßen viele Zuschauer mit Regenschirmen und Regenponchos. Der Trainer Becker hatte aber wohl keine Lust, sich unter Schirm und Poncho zu verstecken, während er ansah, wie sich sein Spieler Novak Djokovic im Match gegen den wetterfesten Spanier Roberto Bautista-Agut in kurzen Hosen durch den vor Nässe klumpenden Sand mühte.

Nach 43 Minuten zeigte der Stuhlschiedsrichter Erbarmen und unterbrach die Wasserspiele. Ungewöhnliche drei Mal hatte Djokovic seinen Aufschlag abgegeben und den ersten Satz 3:6 verloren. Zehn Minuten vorher hatte ein nur 200 Meter entfernter Schiedsrichter auf dem Court Suzanne Lenglen die Partie der Weltranglistenzweiten Agnieszka Radwanska gestoppt. Wann es zu feucht ist, um noch zu spielen, das ist im Tennis eine knifflige Frage.

An sechs der ersten zehn Tage gab es Unterbrechungen

Am Montag hatte es bei den French Open sogar den ersten "Washout" seit 16 Jahren gegeben - wegen Regens wurden alle Partien auf den nächsten Tag verschoben. Obwohl es am Dienstagvormittag noch immer tröpfelte, entschieden sich die Veranstalter, die Matches durchzuziehen. Für zunächst 43 Minuten. In der kurzen Zeit, in der am Nachmittag wieder gespielt wurde, erkämpfte sich Djokovic noch einen Zwischenstand von 3:6, 6:4, 4:1. Dafür verabschiedeten sich zwei Favoritinnen: Radwanska verlor gegen Zwetana Pironkowa und erklärte danach, sie sei "just pissed".

Dass sie "im Regen spielen mussten, kann nicht sein. Das ist schließlich ein Grand Slam". Simona Halep unterlag Sam Stosur in einem Achtelfinale, das sie zwei Tage vorher begonnen hatten, und klagte: "Es war unmöglich zu spielen. Niemanden interessiert, was die Spieler denken." Diese 115. French Open werden als eine der regenreichsten in die Geschichte eingehen werden. An sechs der ersten zehn Tage gab es Unterbrechungen, dazu war es windig und kalt.

In Paris, wo etwas mehr auf dem Spiel steht als bei den sächsischen Meisterschaften im Camembert-Wettessen: Serena Williams könnte mit ihrem 22. Major-Gewinn den Rekord von Steffi Graf egalisieren. Und Djokovic will seine Sammlung an Pokalen komplettieren, es fehlt ihm nur die Coupe des Mousquetaires. Weil es nicht aufhört zu regnen in Paris, gerät nun der Spielplan durcheinander.

Turnierdirektor Guy Forget schließt nicht aus, dass Ruhetage gestrichen werden könnten. "Für die Spielerinnen ist das kein Problem, sie kennen es nicht anders auf der WTA-Tour. Für die Männer, die Fünf-Satz-Matches spielen, ist es eher problematisch", sagte Forget am Montag: "Djokovic und Murray sind tolle Athleten, sie bekommen das hin."

Denkbar sei, sagt Forget, dass das Männerfinale von Sonntag auf Montag verlegt werden muss. Vor vier Jahren verwandelte Rafael Nadal seinen Matchball an einem Montag. Und 1973 gewann Ilie Nastase sein Endspiel erst an einem Dienstag. Seither hat sich die Tenniswelt weiterentwickelt. Fast überall.

Organische Grenzen für den Sport

Nur nicht im 16. Arrondissement von Paris. Bald werden die French Open das einzige Grand-Slam-Turnier sein, das unbedacht ist. Im August weihen die Veranstalter der US Open eine Haube über dem Arthur Ashe Stadium ein, bei den Australian Open können drei Plätze auf Knopfdruck in eine Halle verwandelt werden, in Wimbledon gibt es seit 2009 über dem Centre Court ein feines, einfahrbares Dach.

In Paris? Da gibt es einen Baustopp am Bois de Boulogne. Weil eine Koalition aus lärmempfindlichen wie wohlhabenden Anwohnern mit Naturschützern erfolgreich klagt. Im benachbarten Jardin des Serres d'Auteuil, einem botanischen Garten aus dem 19. Jahrhundert, gedeihen Pflanzen mit Seltenheitswert, die Tennisanlage stößt im Osten sozusagen an ihre organischen Grenzen.

Das seit Ewigkeiten geplante Dach über dem Stade Chatrier soll 2020 eingeweiht werden, doch nicht einmal dieser Zeitpunkt ist sicher. Daher geht Forget, der schon als Spieler berühmt war für seine riskanten Attacken, in den Regentagen von Paris in die Offensive. "Ich bin genervt. Es ist hart, die Profis unverrichteter Dinge zurück ins Hotel zu schicken", sagt er: "Wir diskutieren seit 15 Jahren über dieses Dach, es muss einfach her."

Der Bauplan sorgt noch immer für die größten Proteste

Ehe es aufgesetzt werden kann, muss zunächst die Statik des Stadions verbessert werden. "Wir müssen hier einiges aufreißen, das Stadion wird doppelt so groß sein wie bisher, erst wenn es solide genug ist, können wir die Flügel aufsetzen, die das Dach tragen." Dies sei allerdings erst der letzte Schritt eines Prozesses: "Ganz Roland Garros wird erneuert werden, das Dach ist erst das letzte Puzzlestück."

Er dachte unter anderem auch an ein neues Tennisstadion mit 5000 Plätzen, das im Botanischen Garten halb in der Erde versenkt werden soll. Dieser Bauplan sorgt wenig überraschend noch immer für die größten Proteste der Natur- und Denkmalschützer.

Nachdem sich Djokovic bei seinem Sieg in der dritten Runde beeilen musste, um noch vor Einbruch der Dunkelheit fertig zu werden, weil er den Ball kaum noch erkennen konnte, meinte er: "Ich hoffe, dass es hier wenigstens bald Flutlicht geben wird." Nicht einmal das gibt es nämlich.

Weil die Bewohner des angrenzenden Boulevard d'Auteuil nicht möchten, dass spät am Abend noch Licht durch ihre Schlafzimmer-Vorhänge fällt. Es sei immer das Gleiche, sagte Forget, immer gebe es Leute, die sich gegen Neuerungen wehren. Nach dem Motto: "Nein, nein, nein, das sollten wir auf gar keinen Fall tun, das wird schrecklich hässlich und viel zu lange dauern."

Mit der Glaspyramide im Louvre, die seit 1989 als Eingang dient, sei es genauso gewesen, sagt Forget. Und da hat er ja Recht: Sie wurde vier Jahre lang errichtet, war sündhaft teuer und bei den Parisern zunächst beliebt wie Fußpilz. Genau wie der Eiffelturm, der Proteste auf sich zog, ehe er 1889 doch noch eingeweiht wurde. Als moderner Bau ohne Funktion. Warum sich die Errichtung eines Dachs so lang hinzieht? "Das ist Frankreich", sagt Guy Forget.

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