Tennis:Ein Masterplan muss her

BESTPIX - 2020 French Open - Day Eleven

Hat mit seiner Adria-Tour viel Ärger initiiert: Novak Djokovic.

(Foto: Shaun Botterill/Getty Images)

In der Coronasaison fährt jedes Tennisturnier sein eigenes Sicherheitskonzept. Dieses Verhalten ist verkehrt - und schadet der ganzen Branche.

Kommentar von Gerald Kleffmann

Die gute Nachricht: Der Tennissport hat sich zurückgemeldet, diesmal nicht mit einer Schaukampftour, die sich als Virenschleuder entpuppte wie die gut gemeinte, aber unrühmliche Adria Tour im Frühsommer. Auch ging es in den vergangenen Wochen nicht ums Ausprobieren witziger Modi, es gab Sätze bis sechs, Tie-Breaks bis sieben, die einzige Stoppuhr, die lief, war die zwischen zwei Ballwechseln. Mittels Shot Clock waren die Profis angehalten, binnen 25 Sekunden aufzuschlagen. Patrick Mouratoglou, Vermarktungsnervensäge und Trainer von Serena Williams, hatte in seiner Akademie an der Côte d'Azur Show-Matches organisiert, die viermal zehn Minuten dauerten - als wäre Tennis Basketball.

Unterhaltsam, ja. Aber wenn die nun zu Ende gehenden French Open in Paris und zuvor die US Open in New York eines bewiesen haben, dann, dass an offiziell bedeutsame Partien keine Gaudiveranstaltung herankommt. Die halfen immerhin manchen, Spielern wie Fans, die Corona-Pause besser zu überstehen.

Die Relevanz eines Turniers bemisst sich oft an der Relevanz seiner Sieger, so gesehen waren auch die US Open, zu denen noch verhältnismäßig viele Profis die Reise mieden, ein Erfolg. Dominic Thiem und Naomi Osaka, global beliebte Protagonisten, triumphierten, legendär der Krimi des Österreichers gegen Alexander Zverev. Auch Paris ist bereit für Erzählungen, das Narrativ lautet: Außenseiter gegen Grand-Slam-Größen; die junge Polin Iga Swiatek fordert Australian-Open-Siegerin Sofia Kenin heraus, Rafael Nadal und Novak Djokovic lauerten im Halbfinale. Oder scheitern sie gegen Diego Schwartzman und Stefanos Tsitsipas?

Jedes Turnier praktizierte ein eigenes Sicherheitskonzept

Dass sich die Branche solche sportlichen Fragen stellen durfte, ist nicht selbstverständlich. In diesem seltsamen Jahr, in dem man Mühe hat, das Gefühl für Raum und Zeit zu behalten, wurde ständig die Sorge besprochen, wie die Tour in der Pandemie existieren kann. Die Mammut-Turniere in New York und Paris sind ein Beleg, dass Events dieser Dimensionen wirklich organisierbar sind. Doch auch eine schlechte Nachricht förderten die Messen zutage.

Die Diskrepanzen, die zwischen Touren, Weltverband ITF, den vier Grand Slams und unter Profis herrschen, wurden bei der Sicherheitsproblematik stringent sichtbar. Jedes Turnier praktizierte ein eigenes Konzept. In den USA schimpften deshalb manche, sie fühlten sich wie im Gefängnis; in Frankreich beklagten sie, es gebe keine dichte Blase, normale Bürger seien auch in ihren Hotels. Dass es die Verantwortlichen den generell auf diesen Bühnen verwöhnten Spielern nicht immer recht machen können, ist nicht neu, aber den Leitfaden in Covid-19-Zeiten müssen schon sie diktieren. Dass der in Paris erkältet ausgeschiedene Zverev sich nicht zum Test meldete, war nicht ideal - ebenso fragwürdig war, dass der französische Verband (FFT) ihn nicht sofort checkte. Es gab nicht mal Temperaturmessungen.

Das Bild drängte sich auf: Roland Garros pfiff darauf, sich an dem zu orientieren, was bei den US Open funktionierte. Als reicher Verband kann die FFT aus einer Position der Stärke operieren. Verkehrt ist dieses Verhalten trotzdem. Letztlich schadet es der Branche, wenn nicht Wissen und Konzepte geteilt werden, es nicht einen gemeinsamen Masterplan für die Bewältigung der Saison gibt. Schon fragten sich Spielerinnen, was ihre Führung der WTA-Tour zustande bringt, vielmehr: nicht zustande bringt. Der China-Swing, eine Millionenquelle, fällt aus, bis auf ein Turnier (in Ostrava) liegt der Kalender brach. Auf der ATP-Tour der Männer finden derweil zehn statt. Letztlich ist klar: Die Kompetenz seiner Entscheidungsträger wird die Zukunft des Tennissports definieren. Das Virus ist an vielem schuld. Aber nicht an allem.

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FILE PHOTO: French Open

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