Süddeutsche Zeitung

Tennis:Sein nächster Rekord

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Roger Federer gewinnt zum achten Mal Wimbledon - fast schon beängstigend souverän, mit 35 Jahren, als Vater von vier Kindern. Müde ist er noch lange nicht.

Von Barbara Klimke

Die Hortensien blühten in den Klubfarben lila-grün, der Buchsbaum war akkurat geschnitten. Und der Centre Court wirkte am Finaltag so makellos, als habe der Gärtner noch am Morgen jeden Grashalm einzeln gebürstet und gelegt - zumindest dort, wo der Rasen nach zwei Wochen nicht völlig platt getreten war. Der All England Club in Wimbledon lebt in der Vorstellung, dass sein nahezu perfektes Tennisturnier größer ist als jeder Akteur; sogar ein späterer König, Georg VI., war hier 1926 als Doppelspieler nur einer unter vielen. Diesmal aber wurde offen der Personenkult betrieben: Roger Federer auf dem Centre Court zu erleben, so stand es im Programmheft, sei für die Zuschauer ein Privileg. Denn da wirke ein Meister im Zenit seiner Kunst, "wie Nurejew im Bolschoi oder Pavarotti in der Scala". Der Schweizer machte sich am 16. Juli tatsächlich daran, sein Gesamtwerk zu vollenden. Nicht nur den Rivalen wollte er besiegen, den Kroaten Marin Cilic, einen früheren US-Open-Sieger, größer und kräftiger als er selbst. Er forderte zwei weitere Opponenten heraus: das Alter und die Klub- Annalen. Beides sprach gegen ihn. Federer war 35, Vater von vier Kindern, gefeiert als Bester seines Fachs. Nie aber hatte ein Spieler mit 35 auf dem Rasen von Wimbledon gewonnen. Und nie hatte ein Mann sogar acht Mal triumphiert.

Er brauchte keine zwei Stunden, um die drei Giganten auf einen Schlag zu bezwingen: Alter, Gegner und Geschichte, 6:3, 6:1, 6:4. Als Cilic im zweiten Satz 0:3 zurücklag, sackte er beim Seitenwechsel auf den Stuhl. Dicke Tränen liefen über sein Gesicht, Ausdruck körperlicher wie psychischer Qual, weil dem Maestro nicht beizukommen war.

Roger Federer kann seine Gegner quälen, bei allem Charme, für den das Publikum ihn bewundert. Er hat bis Ende des Jahres 2017 insgesamt 19-mal bei den größten vier Turnieren in Melbourne, Paris, Wimbledon und New York gewonnen. Er hat die Besten einer Generation auf Distanz gehalten, Rafael Nadal, Novak Djokovic, Andy Murray. Aber es erging ihm wie so manchem Dauersieger im Sport: Als es ihm zu fad wurde in seiner Dominanz, suchte er neue Reize und fand sie in der Jagd nach Rekorden. Und so war das Wimbledonturnier 2017 auch ein Schattenkampf gegen zwei Heroen der Vergangenheit, gegen den Briten William Renshaw und den Amerikaner Pete Sampras, die beide sieben Titel sammelten, der eine zwischen 1881 und 1889, der andere gut hundert Jahre später. Und nun? Fünf Jahre lang hatte Federer auf den achten Goldpokal warten müssen. Aber sobald ein Rekord endlich gebrochen ist, rückt der nächste in den Blick - das ist das Dilemma des Sports.

Im Sommer 2018, wenn die Hortensien blühen, wird er wohl Wimbledon- Titel Nummer neun angehen. Das wäre dann ein Kampf gegen eine Schattenfrau, die Bestmarke neun hält Martina Navratilova.

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Quelle:
SZ vom 27.11.2017
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